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Finanzmarkt: Experten warnen vor einer neuen Bankenkrise

Finanzmarkt

Experten warnen vor einer neuen Bankenkrise

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    Die Corona-Krise kann den deutschen Bankensektor noch massiv in Mitleidenschaft ziehen, warnt das IWH in seiner Anfang Juli veröffentlichten Studie.
    Die Corona-Krise kann den deutschen Bankensektor noch massiv in Mitleidenschaft ziehen, warnt das IWH in seiner Anfang Juli veröffentlichten Studie. Foto: Andreas Arnold, dpa (Symbolfoto)

    Erst die Gastwirtschaften, dann Luftfahrt und Industrie. Die Corona-Krise hat viele Wirtschaftszweige in die Bredouille gebracht. Bisher unauffällig schienen die Banken. Während in der Finanzkrise 2008/09 die Kreditinstitute im Sturm standen, schien die Krise bisher ohne massive Folgen an ihnen vorbeizuziehen. Doch dies könnte sich ändern: Forscher des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) warnen vor einer „neuen Bankenkrise“. Besonders betroffen könnten Sparkassen und Genossenschaftsbanken sein.

    Die Corona-Krise kann den deutschen Bankensektor noch massiv in Mitleidenschaft ziehen, warnt das IWH in seiner Anfang Juli veröffentlichten Studie. Der Grund: Zu befürchten ist, dass zahlreiche Unternehmen und Privatkunden durch die Krise ihre Kredite nicht mehr bedienen und zurückzahlen könnten. Das wäre für die Banken ein riesiges Problem: „Die Kreditausfälle könnten Deutschlands Banken so schwer belasten, dass diese selbst in Existenznot geraten“, schreiben die Forscher.

    Wie groß das Problem wird, hängt von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung ab. „Aber selbst wenn es für die deutsche Wirtschaft sehr gut läuft, halten wir eine neue Bankenkrise für wahrscheinlich“, sagte IWH-Präsident Reint Gropp. Sein Institut hat mehrere Szenarien entwickelt. „Im optimistischen Szenario, in dem sich die deutsche Wirtschaft rasch erholt, wären immerhin sechs Prozent und damit dutzende hiesige Geldhäuser gefährdet“, heißt es. „Hingegen würden im pessimistischen Szenario einer langen Wirtschaftsflaute bis zu 28 Prozent und damit hunderte Banken in ernste Schwierigkeiten geraten.“

    Sorgen macht sich IWH um die Regionalbanken: „Vor allem Sparkassen und Genossenschaftsbanken sollten mit Kreditausfällen rechnen“, schreiben die Forscher. Der Grund: Diese würden ihr Geld meist an Firmen verleihen, die durch die Corona-Krise besonders gefährdet seien. „Zum einen weil sie klein und damit generell krisenanfälliger sind als Großunternehmen. Zum anderen weil diese Firmen insbesondere solchen Branchen angehören, die vom Corona-Lockdown schwer getroffen wurden, darunter Einzelhandel und Gastgewerbe.“

    Kunden haben Probleme, ihre Kredite zu bedienen

    Dass viele Kreditnehmer derzeit Probleme haben, ihre Kredite zu bedienen, hat kürzlich eine Umfrage der „Bild am Sonntag“ gezeigt. Demnach hatten die Sparkassen bundesweit für 366.623 Kreditverträge Zins und Tilgung gestundet, darunter 189.252 Privatkunden und 177.371 Gewerbekunden. Die Deutsche Bank berichtete von 70000 Stundungen, die Targobank von 47.000, die Commerzbank von 33.000. Die Bundesbank ist sich des Problems bewusst und beobachtet es mit Sorge. In einem Interview hat Bundesbank-Vorständin Claudia Buch darauf hingewiesen, dass die umfangreichen Krisenprogramme des Staates bisher dafür gesorgt hätten, dass die Probleme der Firmen bisher kaum bei den Banken ankamen. „Damit müssen wir in der zweiten Jahreshälfte aber zunehmend rechnen“, warnte Buch. „Kreditausfälle werden dann die Bankbilanzen und das Eigenkapital zunehmend belasten.“ Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform befürchtet eine Insolvenzwelle im Herbst. Der Grund: Die Bundesregierung hat derzeit die Pflicht ausgesetzt, eine Insolvenz binnen drei Wochen anzumelden. Ende September läuft diese Sonderregelung aus. „Eine Insolvenzwelle wäre nur dann abzuwenden, wenn es den betroffenen Unternehmen gelänge, bis zu diesem Zeitpunkt die Krisenfolgen zu überwinden und sich wieder zu stabilisieren“, so Creditreform.

