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Ex-Autoboss: Legendärer VW-Patriarch Piëch: Ein Jahrhundert-Manager ist tot

Ex-Autoboss

Legendärer VW-Patriarch Piëch: Ein Jahrhundert-Manager ist tot

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    Ferdinand Piëch ist tot. Der Ex-VW-Boss stirbt im Alter von 82 Jahren.
    Ferdinand Piëch ist tot. Der Ex-VW-Boss stirbt im Alter von 82 Jahren. Foto: Julian Stratenschulte, dpa

    In der Autobranche gab es lange eine Art Gleichung: "Volkswagen = Piëch". Jahrzehntelang war Ferdinand Piëch eine dominante Figur in der Autobranche - nun ist er im Alter von 82 Jahren gestorben. Mit harter Hand drückte er zu seiner aktiven Zeit die Kosten, trimmte VW auf effizientere Strukturen und höhere Gewinne und machte den Riesen zum heutigen Mehrmarken-Konzern. Sein autoritärer Führungsstil war gefürchtet. "Mein Harmoniebedürfnis ist begrenzt", schrieb er in seiner Autobiografie, die den bezeichnenden Titel "Auto. Biographie." trug.

    Ferdinand Piëch ist tot - der ehemalige VW-Boss galt als Top-Manager

    Sein Ziel war es immer, Volkswagen zur Nummer eins in der Welt machen - mit allem, was auf Straßen fährt, von Kleinwagen bis zum Laster. "Ich bin nicht gern Zweiter", sagte Piëch. Er war der mächtigste Mann bei VW. Ein Kleinanleger brachte es bei einer Hauptversammlung auf den Punkt: "Göttervater". Vor dem Urteil des genialen Konstrukteurs mit Detailliebe zitterten die Ingenieure in Wolfsburg, so gehen die Legenden. Der als autoritär geltende Chef fackelte nicht lange, der Respekt vor ihm war groß. 1999 wählte ihn eine internationale Fachjury zum "Automanager des Jahrhunderts" – möglicherweise der Höhepunkt in Piëchs Karriere, die ebenso wie der Konzern im Dieselskandal von ihrem Glanz verlor.

    Als Miteigentümer hatte Piëch in guten Zeiten bei Volkswagen in einer eigenen Welt gelebt. Das kann man nicht verstehen ohne seinen Lebensweg. Sein Großvater ist Ferdinand Porsche, Begründer der Dynastie, legendärer Autokonstrukteur, maßgeblich an der Entwicklung des VW-"Käfer" beteiligt.

    1937 wird Piëch in Wien geboren, als Kind des Anwalts Anton Piëch und dessen Frau Louise, Tochter von Ferdinand Porsche. Nach dem Besuch eines Schweizer Internats studiert er Maschinenbau, seine Diplomarbeit schreibt er über die Entwicklung eines Formel-1-Motors. 1963 beginnt seine Karriere bei Porsche, er wechselt später zur jetzigen VW-Tochter Audi. Dort wird er 1988 Vorstandschef. Der Aufstieg von Audi zum Oberklasse-Anbieter und Innovationstreiber im VW-Konzern ist ohne Piëchs Beteiligung kaum vorstellbar. Er schob den Fünf-Zylinder-Ottomotor und neue Leichtbauverfahren an.

    Ferdinand Piech ist gestorben.
    Ferdinand Piech ist gestorben. Foto: Marijan Murat, dpa

    Ferdinand Piëch wurde 1993 Vorstandschef bei VW

    Piëch ist jemand, der auch einen Motor zusammenschrauben kann. Der Maschinenbauer gilt als technikversessen. Privat beschäftigte sich der Hobbysegler mit fernöstlicher Kultur und japanischer Ethik. In der Öffentlichkeit erschien er meistens in Begleitung seiner blonden Ehefrau Ursula, die er in den VW-Aufsichtsrat holte. Eingehakt am Arm seiner Gattin; so flanierten sie über Messen und Termine. Das Paar hat drei gemeinsame Kinder. Sein milliardenschweres Erbe hat Piëch bereits zu Lebzeiten über ein Stiftungskonstrukt geregelt.

