Es gab eine Zeit, in der sich Dirk Roßmann und Götz Werner sehr nahe standen. Als der eine in Hannover den ersten Drogeriemarkt Deutschlands eröffnete, bekam er Besuch von einem jungen Mann, der sich für das neuartige Konzept interessierte. Roßmann zeigte Werner seinen Laden, die beiden Männer wurden Freunde, fuhren sogar gemeinsam in den Urlaub. In den Jahren darauf vergrößerten beide ihr Drogerie-Imperium: Roßmann eroberte mit seinen Filialen den Norden des Landes, Werner breitete sich mit seinen dm-Geschäften im Süden aus.
Heute ist diese Revier-Aufteilung schon lange Geschichte, genauso wie die enge Freundschaft der beiden Drogerie-Pioniere. „Es hat sich ein bisschen auseinandergelebt“, sagte Roßmann kürzlich dem Magazin Bilanz. „Wir wurden in den vergangenen 20 Jahren immer mehr zu Wettbewerbern.“
Kampf um die Kunden: Immer neue Niedrigpreise in Drogerien
Das ist fast ein wenig untertrieben. Denn in der Drogeriebranche tobt ein erbitterter Kampf um Kunden und Marktanteile. Seit der Pleite des einstigen Marktführers Schlecker vor fünf Jahren haben sich vor allem dm und Rossmann in die freigewordene Lücke gedrängt, eröffneten hunderte neuer Märkte. Heute hat Rossmann 2055 Filialen, dahinter folgt dm mit 1825 Geschäften. In den Innenstädten einiger Metropolen finden Kunden alle 130 Meter einen Drogeriemarkt. Beim Umsatz liegt dm allerdings vorne: 2016 setzte das Unternehmen 7,5 Milliarden Euro um, Rossmann kam auf 6,1 Milliarden. Damit teilen die beiden Riesen den Markt unter sich auf, erst weit dahinter folgen kleinere Ketten wie Müller.
Der Kampf um die Kuungen, 25nden äußert sich in immer neuen Niedrigpreisen – und in teils grotesken Aktionen der Konkurrenten. So schickt dm seine Mitarbeiter regelmäßig auf Schnäppchentouren durch die Filialen der Mitbewerber. Einer Rossmann-Kassiererin im nordrhein-westfälischen Bedburg platzte jüngst der Kragen, als eine dm-Mitarbeiterin 75 Shampoo-Pack Mundwasser-Flaschen und 28 Tüten Waschmittel aus dem Laden tragen wollte. „Diese Kundin bekommt hier nichts“, soll sie durch den Laden gerufen haben.
Der Druck in der Branche dürfte künftig noch größer werden. Denn auch Amazon und Edeka wollen dort künftig mitmischen. Die Supermarktkette hat sich mit dem Drogerie-Konzern Budnikowsky zusammengetan, der seine 182 Filialen vor allem in Hamburg und Umgebung betreibt. Wie das Konzept aussehen soll, mit dem Edeka Rossmann und dm den Kampf ansagt, steht noch nicht fest. Handelsexperte Wolfgang Adlwarth glaubt, dass der Konzern vor allem auf ein sogenanntes Shop-in-Shop-Modell setzen wird, also auf Drogerie-Läden innerhalb der Edeka-Filialen. „Wenn ich die Leute schon im Laden habe, dann will ich ihnen auch Drogerieartikel verkaufen“, sagt der Fachmann der Gesellschaft für Konsumforschung. Denn bei Kosmetik & Co. würden Edeka, Rewe und andere Konzerne noch deutlich hinterherhinken. Während im Lebensmittelbereich etwa ein Drittel des Umsatzes in den großen Supermärkten gemacht wird, haben sie bei Körperpflege und Kosmetik nur etwa sechs Prozent Marktanteil. „Da sieht man noch große Lücken“, sagt Adlwarth.
Neue Konkurrenz: Können Edeka und Amazon im Drogeriegeschäft punkten?
Für Edeka dürfte es aber dennoch schwierig werden, glaubt der Experte. Denn die Konkurrenten haben seiner Ansicht nach mit ihren unterschiedlichen Konzepten ihr Terrain abgesteckt: Rossmann mit seinen Angeboten für Schnäppchen-Jäger, dm mit seinen Artikeln für etwas bewusstere Kunden und Müller als kleines Kaufhaus, das besonders in ländlichen Regionen gut ankommt. Adlwarth geht davon aus, dass Edekas Konzept deshalb vor allem für jene Kunden interessant sein könnte, die schon jetzt hauptsächlich in SB-Warenhäusern wie Real oder Marktkauf einkaufen – also möglichst auf einmal alle Produkte bekommen wollen, die sie brauchen.
Amazon setzt mit seiner Drogerie-Offensive dagegen vor allem auf junge Familien. Wie die Lebensmittel Zeitung berichtet, will der US-Händler zum Jahreswechsel ein Basissortiment an Eigenmarken einführen, unter anderem Babynahrung, Windeln und Körperpflegeprodukte. Daneben sollen auf der Internet-Plattform auch Marken von Aldi und Rossmann angeboten werden, schreibt das Fachblatt. Warum aber geht der Versandhändler diesen Schritt? „Amazon will im Grunde alles handeln, was handelbar ist“, sagt Experte Adlwarth. Und betont, dass Drogerien und Supermärkte den Online-Riesen durchaus ernst nehmen müssen.
Ob sich der Konzern mit seinem Modell durchsetzen wird, muss sich nach Meinung des Experten erst zeigen. Denn Drogerien hätten hierzulande auch einen gewissen Kultcharakter. „Die Verbraucherin“, sagt Adlwarth, „will das gesamte Einkaufserlebnis.“ Und das gebe es nur vor Ort in der Filiale.