    Sparkassen und Genossenschaftsbanken sehen sich dagegen gut für die Herausforderungen der Krise aufgestellt. Sowohl die Volks- und Raiffeisenbanken in Bayern als auch die zehn schwäbischen Sparkassen steigerten noch 2019 die Menge an vergebenen Krediten und machten mehr Gewinn. Bayerns Genossenschaftspräsident Jürgen Gros hält selbst in der Corona-Krise ein gutes Geschäftsjahr für möglich: „Die bayerischen Volksbanken Raiffeisenbanken bleiben solide auf Kurs“, sagt er. „Sowohl Kredite als auch Einlagen sind im ersten Halbjahr weiter gewachsen, das Kerngeschäft im Kreditbereich, die Immobilienfinanzierung, zeigt sich weitgehend unbeirrt von der Krise.“

    Genossenschaftspräsident Gros: „In der Kreditvergabe sehr vorsichtig“

    Die Befürchtung, dass Kreditausfälle die Genossenschaftsbanken in ihrer Existenz gefährden, teilt Gros nicht: „Wir können die Ergebnisse der Studie nicht bestätigen“, sagt er. „Die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken kennen ihre Kunden in der Region sehr genau und gehen bei der Kreditvergabe sehr vorsichtig vor.“ Bereits vor der Corona-Krise notleidende Unternehmen – sogenannte Zombie-Firmen – wollen die Genossenschaftsbanken im Normalfall nicht finanziert haben. „In ihren Kreditbüchern ist ein außergewöhnlicher Wertberichtigungsbedarf zum jetzigen Zeitpunkt nicht erkennbar“, sagt Gros und warnt davor, „mit Glaskugelanalysen Verunsicherungen zu schüren“.

    Bei den Sparkassen ist man überzeugt, ausfallende Kredite verkraften zu können: „Natürlich wird es durch den coronabedingten Konjunktureinbruch zu Kreditausfällen kommen“, sagt Bayerns Sparkassenpräsident Ulrich Netzer. „Die Sparkassen haben das Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre – trotz erschwerter Bedingungen in der Niedrigzinsphase – aber genutzt, um Rücklagen aufzubauen und Kapitalpolster aufzustocken.“ Ein neuer Banken-Stresstest der Bafin und der Bundesbank zu den Folgen der Corona-Epidemie für Banken habe „solide kapitalisierte und stressresistente Sparkassen“ ausgewiesen.

    Sparkassenpräsident Netzer: Regulatorische Ereichterungen sollten Bestand haben

    Trotzdem wären die Sparkassen über politische Unterstützung froh: „Es würde uns sehr helfen, wenn regulatorische Erleichterungen, die im Zuge der Krise eingerichtet wurden, weiterhin Bestand hätten“, sagt Netzer. Deutschlands Institute dürfen aktuell zum Beispiel teilweise unter der Eigenkapitalausstattung arbeiten, die im Normalfall nötig ist. „Zusätzliche Kapitalanforderungen“, mahnt Netzer, „wirken sonst, als würde man einem Rettungsschwimmer eine Bleiweste umlegen.“

    Sorgen macht sich Netzer um die Existenz der Sparkassen nicht: „Die bayerischen Sparkassen sind seit über 200 Jahren immer wieder Rettungsschwimmer für die Realwirtschaft und Gesellschaft – sie können Krise!“, meint er.

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