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Exklusiv-Interview: Hans-Werner Sinn: "Die Griechen haben zehn Jahre Party gefeiert"

Exklusiv-Interview

Hans-Werner Sinn: "Die Griechen haben zehn Jahre Party gefeiert"

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    Hans-Werner Sinn ist Deutschland bekanntester Ökonom. Im Exklusiv-Interview mit Augsburger Allgemeine Online spricht er über feiernde Griechen, gefährdete Franzosen - und wie der Euro gerettet werden kann.
    Hans-Werner Sinn ist Deutschland bekanntester Ökonom. Im Exklusiv-Interview mit Augsburger Allgemeine Online spricht er über feiernde Griechen, gefährdete Franzosen - und wie der Euro gerettet werden kann. Foto: Fred Schöllhorn/Archiv

    Ein Novembertag, Regen, eine kolossale Villa in bester München-Bogenhausener Wohnlage. Hier sitzt das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung. Das Präsidentenzimmer mit Blick auf kahle Bäume gleicht einer Gelehrtenstube. In den Regalen ist der meiste Platz für sorgsam eingeschichtete Schriften reserviert. In einem Fach liegt das neueste Buch von Hans-Werner Sinn „Die Target-Falle. Gefahren für unser Geld und unsere Kinder“.

    An der Wand Reproduktionen von Franz Marc. Bunte Pferde von hinten. Der Hausherr kommt im Dreireiher, wirkt aufgeräumt, setzt sich in einen der Biedermeierstühle. Deutschlands bekanntester Ökonom lehnt sich zurück, verschränkt die Hände vor dem nicht vorhandenen Bauch ineinander und lächelt. Seine Stimme wirkt sanfter als im Fernsehen. Er spricht druckreif.

    Was spornt Hans-Werner Sinn an?

    Sinn: Mein Beruf motiviert mich. Ich bin Volkswirt. Ein Volkswirt ist für das Volk da, so wie ein Betriebswirt für den Betrieb. Dafür bezahlt mich der Steuerzahler. In meinem Buch befasse ich mich mit den Folgen der Schuldenkrise für Deutschland und für die heimischen Steuerzahler.

    Vor acht Jahren warfen Sie in einem Buch die Frage auf:„Ist Deutschland noch zu retten?“ Deutschland wurde erfolgreich saniert. Deshalb heute die Frage: Ist der Euro noch zu retten?

    Sinn: Deutschland hat sich durch Reformen des Arbeitsmarktes und der Sozialsysteme, die wahrlich kein Zuckerschlecken waren, gerettet. Genau diese Reformen stehen jetzt bei anderen europäischen Ländern wie Italien, Spanien und Frankreich an.

    Sinn: Frankreich ist sehr gefährdet

    Wie ernst steht es um Frankreich?

    Sinn: Frankreich ist sehr gefährdet. Das Land ist unter dem Euro viel zu teuer geworden. Löhne und Preise sind viel zu schnell gestiegen. Dadurch hat Frankreich einen Großteil seiner Wettbewerbsfähigkeit verloren. Die französische Industrie kann sich gegenüber der deutschen Konkurrenz nicht mehr behaupten. Die französische Autoindustrie ist zu Werkschließungen gezwungen. Die Massenarbeitslosigkeit hat mit über zehn Prozent Formen wie in Deutschland vor zehn Jahren angenommen.

    Ist die Lage wirklich so ernst?

    Sinn: Bislang hat Frankreich die Probleme durch eine Ausweitung des Staatssektors übertüncht. Die französische Schuldenlast ist über das deutsche Niveau hinaus gestiegen. Die Staatsquote ist die höchste der OECD-Länder. Das ist das sicherste Rezept, ein Land zu ruinieren. Präsident Hollande ist mit  Versprechen angetreten,  die Frankreich noch weiter in die falsche Richtung treiben. Die Realität fängt ihn jetzt aber ein.

    Wird Frankreich zu einem europäischen Patienten wie Griechenland?

    Sinn: Nein. Das Land wird keine Probleme bekommen wie Griechenland und Portugal. Aber schon kleinere Krisen in Frankreich können größere Erschütterungen im Euro-System auslösen.

    Kann man ausschließen, dass Frankreich unter den Rettungsschirm muss?

    Sinn (zögert kurz): Frankreich wird indirekt bereits durch die Rettungsschirme geschützt.

    Wirklich?

    Steinbrück greift Merkel an Sinn: Indirekt, indem die französischen Banken, die sich sehr stark in Südeuropa engagiert haben und das zum Teil mit Geld taten, das sie sich in Deutschland geliehen haben, jetzt durch die Rettungsschirme für

    Der Euro ist noch zu retten

    Noch einmal: Ist der Euro noch zu retten oder bricht er auseinander, wie es der frühere US-Notenbank-Chef Alan Greenspan befürchtet?

    Sinn: Der Euro ist noch zu retten. Das kann aber nicht mit der jetzigen Politik gelingen, denn sie bekämpft nur die Symptome der Krise, indem sie privaten Kredit durch öffentlichen Kredit ersetzt.  Die Schuldenlast der Südländer wird Jahr um Jahr größer statt kleiner. Für die Rettung des Euros bräuchte man viel weitergehende politische Maßnahmen als die bisher eingeleiteten.

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