Wäre Peter-Josef Paffen als Sohn eines Fischers in Husum auf die Welt gekommen, er hätte wohl kaum diese Karriere hingelegt. Zumindest nicht bei Fendt. Zwar kann man sich beibringen, mit Zahlen zu jonglieren, Strategien zu planen, ein Unternehmen zu organisieren, all das, was Manager eben so tun. „Aber was Fendt ausmacht, das kann man nicht lernen, auf keiner Universität“, sagt Paffen, 64, seit 2009 Chef des Marktoberdorfer Traktorenherstellers AGCO/Fendt. Wer Fendt verstehen will, muss wissen, wie Landwirte ticken und welche Wünsche sie haben. Nicht von ungefähr haben etwa zwei Drittel der Fendt-Mitarbeiter einen landwirtschaftlichen Hintergrund.
Insofern traf es sich für Paffens beruflichen Lebensweg nicht allzu schlecht, dass er in eine Bauernfamilie hineingeboren wurde. Schon als Kind hilft er auf dem elterlichen Betrieb in Floverich bei Baesweiler mit. Später absolviert Paffen eine landwirtschaftliche Lehre auf dem Klostergut in Geilenkirchen. Nach der Fachhochschulreife folgt das landtechnische Ingenieurstudium an der Hochschule Köln.
Pfaffen kam zu Fendt, als AGCO das Unternehmen gerade gekauft hatte
Die ersten 19 Berufsjahre arbeitet er beim Landtechnik-Konzern International Harvester Company IHC in Neuß am Rhein. Dort sammelt er internationale Erfahrungen in England, Frankreich und Nordamerika. Im Jahr 1998 wechselt Paffen zu Fendt nach Marktoberdorf in den Bereich Forschung und Entwicklung und ist verantwortlich für die internationale Koordination des Produktmanagements. Als Paffen bei Fendt einsteigt, hat gerade der US-Landmaschinenkonzern AGCO das Familienunternehmen Fendt übernommen. Eine Ära ist zu Ende gegangen. Die großen Entscheidungen trifft jetzt die AGCO-Konzernspitze in Duluth (Georgia) und in Marktoberdorf machten sich die Menschen Sorgen: Wie wird das klappen mit den Amerikanern? Sind die Arbeitsplätze sicher?
Ohne das selbst exakt geplant zu haben, ist Paffen, Ingenieur und Landwirt, der richtige Mann zur rechten Zeit. Er kann sich in der Produktentwicklung einbringen, versteht die Bedürfnisse der Kunden – und er bringt internationale Erfahrung mit. „Um die Amerikaner zu verstehen, muss man selbst erlebt haben, wie die arbeiten“, sagt Paffen. Amerikanische Konzerndenke? In Marktoberdorf konnte man damit anfangs wenig anfangen. Paffen schon. Und er steigt auf. Schon im Februar 2000 wird Paffen in die Geschäftsführung berufen.
Wie gelingt es, als deutscher Traktorenbauer in einem weltweit agierenden Konzern zu überleben? Paffen kennt die Formel: „Du musst besser sein als alle anderen. Und du musst Geld verdienen.“ Mitte der 90er Jahre macht Fendt 60 Prozent seines Absatzes in Deutschland, der Rest verteilt sich auf Österreich, die Schweiz und zu einem geringen Teil auf Frankreich und die Beneluxstaaten. „Im Kern war Fendt ein deutsches Unternehmen“, sagt Paffen. Doch als die Amerikaner übernehmen, richtet sich Fendt auf internationale Wachstumsmärkte aus. Vorhandenes, aber nicht genutztes Potenzial hilft dabei. „Da lagen einige gute Ideen in der Schublade, die im Familienunternehmen nie konsequent umgesetzt wurden.“ Die Aufgabe: Diesen „enormen Allgäuer Erfindergeist“ wie Paffen ihn nennt in geordnete Bahnen zu lenken, in eine Produktpalette, die in Europa und auf dem Weltmarkt erfolgreich ist.
