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Energie: Warum auch die AKW-Betreiber nicht zurück zur Nuklearenergie wollen

Energie

Warum auch die AKW-Betreiber nicht zurück zur Nuklearenergie wollen

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    Auch in Gundremmingen geht der letzte Reaktorblock Ende des Jahres vom Netz.
    Auch in Gundremmingen geht der letzte Reaktorblock Ende des Jahres vom Netz. Foto: Ulrich Wagner

    Es wäre eine besondere Ironie des Schicksals: Deutschland hat eine neue Regierung unter Beteiligung von Atomkraftgegnern der ersten Stunde. Robert Habeck wird neuer grüner Superminister für Wirtschaft und Klimaschutz. Das Umweltressort ist auch in grüner Hand. Und die EU-Kommission erklärt derweil Kernenergie zum nachhaltigen Mittel im Kampf gegen den Klimawandel.

    Während in Deutschland Ende nächsten Jahres der letzte Meiler vom Netz geht, die Tage von Gundremmingen längst gezählt sind, setzt Frankreich etwa verstärkt auf Kernkraft, um die Klimaziele einhalten zu können. Weltweit werden neue Meiler gebaut. Die Atomkraft war nie weg, erlebt aber gerade eine Art Wiederkehr. Auch in Deutschland ist noch immer oder immer mal wieder zu hören, dass eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten helfen könne, die

    Was RWE, EnBW und E.ON sagen

    Diskutieren kann man vieles. Allerdings gibt es in Deutschland drei entscheidende Player, die überhaupt erst mal wollen müssten. Es sind die Betreiber der derzeit noch laufenden sechs Atomkraftwerke: RWE, EnBW und E.ON. Eine kurze Umfrage bei den Energie-Riesen ergibt folgendes, eindeutiges Ergebnis. Eine Renaissance der Atomkraft ist in Deutschland mit ihnen nicht (mehr) zu machen.

    E.ON-Chef Leonhard Birnbaum sagt: „Der Gesetzgeber hat vor Jahren entschieden, dass Kernkraft in Deutschland keine Zukunft hat. Ein Weiterbetrieb unserer Kernkraftwerke über den gesetzlichen Endtermin 2022 hinaus ist für uns kein Thema. Dabei bleibt es.“ Kurz vor Abschalten in Deutschland eine Debatte darüber zu starten, ob Kernkraftwerke einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten, sei „befremdlich“. Sie komme „viel zu spät“ und nutze keinem mehr. Birnbaum sagt weiter: „Allerdings ist offensichtlich, dass andere Industrienationen dem deutschen Weg nicht folgen. Sie halten an der Kernenergie als CO2-armer Energiequelle fest oder integrieren die Kernenergie in ihren Strommix.“ Natürlich würden also insbesondere die Franzosen auch weiter Strom aus Kernenergie in den europäischen Energieverbund einspeisen. „Und egal, wie wir die erneuerbaren Energien ausbauen, Deutschland wird ein Importland für Energie bleiben.“ E.ON betreibt über die Tochter-Gesellschaft Preussen Elektra noch drei Akws: Brokdorf, Grohnde und Isar 2.

    Hören Sie sich dazu auch unsere Podcast-Serie "Gespalten – Gundremmingen und das Ende der Atomkraft" an:

    Von EnBW, die Neckarwestheim Block II betreibt, heißt es: „Der Ausstieg aus der Kernenergie ist im Jahr 2011 im politischen und gesellschaftlichen Konsens beschlossen worden und gesetzlich klar geregelt. Die Nutzung der Kernenergie für die Stromproduktion hat sich damit in Deutschland erledigt.“ Die EnBW habe nach dem damaligen Ausstiegsbeschluss eine langfristige Strategie für den Rückbau ihrer Kernkraftwerke ausgearbeitet, die sie seither „konsequent“ umgesetzt habe. Fazit: „Die Frage nach der Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke sowie weitere hypothetische Fragestellungen in diesem Kontext stellen sich deshalb für die EnBW nicht.“

    Und RWE, die noch das Akw Emsland und eben den Block C in Gundremmingen laufen haben, macht klar: „Das Kapitel Kernenergie ist für uns abgeschlossen, wenn unsere letzten beiden Blöcke planmäßig vom Netz gehen. Eine Renaissance ist aus unserer Sicht weder möglich noch wirtschaftlich sinnvoll.“

    DIW-Expertin Claudia Kemfert: "Die Lichter gehen nicht aus"

