Startseite
Icon Pfeil nach unten
Wirtschaft
Icon Pfeil nach unten

Energieversorgung: Tarife im Überblick: So viel teurer wird Gas bei Anbietern in der Region

Energieversorgung

Tarife im Überblick: So viel teurer wird Gas bei Anbietern in der Region

    • |
    Der Gaspreis ist stark gestiegen.
    Der Gaspreis ist stark gestiegen. Foto: Marijan Murat, dpa

    Manche Beobachterinnen und Beobachter sprechen bereits von Panik. Die Großhandelspreise für Erdgas sind in den letzten Wochen stark gestiegen, zuletzt sogar explosionsartig. "An den Spotmärkten, wo Gas kurzfristig gehandelt wird, haben sich die Preise für

    Für September, Oktober und November hätten bundesweit 42 regionale Gasanbieter Preiserhöhungen von durchschnittlich 12,9 Prozent angekündigt oder bereits durchgeführt, berichtet Verivox. "Bei einem Jahresverbrauch eines Haushalts von 20.000 Kilowattstunden entspricht dies Mehrkosten von rund 189 Euro pro Jahr."

    Stadtwerke Memmingen erhöhen Gaspreis um bis zu 68 Prozent

    Besonders drastisch fällt in unserer Region die Erhöhung bei den Stadtwerken Memmingen aus. Diese erhöhen die Preise zum 1. Dezember um bis zu 68 Prozent. Ein Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden zahlte bisher 1156 Euro, künftig werden es 1942 Euro sein. Es entstehen also zusätzliche Kosten in Höhe von 786 Euro. Die Stadtwerke hätten trotz steigender Kosten für Erdgas seit dem Jahr 2015 die Preise nicht erhöht, betonte das Unternehmen. Da man bisher zu den günstigsten Gasanbietern in Memmingen zählte, falle die Steigerung nun so hoch aus. Weil die Gaspreise in den vergangenen Wochen um ein Vielfaches gestiegen seien, hätten die Stadtwerke reagieren müssen.

    Auch das Unternehmen Erdgas Schwaben, das als Grundversorger in Bayerisch-Schwaben tausende Haushalte mit Gas versorgt, hebt die Preise an. Der Haupttarif "Mein Prämiengas", welchen die meisten Kundinnen und Kunden nutzen, steigt zum 1. Dezember um 17,95 Prozent, berichtet Sprecher Christian Blümm. Ein Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden zahlt damit 238 Euro im Jahr mehr, vorher waren es 1325,66 Euro, künftig sind es 1563,66.

    Erdgas Schwaben: Anpassung an höhere Einkaufspreise

    Den Tarif "Schwabenpreis" hat das Unternehmen schon zum 1. Oktober um 7,4 Prozent erhöht. Der Haushalt im Beispiel zahlt damit 111,86 Euro im Jahr zusätzlich, vorher waren es 1511,30 Euro, künftig sind es 1623,16 Euro.

    Auch der Erdgas-Preis in der Grundversorgung steigt bei Erdgas Schwaben zum 1. Dezember um 23,76 Prozent. Der Haushalt muss damit 325,24 Euro im Jahr mehr zahlen, waren es vorher 1482,74 Euro, sind es künftig 1834,98 Euro. Alles Preise verstehen sich inklusive Mehrwertsteuer.

    "Grund für die Anhebungen sind die um ein Vielfaches gestiegenen Börsenpreise", erklärt Blümm. Zwar kaufe Erdgas Schwaben das Gas sehr langfristig. Ein Großteil der Mengen sei bereits vor ein, zwei oder drei Jahren zu den damals gültigen Preisen bestellt worden. "Eine Restmenge wird aber kurzfristig eingekauft, um flexibel zu bleiben", sagt er. "Dies macht die aktuellen Preissteigerungen aus."

    Erdgas Schwaben schließt nicht aus, dass der Preis in Zukunft auch wieder sinken kann, wenn sich die Lage normalisiert. Schon in der Vergangenheit lagen die Preise hoch, sind dann aber wieder gesenkt worden, erklärt Blümm. Im Jahr 2008 habe der Musterhaushalt zum Beispiel im Tarif "Schwabenpreis" 1782 Euro im Jahr bezahlt, ein Jahr später waren es nur noch 1237 Euro.

    Stadtwerke Augsburg: "Weitere Entwicklung hängt vom Weltmarkt ab"

    Die Stadtwerke Augsburg berichten, dass sie den Preis in der Erdgas-Grundversorgung zum 1. November um 0,82 Cent pro Kilowattstunde steigern. "Dies ist seit längerem so vorgesehen und hat nichts mit der gerade aktuellen Preisrallye zu tun", sagt Sprecher Jürgen Fergg. Deshalb falle die Erhöhung sehr moderat aus. Die Preiserhöhung zum 1. November bedeute für den genannten Musterhaushalt Mehrkosten von 13,68 Euro pro Monat inklusive Mehrwertsteuer - also 164,16 Euro im Jahr.

    "Bei uns profitieren die Kunden von unserer längerfristigen Einkaufsstrategie. Das hat den Vorteil, dass Preisschwankungen an den Spotmärkten nicht unmittelbar auf die Verbraucherpreise durchschlagen", sagt Stadtwerke-Sprecher Fergg. "Wie sich die Preise dann im Jahr 2022 entwickeln werden, können wir aktuell noch nicht sagen, das hängt von der weiteren Entwicklung auf dem Weltmarkt ab."

