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Existenzsorgen: Wie Deutschlands Brauereien unter der Corona-Krise leiden

Existenzsorgen

Wie Deutschlands Brauereien unter der Corona-Krise leiden

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    Flasche leer: Brauereien verbuchen bis zu 70 Prozent Umsatzminus.
    Flasche leer: Brauereien verbuchen bis zu 70 Prozent Umsatzminus. Foto: Charisius, dpa

    Georg Schneider führt die älteste deutsche Weißbierbrauerei in sechster Generation. Sein gleichnamiger direkter Vorfahre hatte vor fast 250 Jahren als erster Privatmann dem Hofbräuamt von König Ludwig II. das Recht abgetrotzt, das lange bei Aristokraten so beliebte obergärige Bier zu brauen. Doch eine derart heftige Krise für die Brauereien, wie die Corona-Pandemie, hat der 55-Jährige Präsident des Bayerischen Brauerbunds noch nicht erlebt. „Viele Brauereien trifft die Corona-Krise gleich dreifach“, sagt der Kelheimer Brauereichef.

    „Sie konnten dieses Jahr praktisch keine Volksfeste beliefern, in der Gastronomie brach der Getränkeabsatz ein und bei vielen verpachteten heimischen Gastwirtschaften kommt es zu Pachtausfällen, weil die Betreiber kaum noch Geschäft machen“, erklärt Schneider. „Das schwächt viele Betriebe enorm, die haben arge Probleme bis hin zur Existenzgefahr.“ Lediglich Brauereien, die ihr Geschäftsmodell stark auf den Handel fokussierten, kämen besser durch die Krise. „Aber traditionell haben wir in Bayern bei den meisten Betrieben eine Mischform“, betont der Brauerpräsident.

    Hunderte Brauereien lassen Steuern stunden

    Wie hart die Corona-Krise die deutschen Bierbrauer trifft, geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Bundesweit haben demnach bis Ende September 383 der über 1500 deutschen Brauereien eine Stundung der Biersteuer bei den Finanzämtern beantragt. Bundesweit stundet der Fiskus derzeit insgesamt über 79 Millionen Euro bei der bis Jahresende laufenden Sonderregelung.

    Der hessische FDP-Bundestagsabgeordnete Till Mansmann kritisiert, dass immer noch nicht klar sei, ob die Nothilfe auch angesichts des zweiten Lockdown verlängert wird. „Jetzt, weniger als zwei Monate vor Jahresende, wissen wir noch nicht, wie die Lage im Januar ist“, sagt er. „Mitten im Lockdown brauchen die von der Pandemiekrise besonders betroffenen Brauereien mehr Planungssicherheit.“

    Laut einer Umfrage des Deutschen Brauerbunds unter seinen Mitgliedern, verzeichneten einzelne Brauereien schon vor dem zweiten Lockdown Umsatzeinbrüche von bis zu 70 Prozent. „Für viele der überwiegend familiengeführten und mittelständischen Brauereien in Deutschland ist die Situation mittlerweile existenzbedrohend“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauerbunds, Holger Eichele. „Der erneute Lockdown ist für die wirtschaftliche Situation der Gaststätten, Hotels, Bars, Kneipen und Klubs dramatisch“, fügt er hinzu. „Über Nacht kam der Fassbierabsatz völlig zum Erliegen. Niemand weiß, wie es jetzt weitergeht.“

    Getränkelieferanten gehen bei zweitem Lockdown leer aus

    Vor allem Kneipen, Bars und Klubs, die ihr Geld hauptsächlich mit Getränken verdienen, verbuchen 45 Prozent weniger Umsatz als im Vorjahr. Natürlich begrüßen die Brauer, die oft als Eigentümer die Lokale verpachten, dass die Bundesregierung den Wirten und Restaurantbetreibern zumindest beim Lockdown im November 75 Prozent des Umsatzausfalls erstatten will. Doch bei Sonderhilfe gehen die Getränkelieferanten leer aus: „Auch Lieferanten wie etwa Brauereien oder Großhändler brauchen dringend Hilfe und eine Perspektive für die Zukunft“, sagt Brauer-Vertreter Eichele. „Viele dieser familiengeführten Betriebe stehen in der Corona-Krise bereits am Abgrund.“

    Lange mussten die Brauereien sogar befürchten, dass ihnen dieses Jahr eine saftige Sonder-Steuerzahlung droht. Das Bundesfinanzministerium hatte in einem Schreiben an die Finanzämter in einem bizarren Streit um die Bewertung des Leerguts der Brauereien auf eine Auflösung großer Pfandrücklagen gedrungen, was eine gewaltige einmalige Steuernachzahlung bedeutet hätte. Als bittere Ironie hätte die konsequente Umsetzung eines Urteils des Bundesfinanzhofs besonders umweltfreundliche Unternehmen am härtesten getroffen.

    Regierung verzichtet auf teure Leergut-Besteuerung

    Es geht dabei um die steuerrechtliche Frage, wem Pfandflaschen eigentlich gehören. Sind Bierflaschen individuell geformt oder graviert, gelten sie als Brauereieigentum. Bei den normalen bauchigen Euro- oder schlanken NRW-Halbliterflaschen ist dies nicht mehr nachvollziehbar, von welcher Brauerei sie stammen. Sie werten die Finanzbehörden nach dem Verkauf als Eigentum des Verbrauchers – diese Sichtweise hätte jedoch negative steuerliche Folgen für die Bilanz der Brauereien.

    „Es klingt erst einmal nach einem eher lustigen Problem, dass Pfandflaschen je nach ihrer Form Eigentum der Brauereien sind oder eben nicht“, sagt FDP-Politiker Mansmann. „Das Ganze hat aber erstaunliche Folgen für die Besteuerung und die Aufstellung der Bilanzen. Das kann für die ohnehin in Corona-Zeiten stark gebeutelten Unternehmen existenzbedrohend werden.“

    Laut der Regierungsantwort auf die Anfrage des FDP-Finanzexperten will das Bundesfinanzministerium nun doch an der alten Regelung festhalten und dies bald den Finanzämtern mitteilen. „Erst wenn das Schreiben vorliegt, können wir entscheiden, ob es dann noch nötig wird, dass der Gesetzgeber das im Steuerrecht klar regelt und damit Rechtssicherheit für die Brauereien schafft“, betont Mansmann.

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