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Energie: Weltweit mehr Hunger durch Biosprit?

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Weltweit mehr Hunger durch Biosprit?

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    Augsburg Gerade ist Dirk Niebel aus Kenia zurückgekehrt, wo er zu fairen Wahlen aufgerufen und die Zusammenarbeit der Kirche mit Entwicklungsorganisationen gelobt hat. Keine zwei Stunden später spricht der FDP-Minister wieder über das Thema, das ihm im Moment eine deutlich höhere Einschaltquote bringt: E10. „Gerade bei steigenden Lebensmittelpreisen kann Biosprit zu stärkerem Hunger in der Welt beitragen“, hatte der Entwicklungsminister schon in der vergangenen Woche gemahnt und von einem „Konflikt zwischen Tank und Teller“ gewarnt. Nun bekräftigt er im ZDF seine Forderung nach einem sofortigen Verkaufsstopp für

    Nach Angaben der Weltbank hat sich Mais seit Juni um 45 Prozent verteuert, Weizen um 50 Prozent. Das trifft nicht nur Deutschland, für das der Zentralverband des Bäckerhandwerks mittelfristig Preiserhöhungen angekündigt hat. Weltweit mehren sich die Warnungen vor einer Hungerkatastrophe. Experten des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen befürchten „die dritte Preiskrise für Nahrungsmittel binnen fünf Jahren“.

    Angesichts solcher Prognosen steigt die Unterstützung für Niebels Vorstoß, E10 auszusetzen. Greenpeace-Agrarexperte Martin Hof-stetter sagt: „Angesichts der weltweiten Getreideknappheit macht so ein Schritt Sinn.“ Und Thilo Bode, Geschäftsführer der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch, meint: „Generell ist Biosprit ein Irrweg, sowohl in Deutschland als auch in den USA, wo bereits rund 40 Prozent der Maisernte für die Ethanolproduktion verwendet werden.“ Kein anderes Land produziert so viel Ethanol, jenen aus Pflanzen gewonnenen Alkohol, dem Benzin beigemischt wird. In den

    In Deutschland, das die Hälfte des benötigten Ethanols selbst herstellt, greift man zu zwei Dritteln auf Getreide, zu einem Drittel auf Zuckerrüben zurück. 250000 Hektar Fläche werden dafür benötigt, was nach Darstellung des Verbands der Deutschen Biokraftstoffindustrie zwei Prozent der bundesweiten Ackerfläche entspricht.

    Knapp vier Prozent der heimischen Getreideernte entfallen auf die Bioethanol-Produktion, weltweit sind es sechs Prozent.

    Beim Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie betont man, mit der Biospritproduktion habe der Preisanstieg nichts zu tun. Niebel verkenne, dass 30 Prozent des Getreides, das zu Ethanol verarbeitet wird, in die Tierfuttermittelproduktion gingen. Sprecher Frank Brühning redet von „Profilierung“ und davon, dass der Grund für den Hunger anderweitig zu suchen sei: „Armut, Bürgerkriege, Korruption und verfehlte Agrarpolitik.“

    Bärbel Dieckmann, Präsidentin der Welthungerhilfe, sagt: „Es werden weltweit ausreichend Lebensmittel produziert, um sieben Milliarden Menschen zu ernähren.“ Dieckmann spricht von einem „Verteilungsproblem“, das sich nicht allein durch einen E10-Stopp lösen lässt. „Das wäre eine punktuelle Maßnahme, die kurzfristig keinem Hungernden hilft.“ Stattdessen fordert sie eine langfristige Strategie gegen die Ernährungskrise. Dazu gehörten die Einschränkung von weltweiten Spekulationen auf Getreide sowie verstärkte Investitionen in die Landwirtschaft armer Länder. Auch die Verwendung von Biosprit müsse überdacht werden.

    Von derartigen Plänen ist in Berlin nichts zu erkennen. Während Niebel Front gegen E10 macht, will man sich im Haus des zuständigen Umweltministers Peter Altmaier (CDU) nicht an der Debatte beteiligen. Von Überlegungen, die Biokraftstoffstrategie zu überdenken, sei ihm nichts bekannt, sagte ein Sprecher. Niebel dürfte das wenig ausmachen. (mit dpa)

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