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Essen: Wie vegan ist die Grüne Woche?

Essen

Wie vegan ist die Grüne Woche?

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    Bundeslandwirtschaftsminster Christian Schmidt hatte im Rahmen des Eröffnungsrundgangs viel zu probieren.
    Bundeslandwirtschaftsminster Christian Schmidt hatte im Rahmen des Eröffnungsrundgangs viel zu probieren. Foto: Rainer Jensen, dpa

    Manchmal ist Politik wie ein Marathon. Ein Marathon voller dunkelrot gefleckter Damwild-Häppchen. Voller Pfefferkäse und voller Gänsefleisch-Gläschen. Es ist Freitagvormittag in Berlin, der Eröffnungstag der Grünen Woche, als Landwirtschaftsminister Christian Schmidt am Stand des Landes Finnland eintrifft. Dreieinhalb Stunden ist der CSU-Mann zu diesem Zeitpunkt schon unterwegs. War bei den Ungarn, war beim Deutschen Jagdverband, war beim Landesverband der Gartenfreunde Berlin. Hat jeweils mit den Verantwortlichen Worte gewechselt und ihre Erzeugnisse bestaunt. Lächeln, Hände schütteln, zubeißen – so läuft das meist. Dort, wo es geht, gibt Schmidt nach kurzem Nippen sein Weinglas auch mal an eine Mitarbeiterin weiter, die es ebenso unauffällig auf einer Theke abstellt.

    Nun, nach dreieinhalb Stunden, also Finnland. Während Schmidt mit dem finnischen Vertreter spricht, spielen holländische Blasmusiker im Hintergrund „Wahnsinn (Hölle, Hölle, Hölle)“ von Wolfgang Petry. Der finnische Koch stellt sich Schmidt vor und überreicht ihm ein Präsent: Kalakukko, ein bräunliches Fischbrot, das auch Speck enthält. Das finnische Traditionsgericht sieht anders aus als vieles, das Schmidt zuvor bekommen hat: wie ein großer Roggenbrotlaib, eingepackt in Folie.

    Doch obwohl das Gericht so anders aussieht als viele vor ihm – eines eint die Speisen: Kaum etwas, das der Landwirtschaftsminister an diesem Freitag probiert, probieren muss, ist vegetarisch. Von veganem Essen ganz zu schweigen. Ein Problem in einer Gesellschaft, in der sich immer mehr Menschen vegetarisch oder vegan ernähren, zu ernähren scheinen?

    Die Grüne Woche orientiert sich am Markt, sagt der Pressesprecher

    Wolfgang Rogall lächelt sanft, als er die Frage hört. Sie wird ihm nicht zum ersten Mal gestellt. Rogall ist ein freundlicher Herr, dem man anmerkt, dass er die Grüne Woche schon seit den 1980er Jahren betreut. Rogall ist Pressesprecher der Messe Berlin. Bei der Grünen Woche gehe es nicht um vegan oder nicht vegan, erklärt er. Nicht darum, ob jemand tierische Produkte zu sich nehme oder nicht. „Es geht um Qualität und Genuss.“ Darum zu wissen, wo ein Produkt herkomme. Wie es entstehe. „Jeder betont die Regionalität“, sagt Rogall. „Das ist ein wirklicher Trend.“

    Ob Veganismus ein Trend oder nicht doch eher ein Nischenphänomen ist, da ist sich Rogall hingegen nicht so sicher. Gerade einmal vier von 100 Erwachsenen in Deutschland seien Vegetarier, zitiert der Pressesprecher eine jüngst vorgestellte Studie des Robert-Koch-Instituts. „Vegan ist dann noch einmal weniger“, schiebt er hinterher. Wie viele vegane Anbieter es auf der Grünen Woche gibt, vermag Rogall auf Anhieb nicht genau zu sagen – auch nicht, inwiefern ihre Zahl in den vergangenen Jahren zugenommen habe. „Die Grüne Woche bildet den Markt ab“, betont er.

    Fleisch dominiert das Bild

    Tatsächlich stößt derjenige, der das Ausstellerverzeichnis im Internet nach dem Begriff „vegan“ durchsucht, auf 75 Anbieter, die aber wiederum nicht allein vegane Kost anbieten. Es sind 75 von mehr als 1500. Sie zu finden, ist ohne die Hilfe des Internets nicht leicht.

    Das ist auch bei dem Stand von Hildegund Burda nicht anders. Die Verkaufsleiterin aus Neumarkt in der Oberpfalz steht hinter ihrer Vitrine in der Bayern-Halle. Sie verkauft Knödel und Bratkartoffeln. Auf den ersten Blick ist nichts Ungewöhnliches zu erkennen. Doch auf einem Teil ihrer Produkte, den Grill- und Pfannenkartoffeln Rosmarin etwa, steht klein der Schriftzug „Vegan“.

    Gehört zu denen, die auf der Grünen Woche vegane Kost anbieten: Hildegund Burda.
    Gehört zu denen, die auf der Grünen Woche vegane Kost anbieten: Hildegund Burda. Foto: Niklas Molter

    Warum sie nicht offensiv damit wirbt? Das Logo des Unternehmens werde gerade überarbeitet, erklärt die freundliche Frau mit den blonden, hochgeföhnten Haaren. Im neuen Design werde klarer zu erkennen sein, dass es sich um vegane Speisen handelt. „Wir wollen hundertprozentig mehr vegane Produkte machen“, sagt sie entschlossen. Etwa jeder vierte Kunde an ihrem Stand habe sich am Vormittag für vegane Kartoffeln entschieden. „Ich denke, da gibt es eine Umstellung“, bekräftigt Burda.

    Eine Umstellung, die in der Bayern-Halle – wie in so vielen Hallen – so allerdings noch nicht zu erahnen ist. In Bayerns Halle prägen Milch, Wildsalami, Leberwurst das Bild. Bei den Ungarn, dem diesjährigen Partnerland der Grünen Woche, sind es Gyulaer Wurst, Wollschwein-Speck, geräucherte Koteletts. Und selbst dort, wo man Essenstrends vermuten würde, ist wenig davon zu sehen.

    Ich will zeigen, dass Genuss auch vegan möglich ist, sagt die Eisverkäuferin

    Einen Stock tiefer als die Bayern-Halle liegt der Streetfood-Markt. Streetfood, das ist jenes hippe Essen, dessen Märkte in vielen Städten junge Menschen – jene Klientel, die eher zu einer veganen Ernährungsweise zu tendieren scheint – in Scharen anzieht. Vegan ist das Streetfood-Angebot aus Chilibeißern, Zwiebel-Sauerfleisch und einer gemischten Wursttüte für 10 Euro aber nicht. Doch muss es das überhaupt sein? Muss die Grüne Woche mehr vegane Produkte anbieten?

    „Warum denn nicht?“, fragt Susanne Jecht. Sie versteckt nicht, welche Speisen sie verkauft, will aber auch nicht dogmatisch sein. „The Vegan Choice“ steht dick auf einer Tafel an ihrem Stand geschrieben. Jecht verkauft Eis. Hausgemacht, ohne Zusatzstoffe und 100 Prozent vegan. Im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg betreibt sie seit 2015 ein Café, hat Stammkundschaft. Nun ist die Frau mit den kinnlangen blonden Haaren und der rot-braunen Brille zum ersten Mal als Ausstellerin bei der Grünen Woche. „Ich will zeigen, dass Genuss auch vegan möglich ist“, sagt sie. Gelingt das?

    Hätte nichts gegen mehr vegane Anbieter auf der Grünen Woche einzuwenden: Susanne Jecht.
    Hätte nichts gegen mehr vegane Anbieter auf der Grünen Woche einzuwenden: Susanne Jecht. Foto: Niklas Molter

    Viele blieben stehen, sähen sich das Angebot mit den Geschmacksrichtungen Mozartkugel, Apfel-Quitte und Mango interessiert an – und gingen dann doch teils weiter, berichtet Jecht. Andere kauften Eis. Allerdings, das räumt sie ein, erkenne offenbar nicht jeder ihrer Kunden, dass es sich um veganes Eis handelt. „Ich lasse sie in dem Glauben“, sagt Jecht lächelnd. Es ist ein Versuch.

    Messe: Die Grüne Woche in Berlin hat für die Besucher geöffnet. Bis zum 29. Januar präsentieren sich in den Hallen unter dem Berliner Funkturm 1650 Aussteller aus 66 Ländern.

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