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Energie: Windkraft in der Region: geliebt und gehasst

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Windkraft in der Region: geliebt und gehasst

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    Streitfaktor Windkraft: In Wildpoldsried (Bild) stehen bisher sieben Windräder - weitere sollen folgen. In den Orten um Friedberg stellen sich die Bürger gegen Windkraftwerke.
    Streitfaktor Windkraft: In Wildpoldsried (Bild) stehen bisher sieben Windräder - weitere sollen folgen. In den Orten um Friedberg stellen sich die Bürger gegen Windkraftwerke. Foto: Ralf Lienert

    Bis zu 1500 Windräder soll es in Bayern in zehn Jahren geben. Das spaltet die Menschen – auch in der Region.

    Heiße Debatte: Es geht um Heimat, Landschaft, Investitionen

    Ein Stahlwerk würde man hier doch auch nicht genehmigen,  sagt Robert Sarcher (48), während man mit ihm im Auto auf die Anhöhe hinauffährt. Und ein Windrad sei doch auch nichts anderes: eine Industrieanlage. Robert Sarcher ist ein freundlicher, anpackender, unkomplizierter Mann, er arbeitet in der Finanzbranche und kennt sich mit Zahlen aus. Seit 25 Jahren wohnt er in der Gegend. Dass jetzt, in seiner Nachbarschaft, im Erlauholz bei Friedberg, mehrere Windkraftanlagen gebaut werden könnten, dafür hat er aber nur Unverständnis übrig.

    In den Orten rund um Friedberg ist angesichts der Pläne eine heiße Debatte über die Windkraft entbrannt. Es geht um Heimat, um Landschaft, aber auch um den Wert von Grundstücken und um gewinnträchtige Investitionen.

    Windräder in Deutschland

    Windkraft: Derzeit gibt es in Deutschland rund 22 650 Windräder. (Stand: August 2012)

    Die meisten davon drehen sich in Niedersachsen (5483), in Brandenburg (3079) und Schleswig-Holstein (2930). Darauf folgen Nordrhein-Westfalen (2871) und Sachsen-Anhalt (2381).

    Schlusslichter sind die Stadtstaaten Bremen (75), Hamburg (58) und Berlin (1 Anlage).

    In der Nordsee stehen inzwischen 30 Anlagen, die zusammen eine Leistung von fast 150 Megawatt erzeugen. Die 22 Offshore-Anlagen in der Ostsee kommen zusammen auf rund 50 Megawatt. dpa

    Um diese Jahreszeit sind die Wiesen kahl, Feldwege schlängeln sich über die Kuppen, am Waldrand steht ein Jägerstand. Erlauholz heißt dieses Fleckchen Erde. Wenn man aus dem Wagen steigt, kann man nicht sagen, dass es windstill wäre. Es zieht.

    Bauwerke, die höher sind als das Ulmer Münster

    Bei den Windrädern, die ein Unternehmer hier bauen will, handelt es sich der Stadt Friedberg zufolge um Anlagen, die 185,9 Meter in die Höhe ragen könnten. Zum Vergleich: Der Turm des Ulmer Münsters misst knapp 162 Meter. Anwohner befürchten sogar Windräder von 199,5 Meter Höhe. Damit würde die Energiewende sichtbar Einzug halten im Wittelsbacher Land, wie sich der Kreis Aichach-Friedberg auch nennt. So sichtbar, dass Bürger eine Initiative gegen die Pläne gegründet haben – mit mehr als 200 Mitstreitern wie sie sagen. Bachern, Ried, Ottmaring heißen die Dörfer in der Nachbarschaft.

    Im November schlagen die Emotionen hoch. Zusammen mit Bürgermeister Peter Bergmair informiert der Projektentwickler im Sportheim Bachern über die Pläne. Pfiffe und Buh-Rufe schallen ihnen entgegen, die Redner kommen passagenweise kaum zu Wort. Das Sportheim ist voll, die Bürger recken Protestplakate in die Höhe.

    Diplomingenieur Harald Fischer, 47, vertritt die Bürgerinitiative. Er ist ein Techniker, der bei der Stadt München arbeitet und sich unter anderem mit Energieeinsparung beschäftigt. Fischer kennt die Herausforderungen der Energiewende.

