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Finanzen: Millionen Euro fort: Greensill-Pleite wird zur Falle für Kommunen

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Millionen Euro fort: Greensill-Pleite wird zur Falle für Kommunen

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    Die deutsche Finanzaufsicht Bafin hat für die in Turbulenzen geratene Greensill Bank einen Insolvenzantrag gestellt.
    Die deutsche Finanzaufsicht Bafin hat für die in Turbulenzen geratene Greensill Bank einen Insolvenzantrag gestellt. Foto: Sina Schuldt, dpa (Symbolbild)

    Denkendorf ist eine überschaubare Gemeinde im Landkreis Eichstätt. Sie zählt knapp 5000 Einwohner, liegt im Naturpark Altmühltal, durch das Gemeindegebiet führt der Limes-Radweg. Zuletzt beschäftigte man sich dort intensiv mit dem Bau eines Einkaufszentrums mit Supermärkten und einer Drogerie. Die Finanzindustrie ist weit weg – und doch erreichen die Wellen eines der größten Finanzskandale der vergangenen Jahre diesen Monat Denkendorf.

    Die Gemeinde hatte eine Million Euro als Festgeld bei der Bremer Greensill-Bank angelegt, die zu dem internationalen Finanzimperium des australischen Bankers Lex Greensill gehört – zu einem Zins von 0,4 Prozent. Am 3. März verhängte die deutsche Finanzaufsicht Bafin ein Moratorium über die Bank, am 16. März 2021 eröffnete das Amtsgericht Bremen dann das Insolvenzverfahren. Seither muss man in Denkendorf um das Geld bangen. Die Gemeinde ist damit nicht alleine.

    Einlagensicherung greift seit 2017 nicht für Kommunen

    Zahlreiche deutsche Kommunen hatten Geld bei der Greensill-Bank angelegt. Ihre Einlagen stehen im Feuer. Einem Bericht der "Zeit" zufolge soll es sich um rund 50 Städte und Gemeinden handeln. Bundesweit in die Schlagzeilen geriet die Stadt Monheim in der Nähe von Düsseldorf, die 38 Millionen Euro bei Greensill geparkt hatte und damit die Liste anführt. Aber auch Eschborn in Hessen mit 35 Millionen Euro, Wiesbaden mit 20 Millionen Euro oder Osnabrück mit 14 Millionen Euro vertrauten Greensill viel Geld an. Das Bundesland Thüringen investierte 50 Millionen Euro.

    In Bayern sind offenbar vier Kommunen betroffen: Vaterstetten mit 5,5 Millionen Euro, Pöcking mit fünf Millionen Euro sowie Puchheim mit zwei Millionen Euro und eben Denkendorf. Das Problem der Kommunen: Während die Ersparnisse von Privatleuten neben der gesetzlichen Einlagensicherung in Höhe von 100.000 Euro auch durch die freiwilligen deutschen Einlagensicherungssysteme der Banken praktisch in Millionen-Euro-Höhe abgesichert sind, gibt es diesen Schutz seit 2017 für Kommunen nicht mehr.

    „Unter dem Strich muss man davon ausgehen, dass das Geld in großen Teilen weg ist“, sagt Wilfried Schober, Sprecher des bayerischen Gemeindetags, im Gespräch mit unserer Redaktion. „Während es bei den öffentlich-rechtlichen Banken bei der Institutssicherung bleibt, entfällt seit 1.10.2017 die Einlagensicherung bei den Privatbanken“, berichtete der Gemeindetag damals. Bei Sparkassen und genossenschaftlich organisierten Banken hätten die Kommunen also weiterhin abgesichert ihr Geld anlegen können, bei den Privatbanken war plötzlich Vorsicht geboten.

    Strafzinsen stellen Kämmerer vor Probleme

    Das Problem: Bei Banken- und Sparkassen bekommen die Kommunen heute angesichts der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank nicht mehr nur keine Zinsen mehr. Für höhere Beträge werden bei den bekannten Banken und den Sparkassen inzwischen meist Strafzinsen fällig, sogenannte Verwahrentgelte – häufig minus 0,5 Prozent. „Die Zinssituation treibt die Kämmerer derzeit in die Verzweiflung“, schildert es Schober.

