Wummernde Bässe tönen durch die riesige Ausstellungshalle, ein Rapper und drei Tänzerinnen in Minirock und Netzstrumpfhosen geben ihr Bestes. Doch das Publikum will eigentlich anderes sehen. Die blitzblank polierten SUVs gleich daneben etwa, riesig wie Straßenpanzer, frisch lackiert in Minzgrün und Knallrot. Es herrscht Feierstimmung auf der Automesse in Peking, die am Samstag gestartet ist. Allein dass sie als einzige Branchenshow im Corona-Jahr stattfindet und rund 80 Marken auf 200.000 Quadratmetern ihre neuesten Innovationen präsentieren können, ist ein Sieg über die Virus-Pandemie.
Doch in China registrieren die Gesundheitsbehörden derzeit kaum mehr Neuansteckungen – Peking gilt seit über 50 Tagen als virusfrei. Natürlich gelten dennoch strenge Regeln: Rein darf nur, wer die Kontrolle an einer Kamera mit Gesichtserkennungssoftware passiert. Dann muss der „Gesundheits-Code“ auf dem Smartphone gescannt werden, der nachweist, dass man während der letzten 14 Tage in kein Risikogebiet gereist ist. Maskenpflicht gilt ebenfalls, doch bei manch einem Besucher bleibt der Schutz nach der Zigarettenpause oder dem Mittagessen unterm Kinn.
Elektroautos sind die Stars der Messe
Zählte Deutsch in den letzten Jahren noch zu einer Art inoffiziellen Amtssprache auf den Gängen, sind 2020 praktisch keine Ausländer mehr zu sehen. Die allermeisten Vorstände aus Europa haben die Anreise nach China ausgelassen, wahrscheinlich, um sich die zweiwöchige Pflichtquarantäne in einem staatlich zugewiesenen Hotelzimmer zu ersparen. Dabei gäbe es endlich wieder gute Nachrichten für sie. Während die Branche in Europa und den Vereinigten Staaten nach wie vor massiv leidet, ist China erneut zum Hoffnungsträger der deutschen Autoindustrie geworden. Nach einem kurzen, aber massiven Einbruch von fast 80 Prozent steigen die Absätze nun seit fünf Monaten wieder. Im August zeigten die Fahrzeugverkäufe gar ein sattes Plus von 11,6 Prozent verglichen mit dem Vorjahr. Dabei hat die „goldene Jahreszeit“ für Autokäufe in China gerade erst begonnen.
Im Reich der Mitte erfreuen sich vor allem deutsche Luxuswagen nach wie vor hoher Beliebtheit. Daimler verkauft weltweit mehr als ein Drittel aller S-Klassen im Reich der Mitte, oft sind die Kunden jung, für viele ist es gar der erste Autokauf. Auch Volkswagen setzt rund 40 Prozent aller Autos auf dem chinesischen Markt ab und investiert derzeit zwei Milliarden, um im Bereich Elektro-Mobilität aufzuholen. Das ist auch dringend nötig, wie ein Rundgang über die Schau zeigt. Elektroautos sind die Stars der Messe. In fünf Jahren soll in China ein Viertel der verkauften Autos elektrisch fahren – rund vier Millionen im Jahr. Doch auf dem größten Markt für E-Fahrzeuge der Welt in können die deutschen Hersteller bisher nicht wirklich mithalten, bemängeln Kritiker.
China hat ambitionierte Ziele mit E-Autos
BMW-China-Chef Jochen Goller empfindet die Kritik als „zu harsch“. Die Nachfrage habe sich erst entwickelt, zum ersten Mal gebe es nun einen Markt. BMW biete deswegen jetzt auch jedes seiner neuen Modelle nicht nur als Benziner, sondern auch elektrisch an. Diese Woche startet in China die Produktion des elektrischen Stadtgeländewagens iX3, den BMW wie auch das Konzeptauto i4 auf der Messe erstmals präsentiert. Warnungen über eine zu große Abhängigkeit vom weltgrößten Automarkt in China wies Goller zurück: „Es ist keine Option, in China nicht zu wachsen.“ Der Markt in Europa sei für BMW zudem „weit größer“ als der in China.
Die chinesische Konkurrenz setzt ganz auf Elektroautos. BYD, Geely und Dongfeng heißen die Marken, von denen in Europa nur die wenigsten je gehört haben – zumindest noch. In Sachen Design und technischer Ausstattung haben sie gegenüber den etablierten Marken stark aufgeholt. Angetrieben durch großzügige Kaufanreize und staatlicher Investitionen in die technische Infrastruktur hat sich die Volksrepublik mit ihnen zum größten Produzenten – aber auch zum größten Markt für Elektroautos entwickelt. Über die Hälfte aller mit Strom betriebenen Fahrzeuge fahren in China. Die Ziele für die nächsten Jahre sind ambitioniert: Bis 2025 plant die chinesische Regierung, dass Fahrzeuge mit alternativem Antrieb schon mindestens 15 Prozent des Gesamtmarktes ausmachen werden. (mit dpa)
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