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Facebook: Nach Auftritt von Facebook-Whistleblowerin: US-Senat will handeln

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Nach Auftritt von Facebook-Whistleblowerin: US-Senat will handeln

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    Frances Haugen legte eine Menge Belege vor.
    Frances Haugen legte eine Menge Belege vor. Foto: Drew Angerer, dpa

    Als die Expertin nach gut drei Stunden den Sitzungssaal des US-Kongresses verließ, hatte sie etwas erreicht, das in der amerikanischen Politik extrem ungewöhnlich geworden ist: Republikaner und Demokraten waren sich einig – jedenfalls in ihrer Empörung über den Internet-Giganten Facebook. „Die Tech-Götter wurden entmystifiziert“, sagte Roger Wicker, der republikanische Senator von Mississippi und warf dem Konzern vor, mit „zynischem Wissen“ die „Kinder Amerikas süchtig zu machen“. Die Zeit zum Handeln sei da, befand auch Amy Klobuchar, demokratische Senatorin von Minnesota: „Und Sie sind der Katalysator für diese Bewegung“, attestierte sie der Whistleblowerin.

    Ungewöhnlich ruhig war es gewesen, als die ehemalige Facebook-Managerin Frances Haugen bei der Anhörung im Senat ihre Vorwürfe gegen den Konzern mit dem „Daumen nach oben“ vortrug: „Ich bin hier, weil ich glaube, dass Facebooks Produkte Kinder schaden, die Spaltung der Gesellschaft vertiefen und die Demokratie schwächen“, sagte die 37-Jährige – so wie sie es zuvor schon in der TV-Sendung „60 Minutes“ getan hatte. Von den Politikern gab es weder Widerspruch noch fernsehgerechte Selbstdarstellungsauftritte, wie sie bei solchen Gelegenheiten sonst üblich sind. Stattdessen nutzten die Senatoren die Zeit zu konkreten Nachfragen – und senkten verbal den Daumen.

    Instagram soll schlechten Einfluss auf die Jugend haben

    Haugen hatte einen gewaltigen Berg von Unterlagen mitgenommen, als sie im April bei Facebook kündigte. Die Dokumente, die belegen sollen, wie der Konzern problematische Inhalte befördert und dabei bewusst eine immer stärkere Polarisierung seiner Nutzer und Gefahren für die psychische Gesundheit vor allem von Teenagerinnen in Kauf nimmt, hat die Whistleblowerin bei der amerikanischen Börsenaufsicht SEC deponiert. Vom Kongress forderte sie Unterstützung: „Ohne Ihr Zutun wird der Konzern die Probleme nicht lösen.“

    Eine bessere Protagonistin als Haugen hätten sich die Facebook-Kritiker in den USA kaum wünschen können. Anders als Konzernchef Mark Zuckerberg, der bei seinen Auftritten im Kongress arrogant und roboterhaft herüberkam, sprach die Whistleblowerin klar, verständlich und mit Emotionen. Sie bestätigte nicht nur die Verbreitung von Corona-Lügen über die Plattform, sondern auch eine Flut gefährlicher Botschaften vor dem Putschversuch am 6. Januar in Washington und falscher Informationen, die ethnische Konflikte in Äthiopien und Myanmar befeuerten. Eindringlich warnte sie vor der Wirkung der Facebook-Tochter Instagram, die das kollektive Mobben von Jugendlichen ermögliche und Mädchen in Essstörungen und Magersucht treibe.

    Nun will die US-Politik gegen Facebook aktiv werden - wie, ist aber noch unklar

    „Mark Zuckerberg hat ein System geschaffen, das von Daten getrieben ist“, prangerte Haugen die Wirkung der Algorithmen an: „Die Daten fällen die Entscheidung. Und diese Wirkungsweise beruht auf einer klaren Entscheidung.“ Die Politik will nun überparteilich handeln. Facebook sei offensichtlich „nicht bereit, wirksame Veränderungen vorzunehmen, um die Sicherheit für Kinder auf seiner Plattform zu verbessern“, monierte die republikanische Senatorin Marsha Blackburn. Also müsse der Kongress handeln. Ihr demokratischer Kollege Ed Markey verkündete kämpferisch: „Hier ist meine Botschaft für Mark Zuckerberg: Ihre Zeit des Eindringens in die Privatsphäre, der Verbreitung toxischer Inhalte und der Beutezüge gegen Kinder ist vorbei.“

    Unklar und umstritten ist, was genau passieren soll. Linke Demokraten wie Elizabeth Warren fordern eine Zerschlagung des Facebook-Konzerns. Mit ähnlichem Ziel hat die Kartellaufsicht FTC schon unter Präsident Donald Trump eine Klage eingereicht, die in erster Instanz abgewiesen wurde. Andere Senatoren beider Parteien plädieren für Änderungen der Gesetzgebung, die Facebook bisher von der Haftung für auf seiner Plattform verbreitete Inhalte befreit – freilich mit unterschiedlicher Zielrichtung. Auch eine Anhebung des Mindestnutzungsalters auf 16 oder 18 Jahre oder ein Werbeverbot bei jüngeren Nutzern wird diskutiert.

    Haugen fordert neben einer stärkeren externen Regulierung des Konzerns vor allem ein Transparenzgebot, das Facebook zur Offenlegung seiner Algorithmen zwingen würde, die bestimmte Inhalte in die Nachrichten-Feeds der Nutzer spülen. Ende des Monats will die Whistleblowerin nach Europa reisen, um hier für Unterstützung in ihrem Kampf gegen die Online-Krake zu werben.

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