Es ist mal wieder so weit. Für den Berliner Fluchhafen soll noch vor Weihnachten ein Eröffnungstermin verkündet werden. Und erneut stehen hinter dem Datum viele Fragezeichen. Ursprünglich hätten die ersten Flieger bereits 2012 vom nach seinem internationalen Kürzel BER genannten Airport starten sollen, sechs Jahre nach dem Baubeginn. Doch seither wurde der Start bereits sechsmal verschoben, das ambitionierte Verkehrsprojekt ist längst zum Sinnbild des Scheiterns geworden.
Der Hauptstadtflughafen, der Symbol der deutschen Einheit sein sollte, steht heute weltweit für ein schier unglaubliches Versagen bei Planung, Bau und Management. Berichte über nicht endende Probleme mit der Brandschutzanlage, zu kurze Rolltreppen, falsch nummerierte Räume, völliges Chaos bei der Führung von Kabeln und Leitungen oder nicht funktionierende Automatiktüren füllen Bände. Teilweise sind manche Anlagen auf der Baustelle, die an das Gelände des ehemaligen DDR-Flughafens Schönefeld angrenzt, schon wieder sanierungsbedürftig, obwohl sie noch nie in Betrieb waren.
Auch die Kosten sind völlig aus dem Ruder gelaufen. Wurden sie ursprünglich auf 2,5 Milliarden geschätzt, summieren sie sich bereits jetzt auf 6,6 Milliarden Euro. Weil die drei Bauherren der Bund sowie die beiden Länder Berlin und Brandenburg sind, zahlt die Zeche der Steuerzahler.
Eigentlich sollte der BER schon seit rund 2000 Tagen offen sein
Am kommenden Freitag wird sich der Aufsichtsrat in einer außerordentlichen Sitzung mit dem Inbetriebnahmetermin beschäftigen. Rund 2000 Tage sind seit dem ursprünglich angekündigten Datum vergangen. Auch hochkarätige Manager wie Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn oder der frühere Bombardier-Mann Karsten Mühlenfeld haben es nicht geschafft, das Pannen-Projekt zum Ende zu bringen.
Berliner Flughafen (BER): Chronologie der Pannen
Dezember 1991: Gründung der Berlin Brandenburg Flughafen Holding (BBF). Gesellschafter sind die Länder Berlin und Brandenburg.
Mai 1996: Berlin, Brandenburg und der Bund einigen sich darauf, dass der zukünftige Hauptstadtflughafen neben dem derzeitigen Flughafen Schönefeld südöstlich von Berlin gebaut wird.
August 2004: Die Landesregierung in Potsdam erteilt den Planfeststellungsbeschluss für das größte ostdeutsche Infrastrukturvorhaben, den Flughafen Berlin-Brandenburg International (BBI).
März 2006: Die Gegner des Großflughafens scheitern mit ihrem juristischen Kampf gegen das Projekt.
September 2006: Der damalige Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee, Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit sowie Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (alle SPD) setzen den symbolischen ersten Spatenstich. Der neue Flughafen soll zum Winterflugplan 2011 fertig werden.
Juli 2008: Die Arbeiten am Terminal beginnen.
Oktober 2008: Der Flughafen Berlin-Tempelhof wird geschlossen.
Juni 2010: Der Eröffnungstermin des neuen Flughafens wird auf den 3. Juni 2012 verschoben.
Mai 2012: Nur knapp einen Monat vor der geplanten Eröffnung teilt der Aufsichtsrat mit, dass die Eröffnung erneut verschoben wird, weil der Brandschutz nicht funktioniert und der Flughafen deshalb keine Genehmigung erhält.
September 2012: Der Termin im Frühjahr 2013 wird ebenfalls gestrichen, weil die Arbeiten mehr Zeit brauchen. Der neue Technikchef Horst Amann hält eine Eröffnung des Flughafens Ende Oktober 2013 aber für machbar.
Dezember 2012: Mehrere Gutachten werden bekannt, laut denen der Flughafen für die Zahl der erwarteten Passagiere zu klein geplant ist.