Heute ist Fendt „das beste Pferd im AGCO-Stall“
Der Umbruch gelingt, trotz anfänglicher Bedenken unter den Mitarbeitern und enormer Diskussionen. Etwa über die Entscheidung, ausschließlich auf das Vario-Stufenlosgetriebe zu setzen, das Fendt als Weltneuheit 1995 entwickelte. Oder den Entschluss, den bis dato so erfolgreichen Fendt-Geräteträger nicht weiter zu produzieren. Im Rückblick auf diese Phase sagt Paffen: „Wir haben Dinge konsequent umgesetzt. Dazu gehört auch, manches wegzulassen, etwas nicht zu tun. Diesen Mut gab es im alten Familienunternehmen nicht.“ Weniger ist letztlich mehr: Fokussierung in der Produktpalette, Konzentration auf Zukunftstechnologien und Qualität. Gleichzeitig gelingt es Fendt, mehr Traktoren zu verkaufen. Der eigene Anspruch? Paffen zieht einen Vergleich. „Wir sind auf dem Traktorenmarkt das, was BMW oder Mercedes für die Automobilbranche sind.“
Im AGCO-Konzern (8,3 Milliarden Dollar Umsatz im Jahr 2017) gilt Fendt längst als „Technologie- und Innovationsführer“. In Anspielung auf das legendäre Fendt-Dieselross nennt AGCO-Chef Martin Richenhagen Fendt gerne das „beste Pferd im Stall von AGCO“. Fendt werde es nicht mehr ohne den Konzern geben, aber den Konzern auch nicht ohne Fendt. Eine symbiotische Beziehung, in der jeder vom anderen profitiert. Wie stark AGCO Vetrauen in den Allgäuer Traktorenbauer setzt, zeigt sich auch daran, dass in Marktoberdorf das 200 Mitarbeiter starke Kompetenzzentrum des Konzerns für die Digitalisierung beheimatet ist. Ob es das Familienunternehmen Fendt ohne den Verkauf an die Amerikaner noch gäbe, lässt sich schwer sagen. Der weltweite Erfolg, wäre aber in den alten Strukturen nicht möglich gewesen, da ist sich Fendt-Chef Paffen sicher. „Jedes einzelne Jahr im Konzern war für Fendt besser, als jedes Jahr im Familienunternehmen.“
Pfaffens Geheimnis: Jeder kann immer zu ihm kommen
Seit März 2009 steht Pfaffen an der Spitze des Unternehmens – nach dem überraschen Tod Hermann Merschroths. Unter seiner Führung wurde im September 2012 das neue, „modernste Traktorenwerk der Welt“ eröffnet, in das AGCO am Standort Marktoberdorf insgesamt 230 Millionen Euro investierte. Auch strategisch stellte sich der Hersteller neu auf: Mittlerweile präsentiert sich Fendt als Anbieter eines Vollsortiments (Full-Liner) mit Maschinen für sämtliche landwirtschaftlichen Prozesse. Und das von Paffen vor zwei Jahren ausgerufene „Projekt 2020“ (20.000 Traktoren im Jahr 2020) läuft seinen Angaben zufolge „besser als geplant“. Heuer sollen knapp 17.000 Traktoren in Marktoberdorf vom Band laufen.
Zukunftsstrategien für das Unternehmen gibt es zuhauf. Fragt man Paffen nach seinen eigenen Plänen, antwortet er nüchtern. Wer, wann sein Nachfolger werde, für all diese Dinge gebe es einen „geordneten Weg“ im Konzern. „Mein Renteneintrittsalter erreiche ich im Jahr 2020“, sagt Paffen. Bis dahin will er das Unternehmen Fendt nach seinen Prinzipien lenken. Als eine Art Coach, der seine Erfahrung einbringt und seinen Mitarbeitern Freiräume einräumt – und der dennoch stets die Interessen der Aktionäre im Blick hat. Und dann sagt Paffen: „Ich sehe mich eher als Teil des Teams, nicht als Unternehmensboss. In mein Büro kann jeder rein kommen.“ Vielleicht drückt so ein Satz aus, was man sich über das einstige Familienunternehmen erzählt, was es auch heute noch ausmacht: Bei Fendt, da menschelt es.