    Die Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm berichten, dass ein Großteil der Kundinnen und Kunden unter aktuellen Voraussetzungen voraussichtlich mit einer Preisanpassung der Erdgastarife zum 1. Januar 2022 rechnen muss. Diese werde mit einem Vorlauf von 6 bis 8 Wochen schriftlich mitgeteilt. "In der Vergangenheit waren Preisprognosen vor Veröffentlichung der gesetzlichen Preisbestandteile einfacher und möglich. Jedoch gab es in den Vorjahren noch nie solche enormen Schwankungen bei den Bezugspreisen und bei den Netznutzungsentgelten", teilen die Stadtwerke auf Anfrage mit.

    Vor allem Gasversorger, die sich kurzfristig mit Gas eindecken müssten, geraten derzeit in die Bredouille, erklären die Experten von Verivox. In Brandenburg hat der Energieanbieter Otima Insolvenz angemeldet. Als Grund gab er die massiv gestiegenen Großhandelspreise an. Der Energiekonzern Eon nahm in den vergangenen Tagen keine neuen Kundinnen und Kunden für Erdgastarife auf. Die Erdgasprodukte würden überarbeitet, "da wir die stark gestiegenen Beschaffungskosten in unserer Preisstellung berücksichtigen müssen", berichtete Eon.

    Die Angst, plötzlich ohne Gasanbieter dazustehen, kann Erdgas Schwaben den Kunden in unserer Region nehmen. "Wir sind in Bayerisch-Schwaben der Grundversorger für Erdgas", sagt Blümm. "Wir nehmen selbstverständlich weiter Kundinnen und Kunden an." Alle Kundinnen und Kunden hätten zudem stets die Möglichkeit, aus der Grundversorgung in andere Tarife zu wechseln.

    Was den Gaspreis so massiv in die Höhe treibt

    Gleich mehrere Gründe tragen anscheinend dazu bei, dass die Gaspreise derart steigen. Zum einen steigt nach der Corona-Krise die Nachfrage nach Energie. Verivox zufolge treibt die hohe Nachfrage in Asien die Großhandelspreise. "Zum anderen sind die Gasspeicher in Europa nach dem vergleichsweise kalten Winter 2020/21 noch nicht wieder komplett aufgefüllt", berichten die Stadtwerke Augsburg. Instandhaltungsarbeiten an Gaspipelines verschärfen die Situation. Russland liefere indes nicht weniger Gas als vereinbart, betonte kürzlich der Präsident der deutsch-russischen Außenhandelskammer, Rainer Seele.

    "Neben den höheren Großhandelspreisen steigt auch der CO2-Preis für fossile Brennstoffe zum Jahreswechsel von 25 auf 30 Euro pro Tonne", sagt Verivox-Energieexperte Thorsten Storck. "Diese Kosten geben viele Gasversorger direkt an ihre Kunden weiter.“

    Eine schnelle Entspannung für die Verbraucher ist nicht in Sicht. "In den kommenden Wochen erwarten wir eine große Preiswelle bei Gas“, sagt Verivox-Experte Thorsten Storck. Kein regionaler Versorger plane, die Gaspreise in den kommenden Monaten zu senken.

    VdK-Präsidentin Bentele: Regierung muss sozialen Ausgleich schaffen

    Sozialverbände dringen jetzt auf einen Ausgleich für die Betroffenen. "Geringverdiener und Menschen, die von Grundsicherung leben, sind am stärksten von den steigenden Gas- und Energiepreisen betroffen", sagte Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbandes VdK, unserer Redaktion. "Die Bundesregierung muss hier endlich einen sozialen Ausgleich schaffen", fordert sie.

    Zwar ist eine Entlastung beim Strompreis in Sicht. "Die versprochenen Erleichterungen bei den Strompreisen gleichen diese Preissteigerungen bislang in keiner Weise aus", gibt Bentele aber zu bedenken. "In der Grundsicherung und bei Hartz IV müssen die Wohn-, Strom- und Heizkosten an den tatsächlichen Energiepreisen berechnet und jährlich angepasst werden", fordert sie. Außerdem sollte es Einmalbeihilfen für die Anschaffung von stromsparenden Elektro-Großgeräten für Grundsicherungsempfänger und andere einkommensschwache Gruppen geben. "Der nächste Koalitionsvertrag muss hier dringend Lösungsvorschläge anbieten", sagt die VdK-Präsidentin.

    Der scheidende Caritas-Präsident Peter Neher machte sich am Donnerstag in Freiburg für eine stärkere Rückerstattung des CO2-Preises an betroffene Haushalte stark. Seit Jahresanfang müssen in Deutschland für das Verbrennen von Heizöl, Sprit und Erdgas 25 Euro pro Tonne CO2 gezahlt werden, der Preis wird schrittweise steigen.

    Die Belastung durch höhere Energiepreise gelte besonders für Menschen, die Sozialleistungen beziehen, warnt die Caritas. Der Regelbedarf sei ohnehin „auf Kante genäht“, Leistungsempfänger könnten die Energiepreis-Steigerung nicht anderweitig ausgleichen. "Es besteht bei Energiepreissteigerungen also die Gefahr, dass das Existenzminimum nicht mehr gedeckt ist", berichtet die

    Wirksame Maßnahme zur Bekämpfung der Klimakrise seien nur dann zu schultern und würden Akzeptanz finden, wenn sie sozial gerecht ausgestaltet sind, argumentiert die Caritas. "Eine höhere CO2-Bepreisung, die auch höhere Energiepreise mit sich bringen wird, muss zwingend mit einem Rückerstattungsmechanismus ausgestaltet werden", fordert die kirchliche Organisation deshalb.

    Auch Professorin Claudia Kemfert tritt für die Rückerstattung des CO2-Preises ein, um Verbraucherinnen und Verbraucher zu entlasten. "Eine Pro-Kopf-Rückerstattung würde vor allem Bezieher niedriger Einkommen entlasten", sagte die Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. (mit dpa, abg, uw)

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden