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Einzelhandel: Bayerns Handel fordert verkaufsoffene Corona-Sonntage

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Bayerns Handel fordert verkaufsoffene Corona-Sonntage

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    In Einkaufspassagen – wie hier in Augsburg – herrschte am Montag einiger Betrieb.
    In Einkaufspassagen – wie hier in Augsburg – herrschte am Montag einiger Betrieb. Foto: Ulrich Wagner

    Langsam kehrt nach dem Corona-Shutdown Leben in die Innenstädte zurück. In Augsburg beispielsweise suchten am Montag im Modehaus Rübsamen Kunden gezielt nach Kleidung, ein anderer Teil gönnte sich nach harten Wochen etwas Schönes. In der City-Galerie, einer großen Einkaufspassage, hatten wieder fast alle Geschäfte geöffnet, Kunden waren mit der vorgeschriebenen Mund-Nasen-Maske unterwegs. Seit dieser Woche dürfen im Zuge der Lockerungen auch im Freistaat wieder Geschäfte mit über 800 Quadratmetern Verkaufsfläche öffnen. Und doch ist der Handel von einer Rückkehr zur Normalität weit entfernt, sagt Wolfgang Puff, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Bayern.

    Handelsverband Bayern: Corona-Krise sorgt für 40 bis 60 Prozent Umsatzrückgang

    "Wir sind außerordentlich froh, dass die Ungleichheit der Beschränkungen im Handel ein Ende hat", sagte Puff unserer Redaktion. "Jetzt hoffen wir, dass die Kunden langsam wieder kommen und der Konsum anläuft." Trotzdem bleibt die Corona-Epidemie ein einschneidendes Ereignis: "Wir gehen derzeit von 40 bis 60 Prozent Umsatzrückgang im Vergleich zum Vorjahr aus", beschreibt Puff die Situation.

    Und einige Einschränkungen gelten weiter. Kunden müssen in den Läden, wie das Personal, einen Mund-Nase-Schutz tragen. "Ich hoffe, dass sich die Kunden langsam an die Masken gewöhnen", sagt Puff. Dies sei eine Umstellung: "Die Verkäufer sind maskiert, die Kunden sind maskiert", schildert er die Situation. Das Personal trage die Masken aber mit großem Engagement und großer Duldsamkeit. "Über acht Stunden als Verkäuferin und Verkäufer eine Maske zu tragen, ist nicht einfach", sagt Puff.

    Umso weniger Verständnis hat er für Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen, auf denen auch gegen die Maskenpflicht mobil gemacht wird: "Es ist unverantwortlich, wenn auf Demonstrationen die Leute angestachelt werden, ohne Maske in ein Geschäft zu gehen", sagt Puff. Die Masken dienen dazu, andere Bürger vor Infektionen zu schützen. "Es ist jetzt unsere Bürgerpflicht eine Maske zu tragen – und ich bin froh, dass die Kunden dies einsehen."

    Eine App oder Tickets, um ins Geschäft zu kommen?

    Und noch eine Einschränkung gibt es: Pro 20 Quadratmeter Verkaufsfläche darf nur ein Kunde in den Laden. Um die Kundenzahl zu kontrollieren, habe der Handel verschiedene Wege gefunden: Lebensmittelläden beschränken zum Beispiel manchmal die Zahl der Einkaufswagen, größere Warenhäuser mit mehreren Eingängen zählen die Kunden. An den Eingängen stehen Mitarbeiter, die dann auf einer App sehen, wie große die Zahl der Kunden im Laden ist.

    Vom Vorschlag, dass Kunden vorab online Tickets für einen Besuch im Laden lösen müssen, hält Puff dagegen wenig. Diese Lösung hatte unter anderem der Deutsche Industrie- und Handelskammertag ins Spiel gebracht. Für Puff passen Termine nicht zum Einkaufsverhalten der Kunden in der Breite der Branche: Im Einzelhandel finden viele Spontankäufe statt. Kunden bummeln, lassen sich beraten, greifen dann zu, zum Beispiel bei einem Kleidungsstück. "Hier will sich keiner an einen Termin binden", gibt er zu bedenken.

