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Fake-Shops: Wie eine Dirndl-Designerin gegen Betrüger im Internet kämpft

Fake-Shops

Wie eine Dirndl-Designerin gegen Betrüger im Internet kämpft

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    Trachten-Designerin Sandra Abt in ihrem Geschäft in Kempten. Ihr Label Alpenherz wurde zum Opfer von Cyber-Attacken.
    Trachten-Designerin Sandra Abt in ihrem Geschäft in Kempten. Ihr Label Alpenherz wurde zum Opfer von Cyber-Attacken. Foto: Ralf Lienert

    Zur Wiesnzeit im vergangenen Jahr hat alles angefangen. Die ersten Hinweise kamen von Stammkundinnen: „Eure Dirndl gibt’s woanders zu Kampfpreisen?“, fragten sie die Alpenherz-Gründerin Sandra Abt über soziale Medien. Im Internet waren die Kundinnen auf vermeintliche Trachten der Kemptener Designerin gestoßen. Ihr Label Alpenherz beschäftigt zehn Mitarbeiter in Design, Verkauf, Onlineshop und Maßschneiderei. Ein Original-Dirndl von Sandra Abt kostet im Schnitt 600 bis 700 Euro. Abt wurde stutzig und recherchierte selbst. Schnell merkte sie: Ihr Label ist zum Opfer von Betrügern geworden. Doch ihnen das Handwerk zu legen, ist noch immer nicht gelungen.

    Begonnen hat alles, wie Abt mittlerweile recherchiert hat, mit der Übernahme von Produktfotos aus dem Onlineauftritt von Alpenherz. Auf der Webseite Liebekleidung.de tauchten die Bilder auf, um angebliche Sonderangebote zu bewerben. Doch dabei blieb es nicht. Im Frühjahr tauchten auch Anzeigen auf Facebook auf: „Alles reduziert“ hieß es darin. Auf Instagram wurde das Konto von Abts Geschäft gehackt und mit gefälschten Followern überschwemmt. Sogar ein angeblicher Ausverkauf wegen Corona wurde von Unbekannten publiziert – mit einem retuschierten Foto der Geschäftsfassade in der Kemptener Innenstadt. Je mehr Abt suchte, desto mehr fand sie. Bald war ihr klar: Sie war nicht die einzige Händlerin, die Opfer der Masche wurde.

    Sandra Abt wurde Opfer von Betrügern mit Fake-Shops im Internet.
    Sandra Abt wurde Opfer von Betrügern mit Fake-Shops im Internet. Foto: Ralf Lienert

    Das Problem mit gefälschten Händlerseiten im Internet ist auch Verbraucherschützern längst bekannt. Carola Elbrecht, Referentin im Team Marktbeobachtung Digitales beim Verbraucherzentrale Bundesverband in Berlin geht sogar davon aus, dass es durch den Siegeszug des Onlinehandels seit Beginn der Corona-Krise, noch deutlich größer geworden ist: „Das Einkaufsverhalten hat sich stark geändert. Das ruft vermutlich auch mehr dubiose Geschäftemacher auf den Plan.“ Typischerweise orientierten sich Betrüger an saisonalen Trends: Im Spätsommer, vor dem Oktoberfest ist Trachtenmode gefragt, jetzt vor Weihnachten eher Schmuck oder Elektronik. Nicht bei allen Beschwerden, die bei den regionalen Verbraucherzentralen täglich zum Thema eingehen, ist die Lage aber so klar wie im Fall von Sandra Abt und Alpenherz.

    Bis die Konten eingefroren sind, ist das Geld in der Regel weg

    Es komme regelmäßig vor, dass vollkommen seriöse Geschäftsinhaber mit Lieferschwierigkeiten zu kämpfen hätten. Da empfehle sie einfach eine offenere und direktere Kommunikation mit den Kunden, um Missverständnissen vorzubeugen. Wirkliche Fake-Shops hätten aber gar nicht vor, die bestellte Ware zu liefern. Oder sie lieferten Ware, die nicht annähernd dem entspricht, was im Internet angeboten wurde. Für das Opfer so eines Betrugs ändert das am Ergebnis wenig.

