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Ernährung: Zucker hat viele Namen - und versteckt sich oft dahinter

Ernährung

Zucker hat viele Namen - und versteckt sich oft dahinter

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    60 Gramm Zucker sollte man maximal am Tag essen.
    60 Gramm Zucker sollte man maximal am Tag essen. Foto: Andrea Warnecke/ Dpa

    Armin Valet hat die Zuckerbomben aufgereiht, eine neben der anderen. Den Becher Kaffee aus dem Kühlregal, der acht Würfelzucker enthält. Die Hustenbonbons, auf denen „zuckerfrei“ steht. Und dann das lösliche Cappuccino-Pulver mit dem Aufdruck „ungesüßt“. „Man denkt, da ist kein Zucker drin“, sagt Verbraucherschützer Valet, auch weil der Begriff in der Zutatenliste auf der Rückseite nicht auftaucht. Doch weit gefehlt: Zu 40 Prozent besteht das Cappuccino-Pulver aus Süßmolkenpulver – und das ist letztlich auch Zucker.

    Zucker in Produkten in für Verbraucher nur schwer erkennbar

    Das Versteckspiel mit Zucker, es ist längst zu einer Masche der Lebensmittelindustrie geworden, sagt Valet. Das belegt auch eine Marktstudie der Verbraucherzentralen, die im vergangenen Jahr 276 verarbeitete

    Zucker versteckt sich hinter vielen Namen

    Woran das liegt? Die Hersteller verwenden immer mehr Zutaten, die den Konsumenten nichts sagen – hinter denen letztlich aber nur eines steckt: Süßmacher. Neben dem Haushaltszucker Saccharose haben die Verbraucherschützer 70 weitere süßende Substanzen entdeckt – etwa Süßmolkenpulver, Dextrose, Glukose, Laktose, Fruktose, Apfeldicksaft, Maltodextrin, Magermilchpulver oder Molkenerzeugnis.

    Gegen "Masche mit Begriffsverwirrung" kann der Verbraucher nichts machen

    Längst sprechen die Verbraucherschützer von der „Masche mit der Begriffsverwirrung“. Durch die Zugabe unterschiedlicher Zuckerarten haben die Hersteller eine alte Regel außer Kraft gesetzt. Bisher konnten sich Kunden darauf verlassen, dass, was an Nummer eins der Zutatenliste steht, auch den größten Anteil am Produkt hat. „Jetzt stimmt diese Aussage nicht mehr“, sagt Gabriela Tremp, Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale Bayern. „Zucker rückt in der Zutatenliste immer weiter nach hinten.“ Das treibt bisweilen seltsame Blüten: So haben die Tester in einer mit Schokolade überzogenen und mit Cerealien gefüllten Waffel elf Süßmacher entdeckt – Zucker selbst taucht erst an neunter Stelle auf. „Aus Sicht des Verbrauchers ist das ein Ärgernis“, sagt die Ernährungswissenschaftlerin. Anhaben kann man den Herstellern aber derzeit nichts. Schließlich listen sie sämtliche Zutaten auf. „Nur der Verbraucher hat da keinen Durchblick mehr“, sagt Tremp.

    Schon im Werbespot wird der Verbraucher in die Irre geführt

    Doch damit endet die Verwirrung nicht. Denn auch zahlreiche Werbeaussagen sind geeignet, Verbraucher in die Irre zu führen. So bedeutet die Angabe „ohne Zuckerzusatz“ nicht, dass ein Produkt kaum oder keinen Zucker enthält, sondern nur, dass kein Haushalts- oder Traubenzucker oder Fruchtsirup zugesetzt wurde. Süßstoffe oder Zuckeraustauschstoffe sind aber erlaubt. Und „weniger süß“ sagt nichts darüber aus, wie viel Zucker im Lebensmittel steckt, sondern bezieht sich nur auf den Geschmack. Wie wenig das weiterhilft, zeigt das Beispiel eines Fruchtmüslis. Dort ist der Zuckergehalt zwar niedriger als bei vergleichbaren Produkten, dafür hat es mehr Kalorien – vor allem, weil statt Zucker der energiehaltige Ballaststoff Oligofruktose zugesetzt wurde.

    Zucker steckt nicht nur im "Süßem" drin

    Und längst werden die Stoffe nicht mehr nur in Süßem verwendet, sondern auch dort, wo man sie gar nicht erwartet. Im Test entdeckten die Verbraucherschützer einen Krautsalat, der zu einem Achtel aus Zucker besteht, braunen Soßenbinder, der pro 100 Gramm zehn Würfelzucker enthält – oder ein Kinder-Ketchup, in dem ein Fünftel Süßes steckt – obwohl darauf der Vermerk „ohne Zusatz von Zucker“ prangt.

    83 Prozent Zucker nehmen wir unbewusst zu uns

    Während viele Verbraucher versuchen, sich bewusster zu ernähren, ist der Zuckerverbrauch in den vergangenen 40 Jahren nahezu konstant geblieben. 100 Gramm isst jeder Deutsche täglich – doppelt so viel, wie die Welternährungsorganisation WHO als zulässig ansieht. Das liegt sicher nicht nur an der süßen Verlockung, sondern vor allem an der Lebensmittelindustrie, ist Buchautor Hans-Ulrich Grimm überzeugt. Denn nur einen kleinen Teil fügen wir unserer Nahrung selbst zu, etwa durch den Löffel Zucker im Kaffee. 83 Prozent nehmen wir nach Grimms Worten unbewusst zu uns – über zahlreiche verarbeitete Lebensmittel, die weit mehr Zucker enthalten, als man ahnt.

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