    Im Jahr 1993 ist es soweit: Piëch übernimmt als Vorstandschef VW. Doch der Konzern ist inmitten einer schweren Krise, als die zehnjährige Ära von VW-Chef Carl H. Hahn zu Ende geht. Hahn hatte den Konzern ausgebaut. Durch die Übernahme der spanischen Seat, Engagement in China und die Übernahme des tschechischen Autohersteller Skoda wurde die Internationalität der Autoschmiede vorangetrieben. Doch der Riesenkonzern schlitterte in die Krise, die Kosten explodierten. Massenentlassungen drohen.

    Piëch und sein eingestellter Personalvorstand Peter Hartz zusammen mit Betriebsrat und Gewerkschaft wenden das Schlimmste ab – unter anderem durch die Einführung der Vier-Tage-Woche, die erst Ende 2006 wieder gekippt wurde. Piëch bringt VW wieder auf Kurs - aber auch mit Hilfe des umstrittenen "Kostenkillers" Jose Ignacio Lopez. 2002 wechselt Piëch an die Spitze des Aufsichtsrats.

    Von dort aus regiert er VW lange mit dem Ziel vor Toyota größter Automobilhersteller der Welt zu werden. Mit einzelnen Sätzen machte Piëch Unternehmenspolitik und bestimmte die Schlagzeilen. Kurz vor Beginn der IAA 2009 zum Beispiel sagte er: "Zwölf ist eine gute Zahl." Damals zählte das VW-Imperium noch neun Marken - es dauerte nicht lange, da waren es zwölf. Lange Zeit regierte er erfolgreich von seinem Wohnort Salzburg aus, er war die oberste Instanz, ein VW-"König". Der "Alte" wurde er genannt. Volkswagen eilte von Rekord zu Rekord. Dass Audi beispielsweise den italienischen Motorradhersteller Ducati übernehmen konnte - war ein lang gehegter Traum des früheren Audi-Chefs Piëch.

    2015 zieht Ferdinand Piëch im Streit mit Winterkorn bei VW den Kürzeren

    Doch 2015 kommt es zum großen Knall und zum Bruch mit seinem Ziehsohn Martin Winterkorn, der ihn erst als Audi- dann als VW-Chef beerbt hatte. Auslöser ist eine - wie oft von Piëch gewohnt – rätselhafte Aussage Piëchs im Spiegel: "Ich bin auf Distanz zu Winterkorn."

    Über die Motive wird bis heute gerätselt. Eine Erklärung: Piëch wollte seine 19 Jahre jüngere Ehefrau Ursula als Nachfolgerin an der Spitze des Aufsichtsrats durchsetzen, Winterkorn aber wollte damals selbst diesen zentralen Posten. Es halten sich aber auch Gerüchte, Piëch sei höchst unzufrieden mit der Entwicklung von VW in den USA gewesen - auch vor dem Hintergrund der später bekanntgewordenen Diesel-Probleme.

    Es folgt ein beispielloser Machtkampf. Eine Allianz aus Land, Betriebsrat und überraschend auch Piëchs Cousin Wolfgang Porsche stützt Winterkorn. Piëch tritt als Aufsichtsratsvorsitzender zurück. Seinen mehr oder weniger erzwungenen Abgang hat Piëch nie verwunden, er sei nachtragend, so hörte man es aus seinem Umfeld.

