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Finanzmarkt: Europäische Ratingagentur soll 2012 kommen

Finanzmarkt

Europäische Ratingagentur soll 2012 kommen

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    In Europa wächst der Widerstand gegen die drei großen US-amerikanischen Ratingagenturen. Nun mehren sich die Forderungen nach einem unabhängigen europäischen Unternehmen.
    In Europa wächst der Widerstand gegen die drei großen US-amerikanischen Ratingagenturen. Nun mehren sich die Forderungen nach einem unabhängigen europäischen Unternehmen. Foto: Foto: Fotolia

    Zwei Versuche sind schon gescheitert. Als europäische Alternative zu den großen amerikanischen Agenturen wollen die deutsche Kreditwirtschaft und der Bertelsmann-Konzern bereits kurz nach dem Mauerfall ein eigenes Ratingunternehmen aufbauen. Wenige Jahre später nehmen die Deutsche Börse und das hessische Wirtschaftsministerium einen neuen Anlauf – ebenfalls ohne Erfolg. Beide Projekte kommen über ein ehrgeiziges Anfangsstadium nicht hinaus.

    Roland Berger ist bereits auf der Suche nach Investoren

    Nachdem Branchenführer Standard & Poor’s (S&P) nun allerdings auch Ländern wie Deutschland oder Luxemburg und den Banken mit dem Entzug ihrer guten Bonitätsnoten droht, wird der Ruf nach einer europäischen Ratingagentur wieder lauter, zumal die Vorbereitungsarbeiten für den dritten und womöglich letzten Versuch inzwischen weit gediehen sind. Markus Krall, der für die Unternehmensberatung Roland Berger nach Investoren aus der Finanzwirtschaft sucht, ist jedenfalls optimistisch: „Bis Jahresende wird das Konsortium noch nicht ganz stehen, aber innerhalb des ersten Quartals 2012 schaffen wir es.“

    Kosten von 300 Millionen Euro

    300 Millionen Euro soll der Aufbau der Agentur kosten, die sich vor allem in einem Punkt von den amerikanischen Platzhirschen S&P, Moody’s und Fitch unterscheiden würde, die im Moment mehr als 90 Prozent des weltweiten Geschäftes mit der Beurteilung von Kreditrisiken beherrschen: Sie will sich nicht von den Unternehmen und den Ländern bezahlen lassen, deren Aktien und Anleihen sie bewertet, sondern von den Investoren – also Pensionsfonds, Versicherungskonzernen und anderen Großanlegern, die diese Papiere kaufen. Damit, so das Kalkül, würde die Agentur unabhängiger und glaubwürdiger.

    Ob sie sich gegen die großen drei behaupten kann, ist allerdings noch nicht gesagt. „Ein Scheitern des Projektes ist nicht auszuschließen“, warnt der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Banken, Michael Kemmer. So gut ein zusätzlicher Wettbewerber dem Markt tun würde, so unterschiedlich seien die Vorstellungen über Ziele und Struktur des Projektes noch.

    In einer Analyse des Bankenverbandes heißt es gar: „Die Chancen für eine europäische Ratingagentur, den drei großen Agenturen auf Augenhöhe zu begegnen, werden ausgesprochen gering sein.“

    Zwei, drei Jahre bis sie sich etabliert

    Initiator Krall selbst rechnet damit, dass die neue Agentur zwei bis drei Jahre benötigt, um sich am Markt zu etablieren. In der Branche wird allerdings auch das noch als höchst optimistisches Szenario bewertet. Damit die europäische Alternative bei Emittenten und Investoren eine ähnliche Reputation genießt wie die US-Konkurrenz, muss sie nicht nur einen großen Stab an Mitarbeitern aufbauen und eine überzeugende Methodik, sondern am Markt auch als kompetenter Akteur akzeptiert werden.

    Auch das neue Geschäftsmodell muss sich erst noch durchsetzen oder von der EU durch entsprechende Vorschriften erzwungen werden: Bisher haben Kapitalanleger ja keinen Grund, Ratings zu bezahlen – diese Kosten tragen im Moment ja die Emittenten.

    Minister Zeil fordert "Waffengleichheit"

    Mit jeder Abwertung, die sie vornehmen oder auch nur androhen, wächst in Europa allerdings die Sehnsucht nach einer neuen Agentur. Die US-Unternehmen seien in der Schuldenkrise kein Fieberthermometer mehr, sagt Gerd Billen, Vorsitzender des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen. „Sie treiben das Fieber mit nach oben.“ Viele Politiker argumentieren ähnlich, zum Beispiel Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP): „Wir müssen in Europa Waffengleichheit herstellen – und zwar schnell.“ Er jedenfalls könne sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die amerikanischen Agenturen und Fondsmanager gezielt gegen Europa arbeiteten, um die USA dadurch zu stärken.

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