    Windkraftwerke im Erlauholz aber lehnt er strikt ab: „Die Rotoren könnten einen Durchmesser von 117 Metern haben“, sagt er. „Das ist unvorstellbar.“ Fischer wohnt am Ortsrand von Bachern. Er kritisiert, dass der Abstand zwischen Dorf und Windkraftanlagen nur 1000 Meter betragen könnte. Und dass die Flügel Lärm machten, der deutlich im Ort zu hören wäre.

    Ziel für 2021: 50 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen

    Diskussionen dieser Art könnten bald in vielen Orten geführt werden. Denn Bayern hat ehrgeizige Ziele. Im Jahr 2021 soll die Hälfte des Stroms im Freistaat aus erneuerbaren Quellen stammen. Der Wind soll sechs bis zehn Prozent beisteuern. Das Umweltministerium rechnet mit 1000 bis 1500 Windkraftanlagen bis dahin. Derzeit gibt es rund 500. In den 90er Jahren sprachen Kritiker von der „Verspargelung“ der Landschaft. Heute führen sie ein Bündel an Kritikpunkten ins Feld. Investoren haben es oft nicht leicht.

    Franz Uhl führt in Ellwangen in Baden-Württemberg ein Unternehmen mit 18 Mitarbeitern. Er ist es, der im Erlauholz gerne die Windräder bauen möchte.

    Uhl macht mit seiner Familie Urlaub an der Nordsee, als er zum ersten Mal vor einem Windrad steht. Aus Wind wird Strom, abgasfrei, sauber, grün. Das erinnert ihn an seine Schulzeit, als er auf einer Fahrt nach Holland zum ersten Mal alte Windmühlen sah. Er entschließt sich, anzupacken und selbst moderne Anlagen zu bauen. Das war 1991.

    Genau 109 Windräder hat er seither errichtet. Uhl hofft, die Bürger rund um das Erlauholz noch überzeugen zu können. „Bei jeder technischen Entwicklung wird es Bedenken geben oder Menschen, die dagegen sind, aus verschiedenen Gründen, zum Teil auch verständlich“, sagt er. „Wir müssen sie ernst nehmen, mit ihnen reden, einige können wir vielleicht überzeugen, andere nicht.“

    Der Investor schlägt eine Genossenschaft vor

    In Friedberg ist Franz Uhl gerade in der Planungsphase. Ein Antrag beim Landratsamt für drei Windräder ist gestellt. Sind die Kosten einmal präzisiert, sagt Uhl, werde sein Unternehmen die Bürger in einer Veranstaltung informieren. Er stellt sich vor, dass sich die Friedberger – zum Beispiel in einer Energiegenossenschaft – selbst finanziell an den Anlagen beteiligen könnten.

    Bei der Bürgerinitiative hält man davon wenig. Hier sagen sie, dass nur wenige richtig Gewinn mit der Windkraft machen: die, denen die Grundstücke gehören, auf denen die Windtürme entstehen könnten. Für diese gibt es meist eine hohe Pacht. Die Anwohner dagegen befürchten, dass der Wert ihrer eigenen Häuser und Grundstücke sinkt.

    Anderen, die am Rande der kleinen Ortschaft Bachern wohnen, macht der Schattenschlag der Rotoren Sorgen. Dieser könnte das Auge ganz irremachen, wenn man in Zukunft an schönen Sommernachmittagen auf der Terrasse sitzt, fürchten sie.

    "Wir zahlen für unsere eigene Zerstörung der Umwelt“

    Eigentlich ist das Gebiet für Windkraft gar nicht rentabel“, warnt zudem Windrad-Gegner Sarcher. Bayerns Windatlas weise fürs Erlauholz eine Windgeschwindigkeit von unter fünf Metern pro Sekunde in 140 Metern Höhe aus. Eine Anlage sei aber erst ab sechs Metern pro Sekunde sinnvoll, argumentiert Sarcher. „Das Ganze rentiert sich nur dank der EEG-Umlage. Wir zahlen also für unsere eigene Zerstörung der Umwelt.“

    Und es gibt noch ganz andere Bedenken: Walter Föllmer, 71, kennt das Erlauholz als Naturliebhaber. Der dortige Trimm-dich-Pfad sei immer gut besucht, sagt er. Der engagierte Lokalpolitiker hat für die CSU manches ausgefochten. Ihm ist das Erlauholz ans Herz gewachsen. Windräder kann er sich hier nicht vorstellen: Im Winter könnte Eis von den Flügeln geschleudert werden, sagt er. „Stehen dann neben dem Trimm-dich-Pfad Schilder: Achtung! Lebensgefahr!, oder wie stellt man sich das vor?“, fragt Föllmer.

