Diesel-Fahrverbote in Deutschland sollen erstmals auch auf einer viel befahrenen Autobahn gelten. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ordnete am Donnerstag eine Fahrverbotszone für Essen an, zu der auch die Verkehrsschlagader A40 auf dem Essener Stadtgebiet gehört. Betroffen wären von dem Fahrverbot für ältere Diesel ab dem Sommer 2019 auf dem Autobahn-Abschnitt nicht nur Pendler im Ruhrgebiet sondern auch der Auto-Fernverkehr.
Die Deutsche Umwelthilfe, die auf Änderung des Luftreinhalteplans für das Ruhrgebiet geklagt hatte, sprach von einem bahnbrechenden Urteil. Es werde "eingehen in die Geschichte der Luftreinhaltung, da zum ersten Mal eine Bundesautobahn, ein Symbol der Mobilität in Deutschland" in ein Fahrverbot einbezogen wurde, sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch.
Die A40 ist eine der wichtigsten Verkehrsadern im Ruhrgebiet. Sie verbindet Duisburg im Westen mit Dortmund im Osten des Reviers und wird auch von vielen Lastwagen genutzt. Der vom Diesel-Fahrverbot betroffene Abschnitt durchschneidet ein Wohngebiet, die Häuser stehen nur wenige Meter von der Fahrbahn entfernt. An dieser Stelle war 2017 ein Stickoxid-Wert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresmittel gemessen worden. Erlaubt sind nur 40 Mikrogramm. In Essen wurde der Grenzwert noch an vier weiteren Stationen überschritten.
Das Verwaltungsgericht entschied, dass in der Essener Sperrzone vom 1. Juli 2019 an nur noch Dieselfahrzeuge der Schadstoffklasse 5 oder höher, vom 1. September an dann nur noch Diesel-Fahrzeuge der Klasse 6 fahren dürfen. In der Nachbarstadt Gelsenkirchen soll die Kurt-Schumacher-Straße bereits vom 1. Juli an nur noch für Euro-6-Diesel befahrbar sein. Für Gewerbetreibende soll es jeweils Ausnahmen geben.
Bundesregierung bringt weitere Maßnahmen gegen Fahrverbote auf den Weg
Die Bundesregierung brachte am Donnerstag weitere Maßnahmen gegen Fahrverbote auf den Weg. Das Kabinett beschloss, dass in Städten mit relativ geringen Überschreitungen des Grenzwerts für gesundheitsschädliche Stickoxide Diesel-Fahrverbote "in der Regel" nicht verhältnismäßig sind - weil andere Maßnahmen ausreichten, um den Grenzwert einzuhalten. In Städten mit Höchstwerten von bis zu 50 Mikrogramm soll es keine Fahrverbote geben.
Vertreter des Landes NRW hatten in der mündlichen Verhandlung betont, dass durch schon geplante Maßnahmen eine Grenzwerteinhaltung im Jahr 2020 an fast allen Messstationen gelingen werde. Eine Aufnahme von Fahrverboten in neue Luftreinhaltepläne sei unverhältnismäßig und würde eine zeitliche Verzögerung bedeuten. "Mit Fahrverboten würden wir zeitlich hinter dem liegen, was wir sonst erreichen würden", hatte eine Anwältin des Landes argumentiert.
Diese Argumentation ließ die Kammervorsitzende Margit Balkenhol nicht gelten. Die Prognosen der Behörden seien nicht nachvollziehbar. Nur mit Fahrverboten sei man "auf der sicheren Seite". Fahrverbote seien unverzichtbar, um die Gesundheit der Anwohner zu schützen. Trotz der Belastungen für Autofahrer und Wirtschaft seien sie auch verhältnismäßig. Immerhin seien die Grenzwerte schon seit mehr als neun Jahren in Kraft, merkte Balkenhol an.
Das beklagte Land NRW wurde vor Gericht durch die Bezirksregierungen Münster und Düsseldorf vertreten. Ein Sprecher der Bezirksregierung Münster äußerte sich enttäuscht über das Urteil. Nun werde man das schriftliche Urteil abwarten. "Wir gucken, wie wir dann damit umgehen." Eine Sprecherin der Bezirksregierung Düsseldorf sagte: "Fahrverbote sind aus unserer Sicht nicht verhältnismäßig." Auch ihre Behörde will die Begründung abwarten und dann abwägen, "ob wir in Berufung gehen."
Die FDP-Fraktion im Bundestag nannte die A40-Sperrung "völlig unverhältnismäßig". Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer geht davon aus, dass es "in absehbarer Zeit" weitere Urteile zu Fahrverboten in Dortmund und Bochum geben wird. Das werde eine unübersichtliche Lage im Ruhrgebiet zur Folge haben. Der Automobilclub ADAC nannte es inakzeptabel, dass "die Dieselfahrer für die Tricksereien der Automobilindustrie und die lange Untätigkeit der Politik alleine die Zeche zahlen müssen".
Die DUH hat in Sachen Luftreinhaltung bereits mehrere Urteile erwirkt. Zuletzt hatte das Verwaltungsgericht Köln in der vergangenen Woche entschieden, dass Köln und Bonn 2019 in zwei Schritten - im April und September - Fahrverbote einführen sollen. Das Land hatte angekündigt, dagegen Berufung einlegen zu wollen. In Hamburg sind Fahrverbote auf zwei Strecken in Kraft, in mehreren anderen Städten wie Berlin, Frankfurt oder Stuttgart sind sie geplant. (dpa)