    Dem würde Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) nicht widersprechen. Denn das Fazit einer von ihr betreuten DIW-Studie lautet: „Die Abschaltung der letzten Atommeiler in Deutschland führt nicht zu Versorgungsengpässen.“ Kemfert erläutert: „Wenn die letzten sechs Kernkraftwerke bis Ende 2022 vom Netz gehen, hat dies keine nennenswerten Auswirkungen auf die Stromkapazitäten insgesamt, die Lichter in Deutschland werden nicht ausgehen.“ Vielmehr gelte im Gegenteil: „Die Abschaltung ebnet den Übergang zum überfälligen Ausbau der erneuerbaren Energien. Kernenergie war von Anfang an unwirtschaftlich und geprägt von nicht kalkulierbaren Risiken.“

    Mit Blick auf die EU-Debatte sagte die Expertin für Energiewirtschaft unserer Redaktion: „Wie wir in unserer aktuellen Studie ausführen, ist die Atomkraft in keinster Weise nachhaltig. Sie sollte somit in der aktuellen EU-Taxonomie nicht aufgeführt werden.“ Atomenergie sei sehr teuer und ohne Subventionen nicht wettbewerbsfähig. „Wenn einzelne Länder ihre Staatsausgaben für horrende Subventionen für die Atomenergie ausgeben wollen, so ist das ihre Sache. Die Steuergelder der EU-Bürger sollten dafür nicht ausgegeben werden.“

    Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung kritisiert EU-Bericht

    Ein klare Haltung in der Taxonomie-Debatte auf EU-Ebene hat auch das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE). Die Behörde, die zum Geschäftsbereich des Bundesumweltministerium gehört, positioniert sich klar gegen den von der EU für die Nachhaltigkeit von Atomkraft angeführten Bericht des Joint Research Centers (JRC), eine der Generaldirektionen der Europäischen Kommission.

    Die BASE-Stellungnahme besagt im Wesentlichen, dass „zahlreiche Gründe“ dagegen sprechen, Kernenergie als nachhaltig zu klassifizieren. Zum einen bleibe bei Atomkraftwerken immer ein Restrisiko. Siehe Fukushima und Tschernobyl. Die Urangewinnung gehe zudem „mit erheblichen Umweltrisiken“ einher. Und da die meisten Uranminen außerhalb der EU lägen, könne den Risiken auch nicht durch EU Regulierung begegnet werden. Die ignoriere JRC „weitgehend“. Ferner greife die Analyse zu kurz, wenn darin die These aufgestellt werde, dass die Endlagerung und die Langzeitsicherheit für eine Million Jahre technisch gelöst seien. Und schließlich berge Atomkraft nach wie vor militärische Risiken.

    Experte Christoph Pistner: Endlager Frage bleibt unbeantwortet

    Auch Christoph Pistner, Bereichsleiter Nukleartechnik & Anlagensicherheit am Darmstädter Öko-Institut, glaubt nicht, dass die Atomkraft eine entscheidende Rolle im Kampf gegen den Klimawandel spielt. Ein Hauptargument, das der Physiker und Nuklearexperte anführt, lautet schlicht: die verbleibende Zeit bis 2050. Pistner sagt: „Wir reden über Vorlaufzeiten von 10 bis 20 Jahren bis Baustart.“ Dann müsse noch gebaut werden. Dazu kommt die Kostenfrage. Denn: „Die großen internationalen Studien sind sich einig, neue Fotovoltaik, neue Windenergie ist einfach wesentlich günstiger, als es heutige Kernkraftwerke sind. Und es ist auch nicht abzusehen, dass sich an diesem Trend etwas ändern wird.“ Außerdem bleibe die Kernkraft eine Risikotechnologie. Die Endlager-Frage für hoch radioaktiven Müll bleibt - nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Ländern - nach wie vor unbeantwortet.

    Und mit Blick auf die Debatte in der Europäischen Union sagt der Experte: „Die Behauptung, dass die Kernenergie keinen erheblichen Schaden verursache und daher als ,nachhaltige‘ Technologie zur Bekämpfung des Klimawandels durch die EU gefördert werden könne, ist – wie eine aktuelle Analyse des Öko-Instituts zeigt – nicht zulässig. Allein wenn man das Risiko schwerer Unfälle betrachtet, wird deutlich, dass ein „signifikanter Schaden“ nicht ausgeschlossen werden und die Kernenergie deshalb nicht als „nachhaltig“ eingestuft werden kann.“

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