    Entwicklerstolz: Der für den 917 verantwortliche Ingenieur, Porsche-Enkel und spätere VW-Chef Ferdinand Piëch (rechts) betrachtet auf dem Genfer Autosalon 1969 sein rennfertiges Werk.
    Entwicklerstolz: Der für den 917 verantwortliche Ingenieur, Porsche-Enkel und spätere VW-Chef Ferdinand Piëch (rechts) betrachtet auf dem Genfer Autosalon 1969 sein rennfertiges Werk. Foto:  Porsche AG (dpa)

    Doch es heißt auch, Piëch habe bereits im Frühjahr 2015 –und damit weit vor dem öffentlichen Bekanntwerden der Diesel-Manipulationen im Herbst – auf die Probleme hingewiesen und dies auch dem innersten VW-Machtzirkel mitgeteilt, dem Präsidium des Aufsichtsrats mit Leuten wie Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil und Betriebsratschef Bernd Osterloh. Diese weisen die Anschuldigungen scharf zurück. Weil warf Piëch vor, "Fake News" zu verbreiten. Der VW-Vorstand prüfte Schadenersatzansprüche gegen Piëch. Das Tischtuch war zerschnitten.

    Doch das alles geriet in den Schatten von "Dieselgate". Im September 2015 rutschte Volkswagen in die wohl tiefste und gefährlichste Krise seiner Geschichte. Damals gab VW zu, in großem Stil bei Abgastests von Diesel-Fahrzeugen getrickst zu haben - und ringt nach zahlreichen Klagen und milliardenschweren Vergleichen in den USA noch immer um Vertrauen. Immer wieder schien es zwischenzeitlich, als sei die Krise ausgestanden, aber immer wieder holte der Skandal den Autobauer ein.

    Für Piëch schien das Kapitel VW beendet, nach heftigen internen Machtkämpfen. Denn Piëch ist praktisch raus aus VW und der Dach-Holding Porsche SE. Er verkaufte den weitaus größten Teil seines milliardenschweren Aktienpakets, vor allem an seinen jüngeren Bruder Hans Michel Piëch (77). Er wurde der neue starke Mann im Familienclan. Das Verhältnis zwischen Ferdinand Piëch und den Spitzen bei VW und der Dach-Holding Porsche SE war zerrüttet. Zum 80. Geburtstag vor zwei Jahren schlug VW versöhnliche Töne an. "Ferdinand Piëch hat das Automobil, unsere Industrie und den Volkswagen-Konzern in den vergangenen fünf Jahrzehnten maßgeblich geprägt", betonte ein VW-Sprecher. VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh sagte: "Ferdinand Piëch war als Vorstandsvorsitzender der richtige Mann zur richtigen Zeit."

    Im Mai 2017 nahm er an der Hauptversammlung als Aufsichtsrat teil, einer seiner zuletzt seltenen öffentlichen Auftritte, nachdem er auch fast seinen kompletten Anteil von 14,7 Prozent der Stammaktien der Porsche SE an seine Verwandtschaft verkauft hatte. Er lächelte mal kurz sein berühmtes scharfes Grinsen, doch damals wirkte er auf Beobachter müde und gealtert.

    Piëchs Tod ist eine späte Zäsur. Denn die Autoindustrie befindet sich angesichts alternativer Antriebe und der Digitalisierung in einem grundlegenden Wandel. Andere Führungsmuster sind gefragt. VW-Chef Herbert Diess treibt einen Kulturwandel und den Umbau von Volkswagen voran, mit dem Ziel zum größten Elektroautobauer der Welt zu werden. Auch bei den Familien Porsche und Piëch als Haupteigentümer von VW kommt eine jüngere, digital geprägte Generation nach.

    Ferdinand Piëch starb am Sonntagabend im Alter von 82 Jahren in einer Klinik im bayerischen Rosenheim, nachdem er bei einem Restaurantbesuch mit seiner Ehefrau Ursula Piëch völlig überraschend zusammengebrochen war. Ursula Piëch kündigte an, dass es eine Beisetzung im engsten Familienkreis geben werde. Ursula Piëch schrieb in einer Mitteilung zum Tod ihres Mannes: "Das Leben von Ferdinand Piëch war geprägt von seiner Leidenschaft für das Automobil und für die Arbeitnehmer." Er sei bis zuletzt ein begeisterter Ingenieur und Autoliebhaber gewesen. (pom/AZ/dpa)

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