Januar 2013: Nachdem der Technikchef den Eröffnungstermin im Oktober 2013 als nicht mehr haltbar bezeichnet hat, wird Geschäftsführer Rainer Schwarz entlassen.
Januar 2013: Wowereit gibt das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden an Brandenburgs damaligen Ministerpräsidenten Platzeck ab.
März 2013: Der Aufsichtsrat teilt überraschend mit, dass der ehemalige Bahn-Chef Mehdorn als neuer Geschäftsführer des BER die Bauarbeiten vorantreiben soll.
Ende 2013 ist noch immer kein Eröffnungstermin in Sicht. Noch 2014 will Hartmut Mehdorn allerdings täglich einen Flieger vom Nordpier des Airports starten lassen, um die Systeme zu testen.
Im April 2014 verkündet Hartmut Mehdorn, dass er weitere 1,1 Milliarden Euro bei den Gesellschaftern anfragen wird. Die Gesamtkosten steigen damit von 4,3 Milliarden Euro auf 5,4 Milliarden Euro.
November 2014: Nun stehen weitere Mehrkosten in Höhe von 2,19 Milliarden Euro wegen weiterer Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen im Raum.
Im Dezember 2014 kündigt Hartmut Mehdorn ein neues Eröffnungsdatum an: 2017 soll der BER in Betrieb gehen, heißt es nun.
Im Januar 2017 wird offiziell verkündet, dass BER im Jahr 2017 nicht eröffnet wird.
September 2017: Eine Mehrheit der Berliner stimmt in einem Volksentscheid für den Weiterbetrieb des Flughafens Tegel, selbst wenn BER eröffnet ist. Denn: Der Flughafen wäre wegen den Verspätungen bereits zur Eröffnung zu klein.
Dezember 2017: Flughafen-Chef Lütke Daldrup will ein Eröffnungsdatum nennen. Spekuliert wird über ein Datum zwischen 2020 und 2023. Zwar könnten die Bauarbeiten vermutlich noch 2018 abgeschlossen werden. Dann müsste der Flughafen aber noch unter Praxisbedingungen getestet werden - wobei wieder Fehler auftreten könnten.
Januar 2018: Daldrup gibt bekannt, am 2. März genaue Angaben zu den Mehrkosten machen zu wollen. Die veranschlagten 6,5 Milliarden Euro galten nur für einen Start im Jahr 2018. Die Bauarbeiten dauern aber noch länger. Die CDU will nicht weiter in die Fertigstellung des Flughafens investieren.
Im März 2018 erklärt die Flughafengesellschaft, den Ausbau künftig privat unterstützen zu lassen. Das Terminal 2 soll als Mietkauf- oder Leasingobjekt gebaut werden. Die Eröffnung des BER wird auf Herbst 2020 terminiert.
Mai 2018: Wichtige Baufirmen wie Bosch und Siemens lassen sich für die Arbeiten an der Haustechnik auf feste Terminpläne ein. Zudem wird bekannt, dass die Flughafengesellschaft 83,6 Millionen Euro Verlust im Jahr 2017 verzeichnet. Und eine Projektsteuerungsfirma stellt fest, dass sie bei der Kabel-Sanierung elf Monate im Verzug sei.
Im Juli 2018 erteilt das Bauordnungsamt des Landkreises Dahme-Spreewald die Genehmigung für den Bau von Terminal 2.
Der selbstständige Berater und Flughafenplaner Patrick Muller übernimmt im August 2018 die Betriebsleitung der Flughäfen Tegel und Schönefeld. Zu seinen Aufgaben werden auch der Probebetrieb und die Eröffnung des BER gehören.
November 2018: Der Bauingenieur Carsten Wilmsen wird neuer Bau- und Technikchef.
März 2019: Der Tüv äußert Bedenken über den Zeitplan bis zur Intriebnahme. Es ist unklar, ob die Tests der Anlagen im Terminal im Frühjahr 2019 beginnen können.