    Kostenlose Apps wollen den Menschen eine Orientierung bieten, wann in der Corona-Krise das Einkaufen möglichst stressfrei möglich ist. Denn wie viel Schutz ist noch gegeben, wenn sehr viele Menschen zu einer bestimmten Zeit ein Geschäft aufsuchen? Um vor überfüllten Läden zu warnen, nutzen die Apps Daten über die Zahl der Kunden, die gerade das Geschäft besuchen – unter anderem auch solche Daten, die von den Verkäufern in die Software eingepflegt werden.

    Wolfgang Puff ist Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Bayern.
    Wolfgang Puff ist Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Bayern. Foto: Ulrich Wagner

    Doch die Begeisterung bei den Händlern über solche Apps hält sich in Grenzen. In den Geschäften der Elektronikkette Mediamarkt wird die Zahl der Kunden laut Sprecherin Eva Simmelbauer aktuell analog überprüft. "Wir nutzen eine pragmatische Lösung", sagt sie. So sei jede Filiale mit einer berechneten Zahl von Einkaufskörben ausgestattet: "Sind alle im Einsatz, kommt keiner mehr ins Geschäft."

    Auf konventionelle Zählsysteme setzt auch die Modekette Rübsamen. Hier wird beispielsweise eine bestimmte Anzahl kleiner Bälle an die Kunden verteilt, berichtet Geschäftsführer Marcus Vorwohlt. Und selbst das sei nicht immer nötig: "Wir kennen natürlich die Auflagen, aber teilweise sind wir von den maximalen Kundenzahlen so weit entfernt, da ist eine Kontrolle überflüssig." Das funktioniere in der Form sehr gut, sagt Vorwohlt: "Falls es kritisch wird, ändern wir das natürlich umgehend."

    Der Rübsamen-Chef hält Apps, die die Kunden zählen, für nicht sonderlich nützlich: "Generell müssen wir uns überlegen, ob die Leute eine solche App überhaupt wollen. Wir müssen uns die Frage nach dem Kundennutzen stellen." Und dieser, sagt Vorwohlt, sei hier nicht gegeben. Die Corona-Krise könnte dennoch die technischen Entwicklungen beschleunigen, erwartet er: "In der Modebranche wird das Personal-Shopping immer wichtiger." Künftige Apps, so Vorwohlt, könnten demnach die intensive Beratung und Terminabsprache mit den Kunden erleichtern, statt diese lediglich zu zählen. An einer solchen arbeitet auch Rübsamen.

    Wolfgang Puff: "Es wird Insolvenzen im Handel geben"

    Handelsverbands-Chef Puff warnt indes vor der Vorstellung, dass der Handel das Schlimmste schon hinter sich haben könnte. "Der Schaden für den Einzelhandel wird sich erst Ende 2020, wenn nicht gar im Jahr 2021 erweisen." Bisher leben die Firmen aus der Substanz, überbrücken die Umsatzverluste mit Notkrediten und Hilfen des Staates. "Bald aber muss die neue Ware bezahlt werden, die Mietzahlungen stehen wieder an", schildert er die Lage eines typischen Händlers.

    Die Verbraucher müssten in Zeiten von Kurzarbeit und Unsicherheit am Arbeitsmarkt erst wieder Mut fassen, Geld auszugeben. "Die Corona-Epidemie wird den Einzelhandel dieses und nächstes Jahr gewaltig belasten", ist sich Puff sicher. Gerade der Modehandel hat es nicht leicht. "Es wird auch Insolvenzen im Handel geben. Wie es Tote durch Corona gibt, wird es Tote im Einzelhandel geben", lauten seine drastischen Worte.

    Um die Situation aufzuhellen, schlägt er mehr verkaufsoffene Sonntage vor. "Allen wäre gedient, wenn man aus Anlass der Corona-Krise einen verkaufsoffenen Sonntag anmelden dürfte, ohne sich mit Gerichtsverfahren auseinandersetzen zu müssen, wie es zuletzt häufig der Fall war", sagt Puff.

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