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Einzelhandel: Kaufhäuser schließen: Beginnt nun das Sterben der Innenstädte?

Einzelhandel

Kaufhäuser schließen: Beginnt nun das Sterben der Innenstädte?

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    Galeria Karstadt Kaufhof will bis zu 80 Häuser schließen.
    Galeria Karstadt Kaufhof will bis zu 80 Häuser schließen. Foto: Paul Zinken, dpa (Symbol)

    Gerade erst sind die Beschränkungen für den Handel gefallen. Als Letztes durften in Bayern auch Warenhäuser, Einkaufszentren und Geschäfte mit mehr als 800 Quadratmetern Verkaufsfläche öffnen. Doch statt endlich wieder positive Nachrichten zu hören, mussten die ohnehin verunsicherten Beschäftigten im Handel gleich die nächste Hiobsbotschaft verkraften: Bis zu 80 ihrer derzeit noch gut 170 Filialen will die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof schließen. So steht es im ersten Entwurf eines Sanierungskonzepts, der Ende vergangener Woche durchgesickert ist.

    Auch 20 der 30 Filialen von Karstadt Sports stehen demnach vor dem Aus. Ebenso 100 von 130 Filialen der Tochterfirma Atrys, die alle Reisebüros von Galeria betreibt. Das berichtete am Wochenende der Kölner Stadt-Anzeiger unter Berufung auf einen Unternehmens-Insider. Bestätigt sich nun, wovon der Handel schon seit Wochen warnt? Ist der Niedergang der Innenstädte noch aufzuhalten?

    Der Deutsche Städtetag beobachtet die Entwicklungen jedenfalls mit großer Sorge. „Trotz aller Umwälzungen durch den Internethandel und die Folgen der Corona-Krise sind die traditionsreichen Kaufhäuser dieses Handelsunternehmens wichtige Arbeitgeber und Versorgungszentren vor Ort“, sagt Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. Sie zögen Menschen in Innenstädte und nutzten damit auch dem Einzelhandel in ihrem Umfeld. Wenn Häuser tatsächlich nicht weitergeführt werden könnten, seien rasche Gespräche des Unternehmens mit den Städten über eine künftige Nutzung nötig. Es gehe darum, Strategien zu entwickeln, um negative Auswirkungen abzumildern.

    Ein Drittel der Menschen rechnet mit finanziellen Einbußen

    Doch die geplante Radikalkur bei Galeria dürfte nicht der letzte Tiefschlag für den Handel bleiben. Das Nürnberger Marktforschungsinstitut GFK hat sich schon Ende April in einer Studie mit dem Titel „Covid-19 Consumer Pulse“ mit den Verhaltens-, Lebensstil- und Stimmungsänderungen der Verbraucher vor dem Hintergrund der Virus-epidemie beschäftigt. Das Ergebnis: Jeder Dritte der 500 Befragten glaubt, dass sich seine finanzielle Situation in den nächsten zwölf Monaten verschlechtern werde. Ein Viertel will auf den geplanten Urlaub verzichten, sieben Prozent wollen den Kauf von Kleidung, Autos und Luxusgütern verschieben.

    GFK-Konsumexperte Rolf Bürkl erklärt, warum die Verbraucher nun ihr Geld zusammenhalten wollen: „Die Menschen sind verunsichert. Momentan ist für viele völlig unklar, wie es für sie weitergehen wird. ‚Verliere ich etwa meinen Arbeitsplatz?‘“ Dies habe dazu geführt, dass die Sparneigung im April sprunghaft angestiegen sei. Dazu beigetragen habe auch, dass durch die Corona-Krise aktuell bereits viele Menschen Einkommenseinbußen durch Kurzarbeit oder Jobverlust verkraften mussten. Bürkl geht davon aus, dass die Verbraucher künftig sparsamer einkaufen werden.