Im vergangenen März trat Mühlenfeld zurück, für ihn rückte der Stadtplaner Engelbert Lütke Daldrup nach, der sich in den Monaten darauf erst einmal ein Bild von der Lage machen wollte. Die, so heißt es aus Kreisen von Projektbeteiligten, ist alles andere als rosig. Die Arbeiten gehen demnach deutlich langsamer voran, als erhofft. Ob bei den rund 1600 Automatiktüren oder bei den fast 80000 Sprühköpfen der Sprinkleranlage – es bleibe noch viel zu tun. Die Betreibergesellschaft formuliert es positiver, doch auch aus der offiziellen Stellungnahme geht hervor, dass es noch vielerorts klemmt: Mittlerweile sind mehr als 80 Prozent der Türen fertiggestellt und betriebsbereit. Zudem sind jetzt 77 Prozent der hydraulischen Berechnungen für die Sprinkler fertiggestellt. Bei den prüfpflichtigen Anlagen wurden 61 Prozent der Sachverständigen-Prüfungen abgeschlossen.
Lütke Daldrup will die Bauarbeiten bis August 2018 abschließen
Nicht einfacher wird die Situation dadurch, dass sich die Verhandlungen mit den beteiligten Firmen über den Abschluss der Arbeiten dem Vernehmen nach teils im Kreis drehen. Weil die Flughafenbetreiber den Firmen mitunter gar nicht sagen könnten, wann sie mit den Arbeiten beginnen können, weigerten sich diese, verbindliche Fertigstellungstermine zu nennen. So lasse sich kaum ein wirklich zuverlässiges Zeitfenster für die endgültige Eröffnung nennen.
Dennoch wird davon ausgegangen, dass Lütke Daldrup weiterhin den Abschluss der Bauarbeiten für Ende August 2018 anstrebt. Doch selbst wenn der Flughafen rein baulich fertig wäre, müsste er noch aufwendig unter praxisnahen Bedingungen getestet werden. Und wie lange mögliche Nachbesserungen dauern würden, vermag erst recht niemand zu sagen.
Gleichzeitig müssen sich die Flughafen-Betreiber schon jetzt Gedanken über die Erweiterung des noch lange nicht eröffneten BER machen. Denn längst ist klar, dass der Flughafen, ausgelegt für 22 Millionen Passagiere im Jahr, viel zu klein ist für die in Zukunft erwarteten Fluggastzahlen. Die beiden bestehenden Hauptstadtflughäfen Schönefeld und Tegel verbuchten 2016 fast 33 Millionen Flugreisende. So müssen auch Schönefeld und Tegel für viele Millionen Euro ertüchtigt werden. Zeitgleich mit der Bundestagswahl sprachen sich die Berliner zudem per Volksentscheid dafür aus, den betagten westlichen Airport Tegel auch über die BER-Eröffnung hinaus offen zu halten. Durch die Air-Berlin-Pleite sind die Fluggastzahlen aktuell zwar gesunken.
2019 scheint als Termin der BER-Eröffnung kaum noch realistisch zu sein
Doch die Flughafen-Betreiber rechnen damit, dass andere Anbieter die Delle schnell ausgleichen werden und das Passagieraufkommen in Zukunft noch kräftig steigt. Für die nötige Erweiterung wollte Lütke Daldrup einen eigenen Manager einstellen. Doch nach Querelen unter den Flughafeneigentürmern sagte der Wunschkandidat, ein hochrangiger Ingenieur des bestens funktionierenden Münchner Flughafens, den Hauptstädtern ab.
Es gibt also weiter jede Menge Unwägbarkeiten für Flughafen-Chef Lütke Daldrup. Trotzdem will er nun einen belastbaren und auch realistischen Eröffnungstermin nennen. Es werde, so schränkt der Manager gleich ein, kein Wunschtermin sein. 2019, heißt es unter Kennern der Baustelle, dürfte kaum zu schaffen sein. Manche halten eher 2021 oder gar 2023 für realistisch. Nicht nur in Berlin fragen sich viele, ob es kurz vor Heiligabend in Sachen Flughafen nun endlich eine frohe Botschaft gibt. Oder wieder einmal nur eine schöne Bescherung.