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Interview: Ex-Botschafter: „Chinas Strategie basiert auf Schwäche“

Interview

Ex-Botschafter: „Chinas Strategie basiert auf Schwäche“

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    Staatsoberhaupt der aufstrebenden Weltmacht China: Xi Jingping.
    Staatsoberhaupt der aufstrebenden Weltmacht China: Xi Jingping. Foto: Huang Jingwen, dpa (Archiv)

    Wie wird China die Weltordnung verändern?

    Raby: Die neue Weltordnung formiert sich nicht gerade, sondern existiert bereits! Wir haben mit China und den USA zwei Weltmächte, wobei ich argumentiere, dass Chinas Einflusssphäre de facto über ganz Eurasien bis nach Warschau reicht. Auch Russland hat sich im Zuge der Sanktionspolitik zunehmend nach Osten gewandt. In dieser neuen Weltordnung hat Australien Schwierigkeiten, seinen Platz zu finden. In den letzten Jahren hat sich das Land zunehmend mit den Vereinigten Staaten verbrüdert, was keinen Sinn macht, da wir wirtschaftlich von China abhängen und auch von der Volksrepublik nicht strategisch herausgefordert werden.

    Wohl kein Staat hat zuletzt wirtschaftliche Vergeltungsaktionen von China zu spüren bekommen wie Australien – nur, weil Australiens Premier eine Untersuchungskommission zum Ursprung des Virus forderte.

    Raby: Unsere bilaterale Beziehung ist derzeit stark von strategischem Misstrauen geprägt. Wenn es etwa um den Territorialstreit im Südchinesischen Meer geht oder auch beim Ausschluss von Huawei für das 5G-Netz, dann sind wir stets die Lautstärksten und Ersten. All das ist total antagonistisch – und auch unnötig. Uns fehlt das Gespür für Diplomatie, um solche Angelegenheiten zu lösen.

    Der Ex-Diplomat Geoffrey Raby diente zwischen 2007 und 2011 als Australiens Botschafter in Peking.
    Der Ex-Diplomat Geoffrey Raby diente zwischen 2007 und 2011 als Australiens Botschafter in Peking. Foto: Melbourne University Press

    Wie soll eine kluge China-Politik Australiens ausschauen?

    Raby: Bleiben wir beim Beispiel Huawei: Mir geht es nicht so sehr darum, ob man Huawei ausschließen muss oder nicht. Ich kritisiere vielmehr die Art und Weise, wie das gemacht wurde. Wir waren die Ersten, hatten die größte Klappe, haben gar öffentlich von einer „bösartigen Infiltrierung“ unseres Sicherheitsnetzes gesprochen. Wir sollten zwar klar im Umgang mit China sein und auch mit Ländern in der Region zusammenarbeiten, die ähnliche Sorgen über Chinas Verhalten haben. Gleichzeitig sollten wir jedoch die Bedrohung, die von China ausgeht, nicht übertreiben.

    Wie meinen Sie das?

    Raby: Man kann zwar auf Chinas Staatsführung die bösartigsten Dinge projizieren, doch sind ihre Fähigkeiten durchaus eingeschränkt – etwa durch die Verteidigung von 22.000 Kilometern Landesgrenze oder aber eine völlige Abhängigkeit vom Weltmarkt in Bezug auf Mineralien und im Bereich Energien. Chinas Strategie basiert schlussendlich auf Schwäche, nicht Stärke – und einer existenziellen Unsicherheit, die die Politiker in Peking konstant spüren. Als die KP 1949 nach einem Bürgerkrieg an die Macht gekommen ist, hat sie keinen fertigen Nationalstaat beerbt, sondern ein Flickenteppich aus verschiedenen Territorien.

    Ein wichtiges Element von Chinas Strategie ist bis heute die nationale Integrität – den Nationalstaat zusammenzuhalten in einer Welt, die von der Staatsführung als außerordentlich bedrohlich wahrgenommen wird. Vieles von Chinas Verhalten kann man auf diesem Weg verstehen – etwa die Angelegenheiten in Tibet, Xinjiang, Taiwan oder Hongkong. Chinas scharfe Machtdemonstrationen auf dem außenpolitischen Parkett sind hingegen vor allem dadurch motiviert, die Welt zu einem sicheren und angenehmeren Ort für die KP zu machen – indem sie sicherstellt, dass die chinesische Diaspora im Ausland nicht zu Brutstätten der Opposition gegen das chinesische Regime wird.

    Zur Person: Der Ex-Diplomat Geoffrey Raby diente zwischen 2007 und 2011 als Australiens Botschafter in Peking.

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