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Corona-Krise: Einkaufen, bitte: Die Mittelschicht soll Chinas Wirtschaft retten

Corona-Krise

Einkaufen, bitte: Die Mittelschicht soll Chinas Wirtschaft retten

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    Der Konsum in China braucht länger als erhofft für die Erholung.
    Der Konsum in China braucht länger als erhofft für die Erholung. Foto: Mark Schiefelbein, dpa

    Chinas kommunistische Führung ist geübt in Massenkampagnen. Doch derzeit scheint die chinesische Führung nur begrenzt kampagnenfähig zu sein. Ihren Aufrufen, doch wieder mehr zu konsumieren, kommen die Bürger kaum nach. Und nicht einmal die großzügige Vergabe von Konsumgutscheinen führt zum gewünschten Ziel. Die Kauflaune in China bleibt mau.

    Die Führung in Peking reagierte auf den Ausbruch des Coronavirus zunächst verzögert, ab der zweiten Januarhälfte dann umso drastischer. Weite Teile des Landes waren über Wochen stillgelegt. Mit verheerenden Folgen für den Einzelhandel. Um mehr als 20 Prozent brachen die Umsätze in den ersten beiden Monaten des Jahres ein. Im März lag das Minus bei 15,8 Prozent. Obwohl die meisten Geschäfte seit Mitte März wieder öffnen dürfen, bleibt die Nachfrage nach Gütern wie Kleider, Möbel und Haushaltsgeräte weiter schwach. Nach Angaben des chinesischen Statistikamts lagen die Einzelhandelsumsätze auch im April um rund 7,5 Prozent niedriger als im Vergleich zum Vorjahr. Üblich war in den Jahren zuvor stets ein Anstieg um rund acht Prozent. Von einem „gewaltigen Schock“ spricht Chinas Handelsminister Zhong Shan, den der Virusausbruch für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes zur Folge habe.

    Chinas Einzelhandelsmarkt war 2019 der mit Abstand größte der Welt

    Kaufen, kaufen, kaufen – das schien bis vor kurzem die größte Freude für Chinas aufstrebende Mittelschicht zu sein. Weltweit hatte sich herumgesprochen, wie spendierfreudig chinesische Verbraucher sind. Mit einem Umsatz von umgerechnet 5300 Milliarden Euro war China im vergangenen Jahr mit Abstand der größte Einzelhandelsmarkt der Welt – nicht zuletzt auch für die Luxusindustrie. Bis zum Jahr 2025 dürften Chinesinnen und Chinesen für rund 40 Prozent des globalen Luxuskonsums verantwortlich sein, prognostizierte die Beratungsfirma McKinsey – vor der Krise. Doch auch die chinesische Führung hat auf die heimischen Verbraucher gesetzt. Nach der Schwächung der Exportindustrie durch den Handelskrieg mit den USA, wollte Peking seine wirtschaftliche Abhängigkeit vom Ausland reduzieren und den Binnenkonsum stärken.

    Das Kalkül ging zunächst durchaus auf: Er trug im vergangenen Jahr zu knapp 60 Prozent des chinesischen Wachstums bei. Nun aber stottert Chinas wichtigster Wachstumsmotor nicht nur. Der Absturz des Konsums droht auch alle anderen Industriezweige in den Abgrund zu reißen. Um 6,8 Prozent ist Chinas Wirtschaftsleistung im ersten Quartal wegen der Corona-Pandemie geschrumpft. Seit der Öffnung der Volksrepublik vor 40 Jahren hat es keinen so heftigen Absturz gegeben. Doch zumindest in einigen Branchen hellten sich die Zahlen zuletzt auf. Die meisten Fabriken liefen an, die Bauwirtschaft legte im April leicht zu, ebenso der Maschinen- und Anlagenbau. Chinas Digitalwirtschaft wächst sogar kräftig.

    Auch die in China ansässigen deutschen Autobauer berichten von einer Erholung. Volkswagen hat eigenen Angaben zufolge zuletzt auf seinem wichtigsten Auslandsmarkt sogar mehr Autos verkauft als ein Jahr zuvor. Als Grund nannte VW-Chef Herbert Diess, dass viele Chinesen den öffentlichen Nahverkehr meiden würden, um eine mögliche Corona-Infektion umgehen. Sechs von zehn Kunden, die im April in China einen VW kauften, haben erstmals ein Auto gekauft.

    Die Gefahr, sich in China mit Corona zu infizieren, ist offiziell sehr gering 

    Und nicht zuletzt der Staat hat seine Investitionen in die Infrastruktur stark erhöht. Doch diese Form der Staatshilfe droht zu verpuffen, sollten die Verbraucher sich beim Konsum weiter zurückhalten. Schon häufen sich Berichte, dass Fabriken wegen fehlender Nachfrage ihre Produktionen wieder zurückfahren müssen. Die Gefahr, in China derzeit an Covid-19 zu erkranken, ist zumindest den offiziellen Zahlen zufolge eher gering. Die Zahl der täglichen Neuinfizierten liegt landesweit im einstelligen Bereich. Längst sind daher nicht nur Läden, Restaurants und Hotels wieder offen. Auch Freizeiteinrichtungen wie Kinos, Fitnessstudios und Museen sind wieder geöffnet. Ein Problem bleibt aber: Sie müssen strenge Hygienevorschriften einhalten. Hinzu kommen Temperaturtests an den Eingängen sowie eine Begrenzung der Kundenzahl zur Einhaltung der Abstandsregeln.

    Das mindert die Konsumlust, vermuten Ökonomen. Rosealea Yao vom Pekinger Analysehaus Gavekal Dragonomics verweist zudem auf wiederkehrende lokale Ausbrüche des Virus. Unlängst etwa musste die Millionenstadt Jilin im Nordosten Chinas abgeriegelt werden, weil sich die Fälle dort wieder gehäuft haben. Bis es einen Impfstoff gibt, ist auch in China die Furcht vor weiteren Epidemiewellen groß. Auch deswegen bleiben viele Menschen weiter zu Hause. Doch auch das Konsumverhalten könnte sich im Zuge der Pandemie in China verändert haben. Die Southwestern University of Finance and Economics in Chengdu hat mehr als 28.000 chinesische Haushalte befragt. Mehr als die Hälfte wollte angesichts der unsicheren Zeiten mehr sparen.

    „Der Lockdown gab den Verbrauchern viel Zeit, darüber nachzudenken und zu überlegen, was für sie wichtig ist“, sagt Mark Tanner, Geschäftsführer der Schanghaier Marketingberatung China Skinny. Er verweist auf den chinesischen Hashtag #???, der sinngemäß bedeutet „Entsorgen Sie Ihr Zeug“ und in den vergangenen Wochen in den sozialen Medien mehr als 140 Millionen Mal verwendet wurde. Einen Umsatzrekord verzeichnete auch Idle Fish, Chinas größte Website für Second-Hand-Waren. Das ist zwar auch Konsum, aber wohl nicht der von Chinas Führung erwünschte.

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