    Harte Zeiten sieht er daher etwa für den Möbelhandel kommen: „In früheren wirtschaftlich schwierigen Phasen, in denen sich Verbraucher schon finanziell einschränken mussten, hat sich gezeigt, dass größere Anschaffungen – wie eine neue Küche –, die verschiebbar sind, entweder vertagt oder vorerst komplett auf Eis gelegt wurden.“ Auch die Bekleidungsbranche, die während der Pandemie schon sehr stark gelitten habe, könnte weiter leiden. Denn mit der vermehrten Heimarbeit seien vor allem Arbeits- und Bürokleidung überflüssig geworden. „Und aktuell haben die Geschäfte noch die alte Kollektion im Lager, die neue ist aber schon im Anmarsch.“ Axel Augustin vom Handelsverband Textil geht davon aus, dass die Umsätze in der Modebranche in dieser Woche 20 bis 30 Prozent niedriger sein dürften als normalerweise. Wer bereits vor der Corona-Krise Probleme hatte, dürfte solche Rückgänge – wenn überhaupt – ohne harte Einschnitte geschäftlich kaum überleben.

    Jeder zehnte Einzelhändler sieht seine Existenz bedroht

    Die Liste ließe sich fast nach Belieben verlängern. Nach einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) sieht sich jeder zehnte Einzelhändler in Deutschland von Insolvenz bedroht. Von den Anfang Mai befragten 10.000 Firmen berichteten zudem knapp 40 Prozent davon, ihre Investitionen für das laufende Jahr kürzen zu wollen. Zugleich gab ein knappes Drittel der Händler an, so stark von der Krise betroffen zu sein, dass sie Personal abbauen müssten. Die Unternehmen leiden unter der eingebrochenen Nachfrage bei gleichbleibend hohen Kosten. 78 Prozent der Einzelhändler rechnen mit einem Umsatzrückgang.

    Und noch ein Trend macht den Innenstädten zu schaffen: Laut GFK haben im April 70 Prozent der Befragten hierzulande online eingekauft. „Einige werden das in der mit der Öffnung des stationären Handels begonnenen dritten Phase sicher wieder aufgeben. Aber selbst wenn nur die Hälfte derjenigen, die jetzt zusätzlich als Online-Käufer dazugekommen sind, dem E-Commerce weiter treu bleibt, gibt das dem Online-Geschäft einen deutlichen Schub“, sagt Bürkl.

    Um Kunden verstärkt an sich zu binden, sieht der Konsumexperte daher eine Doppelstrategie des stationären Handels in Form von Online-Angeboten sowie Einkauf vor Ort als probates Mittel an. Das sei gegenüber dem reinen stationären Handel grundsätzlich von Vorteil – und nicht nur solange, bis es wieder in Richtung Normalität gehe. „Die Menschen sind vielerorts gegenwärtig verängstigt, sich anzustecken. Sie gehen daher auch seltener und gezielter zum Einkaufen“, so Bürkl. Bummeln oder Lustkäufe würden weniger werden. „Außerdem ist das Einkaufserlebnis mit Abstandhalten und Mund-Nasen-Schutz nicht für jeden eine Lust und Freude“, sagt der GFK-Experte.

    Doch selbst wenn ein Impfstoff oder ein Medikament gefunden wird, bleibt für Bürkl die Frage offen, ob die Wirtschaft je wieder das Vorkrisen-Niveau erreicht: „Wir waren die letzten Jahre etwas verwöhnt. Sparen war nicht attraktiv, die Beschäftigung war stabil und die Arbeitslosigkeit gering. Für den Konsum waren das wichtige Impulse. Und der Konsum wiederum spielte eine tragende Rolle für die Wirtschaftsentwicklung.“ Doch die Impulse für den Konsum fehlen nun und das verordnete Einfrieren der Wirtschaft hat die Unternehmen viel Liquidität gekostet. Hilfs- und Konjunkturprogramme können das nicht kompensieren. (mit dpa)

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