    Die Greensill-Bank in Bremen hatte in diesem Gebäude ihren Sitz. Sie ist insolvent. Anleger bangen um ihre Einlagen.
    Die Greensill-Bank in Bremen hatte in diesem Gebäude ihren Sitz. Sie ist insolvent. Anleger bangen um ihre Einlagen. Foto: Sina Schuldt, dpa

    Einerseits ist man in den Kommunen froh, wenn sie Geld durch Steuern, Abgaben und Gebühren einnehmen. „Andererseits muss dieses angelegt werden, wenn man es nicht sofort in neue Schulen, Straßen oder Kindergärten investiert“, sagt er. Eine Schule baut sich aber nicht von heute auf morgen. „Jeder Kämmerer legt also Geld an“, sagt der Fachmann. Gleichzeitig sind diese durch die bayerische Gemeindeordnung angehalten, sparsam und wirtschaftlich zu haushalten. Strafzinsen wollen die Kämmerer deshalb, wenn es geht, vermeiden.

    Auf der Suche nach einer Bank, die zumindest keine „Verwahrentgelte“ verlangt oder sogar noch einen kleinen Zins bietet, sind die jetzt geschädigten Kommunen bei der Greensill-Bank gelandet. Zwar könnte man fragen, ob die Anleger früher stutzig hätten werden können, wenn sie sich näher mit der Bank beschäftigt hätten. Diese war in dem sehr engen Geschäftsbereich der Lieferketten-Finanzierung aktiv, versorgte in großen Teilen offenbar das Stahlimperium des gebürtigen Inders Sanjeev Gupta mit Geld – und über Firmenlenker Lex Greensill berichtet man heute, dass er gerne im Privatjet um die Welt düste. Andererseits war die Greensill-Bank in Deutschland zugelassen, wurde hier beaufsichtigt und hatte lange ein solides Rating.

    Bürgermeisterin Claudia Forster, Denkendorf: "Wir haben der Bankenaufsicht vertraut"

    Die Kommunen fühlten sich sicher und sehen sich deshalb zum Teil als Opfer. „Ich bin entsetzt über diese Nachricht“, teilte im oberbayerischen Denkendorf zum Beispiel Bürgermeisterin Claudia Forster, CSU, mit. „Wir haben ja keine spekulativen Finanzgeschäfte vorgenommen mit undurchsichtigen Produkten, sondern ganz konservativ Festgeld bei einer deutschen Bank angelegt“, sagt sie. „Wir haben auf die deutsche Bankenaufsicht vertraut. Offenbar sind nicht nur wir, sondern auch viele andere Sparer und Anleger wohl Opfer einer fehlerhaften Abschlussprüfung, möglicherweise aber auch krimineller Machenschaften geworden. Die Bafin hat auf jeden Fall zu lange gezögert.“

    Die Bafin dagegen verteidigt sich. Diese hatte die Bank bereits seit geraumer Zeit auf dem Schirm, durfte dies aber nicht der Öffentlichkeit berichten: „Aufgrund ihrer strikten gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht darf die Bafin weder Kommunen noch andere Anleger über eine Sonderprüfung oder aufsichtliche Maßnahmen informieren.“

    Die geschädigten Kommunen prüfen nun Schadenersatzansprüche. Als Gläubiger könnten sie im Insolvenzverfahren zudem einen Teil des Geldes zurückbekommen. Dies kann sich aber hinziehen. „Ich gehe davon aus, dass dieses Verfahren zwischen fünf und zehn Jahren andauern wird“, sagte Insolvenzverwalter Michael Frege unlängst der Wirtschaftswoche.

    Für Wilfried Schober vom Gemeindetag zeigt der Fall eines: „Bei vermeintlich guten Geschäften ist ein gesundes Misstrauen angebracht“, sagt er. „Wir machen niemandem einen Vorwurf, aber in Zukunft wird man bei Geldanlagen noch sorgfältiger vorgehen müssen.“

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