    Städte wie Friedberg stellt die Kritik vor ein Dilemma: Bürgermeister Peter Bergmair, parteilos, kennt die Bedenken. „Auf der anderen Seite sehen wir die Notwendigkeit der Energiewende“, sagt er. Die Stadt will Windkraft in sicherem Abstand zu Wohngebieten ermöglichen, das hat der Stadtrat beschlossen. „Am Ende ist es freilich die Aufgabe des Landratsamtes und nicht der Stadt, über einen Antrag auf Genehmigung der Windräder zu entscheiden“, betont Bergmair.

    Andererseits gibt es Gemeinden, in denen längst die Wind-Begeisterung ausgebrochen ist.

    Allgäuer Energiedorf ist  umgeben von Windrädern

    Ortswechsel. Wildpoldsried im Allgäu. Ein Gasthof, ein Dorfmuseum, die freiwillige Feuerwehr, 2570 Einwohner. Susi Vogl, die das Vorzimmer des Bürgermeisters führt, ist zugleich Koordinatorin für Energie und Klimaschutz.

    In ihrem roten Flitzer kann man mit hinausfahren, auf den Höhenrücken, wo inzwischen sieben Windräder der Gemeinde stehen. Die Straße schlängelt sich zwischen verschneiten Feldern hindurch, an Höfen vorbei, biegt dann in den Wald ein. Enge Wege. Nadelbäume. Dann steht man plötzlich davor: Grün gestrichen am Fuß ragt das Windrad in die Höhe – weit über die Baumkronen hinaus. Eine Kathedrale grüner Energie. Oben durchschneiden die Rotoren den Nebel, der heute Ort und Wald einhüllt.

    Zwei neue Windräder sind in Wildpoldsried erst im Herbst dazugekommen. Es sind moderne Anlagen, 135 Meter bis zur Nabenhöhe, der Rotor 85 Meter im Durchmesser, berichtet Susi Vogl, die alle Fakten auswendig kennt. Ein Windrad allein erzeugt so viel Strom wie die Gemeinde verbraucht. Ein leichtes Rauschen der Flügel ist zu hören – wenn man die Ohren weit aufsperrt. Die Schritte im harschen Schnee sind lauter. Im Dorf, sechs Kilometer entfernt, höre man von den Rotoren nichts mehr, sagt Susi Vogl. Nur der nächste Nachbar, ein Einödhof, vernimmt manchmal das Schlagen der Flügel. Dann aber müsse der Wind kräftig über den Höhenrücken fegen und der Hof genau in Windrichtung stehen.

    Ortsansässige Bürger sind die Eigentümer

    Wildpoldsried beteiligt die Bürger an der Windkraft. Die Windräder gehören rund 300 Leuten aus dem Ort. Die Rendite schätzen Fachleute auf 10 bis 15 Prozent, heißt es bei der Gemeinde. Das Interesse war zuletzt so groß, dass die Gemeinde Wildpoldsried selbst auf Anteile verzichtete, damit alle zum Zuge kamen. „Ein Fremdinvestor kam für uns nie infrage“, sagt Susi Vogl. Bevor Wildpoldsried eine Anlage baut, befragt die Gemeinde zudem ihre Bürger. „Die Leute wollen es nicht, vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden“, sagt Vogl.

    Derzeit denkt man in Wildpoldsried abermals darüber nach, zusammen mit den Nachbargemeinden Kraftisried, Günzach und Unterthingau neue Windräder zu bauen. „Manche finden Windräder hässlich“, sagte Bürgermeister Arno Zengerle einmal. „Uns gefallen sie.“

    Für die Bürgerinitiative am Erlauholz bei Friedberg dagegen wäre ein Höhenrücken mit mehreren Windrädern eine Horrorvorstellung: „Am besten wäre es für das Erlauholz“, sagt Sprecher Fischer, „wenn alles so bleibt, wie es ist.“

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