    Wenn versucht wird, die Ware zurückzuschicken, fallen häufig hohe Versandkosten an – als Rücksendeadresse wird nämlich gerne eine Anschrift in China genannt. Hinzu kommen eventuell komplizierte Zollformalitäten, wenn das Paket an eine Adresse außerhalb der EU gehen soll. Die Hürden sind hoch – und viele Verbraucher seien im Zweifelsfall nicht bereit, die Mühen bei unklaren Erfolgsaussichten auf sich zu nehmen. Entsprechend ist es kaum möglich, eine verlässliche Schätzung über die Anzahl der Fälle zu machen. „Viele haken die Kosten als Lehrgeld ab und kommen nicht zu unserer Rechtsberatung, geschweige denn, dass sie sich einen Anwalt suchen“, so Elbrecht.

    Auch die Polizei sagt, die Methoden der Betrüger seien seit Jahren bekannt. Vereinzelt würden gar existente Webshops übernommen, dort neue Produkte platziert und die Zahlungsmodalitäten zugunsten der Täter verändert. Weil sich durch neue gesetzliche Regelungen der Verbraucherschutz für Zahlungen mit Kreditkarte verbessert habe, setzten die Täter wieder vermehrt auf Banküberweisungen. Hinter den Konten verbergen sich aber oft Finanzagenten oder es sind mit Fake-Personalien eröffnete Konten mit deutschen oder zumindest meist europäischen Kontoverbindungen. Bis diese deaktiviert werden können, ist das Geld der Geschädigten in der Regel bereits weitertransferiert. Belastbare Zahlen zur Anzahl der Fälle gibt es keine, da Fake-Shops nicht gesondert erfasst werden. Für den Regierungsbezirk Schwaben berichtet die Polizei für das Jahr 2019 von insgesamt 580 Fällen von Internetbetrug. In mindestens 18 davon waren Fake-Shops im Spiel. Ein massiver Anstieg der Fälle aufgrund der Corona-Lockdowns und der Verlagerung vieler Einkäufe in das Internet sei derzeit nicht absehbar. Abschließend könne dies aber erst nach Auswertung aller Zahlen im Jahr 2021 beurteilt werden.

    Juristische Mühen verlaufen regelmäßig im Sande

    Sandra Abt hat Alpenherz 2011 mit Co-Geschäftsführerin Verena Krist gegründet. Zuvor hatten die beiden für sich selbst Dirndl entworfen, dann für Freundinnen. Schnell entwickelte sich der anfängliche Nebenerwerb zur angesagten Marke. Schauspielerinnen, Models, Fernsehköche, Skispringer tragen Trachten der Marke. Vergangenes Jahr zog das Atelier in eine der bekannten Kemptener Modeadressen. Inzwischen gehören auch klassische Mode, Schmuck und Accessoires zum Sortiment auf zwei Ebenen. Wie viel Umsatz Sandra Abt durch die Machenschaften entgangen ist, kann die Unternehmerin nicht beziffern. Das sei auch gar nicht entscheidend, sagt sie. Allein die Tatsache, dass ihr Markenname mit billigsten Produkten in Zusammenhang gebracht wird, schade und schrecke potenzielle Kunden ab. Abt will vor allem warnen, auch aufgrund eigener schlechter Erfahrung. Vor zwei Jahren habe sie selbst mal bei einem schicken Abendkleid einen unbedachten Kauf-Klick abgesetzt: „Was daraufhin ankam, war ein schlechter Witz.“ Mit anderen Geschädigten aus der Branche steht sie in Kontakt, alle seien zum selben Ergebnis gekommen: Juristische Mühen verliefen im Sande.

    Das bestätigt auch Verbraucherschützerin Elbrecht. Die Betrüger säßen in der Regel im außereuropäischen Ausland, Klagen könnten nicht zugestellt, Urteile nicht vollstreckt werden. So bleibt wenig mehr, als zu versuchen die Lockseiten aus dem Netz zu bekommen. Doch auch das ähnelt einer Sisyphusaufgabe, erklärt die Expertin: „Eine Domain zu registrieren ist ganz leicht. Wer halbwegs technisch versiert ist, kann auch die Seite im Netz leicht zusammenbauen, das funktioniert mehr oder weniger nach Baukastenprinzip.“ Wenn eine Seite vom Netz genommen werde, tauche kurz darauf eine neue auf. Doch im Hintergrund liefen die Fäden wohl zusammen, mutmaßt Elbrecht. „Das geht in Richtung organisierte Kriminalität“, sagt die Verbraucherschützerin. Nachzutragen bleibt: Liebekind.de ist trotz aller Beschwerden weiter online.

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