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EU-Gipfel: Alle für einen

EU-Gipfel

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    Brüssel Bevor die 27 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union am Abend die Hand für das Euro-Rettungspaket heben konnten, hatte die Schuldenkrise sie mit voller Wucht eingeholt. In der Nacht zuvor war der portugiesische Ministerpräsident José Socrates zurückgetreten, weil sein Sparpaket im Parlament abgeschmettert wurde. Lissabons Flucht unter den Rettungsschirm dürfte nur noch eine Frage von Tagen sein. Die Risikozuschläge für Staatsanleihen schnellten gestern auf 7,9 Prozent. Frisches Geld für den Staat wurde damit quasi unbezahlbar. Gleichzeitig zogen auch die Aufschläge für irische Papiere auf über zehn Prozent an – eine Quittung für Dublins Sturheit in der Euro-Familie, die von der neuen Regierung höhere Körperschaftssteuern verlangt, um dem Steuerparadies Irland ein Ende zu bereiten. Doch bisher sagt Premier Enda Kenny Nein.

    „Wir hätten uns einen besseren Start für diesen Gipfel gewünscht“, hieß es aus der deutschen Delegation. Zumal Bundeskanzlerin Angela Merkel am Morgen im Bundestag noch einmal das Euro-Paket aus aufgewertetem Rettungsschirm (440 Milliarden) und dauerhaftem Krisenmechanismus (700 Milliarden) plus verstärkter wirtschaftlicher Zusammenarbeit als Instrument gewürdigt hatte, um „den Euro und Europa dauerhaft zukunftsfähig zu machen“.

    Das Nicht-Euro-Land Schweden überraschte mit der Ankündigung, man werde „von Fall zu Fall“ einen Beitrag zu den Rettungsbemühungen leisten. Auch Großbritannien beteiligt sich mit acht Milliarden an den Stützungsmaßnahmen für Irland. Am Abend versprachen sechs weitere Mitgliedstaaten, die der Gemeinschaftswährung nicht angehören, dem Pakt beizutreten. „Wir tun wirklich einen großen Schritt aufeinander zu und sagen deutlich: Diese Gemeinschaft steht und wird auch halten“, sagte ein hochrangiger österreichischer Diplomat.

    Das wollen die 27 Regierungen schon im kommenden Monat unter Beweis stellen. Dann nämlich müssen sie ihre Etatzahlen für das kommende Jahr erstmals der Kommission zur Prüfung vorlegen. Diese will die Daten auf Wettbewerbsfähigkeit und Schuldenabbau hin überprüfen und notfalls Empfehlungen aussprechen. Werden diese nicht befolgt, drohen Strafen.

    Es ist der erste Schritt der gestern beschlossenen, erweiterten wirtschaftlichen Zusammenarbeit, die von der einstigen Idee einer Wirtschaftsregierung übrig geblieben ist. Dennoch spricht man in Brüssel von einem historischen Schritt. Zum ersten Mal seit seiner Einführung 1999 beziehungsweise 2002 als Währung für alle wird der Euro einer Generalüberholung unterzogen.

    Dennoch sind die Anleger skeptisch. Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Thomas Mayer sagte: „Bislang haben wir nur Übergangslösungen, und das spüren auch die Märkte.“ Kritiker bemängeln, dass es den Unterhändlern der Staats- und Regierungschefs in den vergangenen Wochen nicht gelungen ist, strikte Regeln für eine engere ökonomische Abstimmung unter den Hauptstädten zu installieren.

    Statt zentraler Leitung oder zumindest verbindlicher Vereinbarungen über Lohnentwicklung oder Sozialstandards hat man sich lediglich auf rechtlich nicht bindende Absprachen verständigen können. „Zu wenig“, heißt es auch aus den Führungsetagen der Kommission.

    Zur Begleitmusik dieses EU-Gipfels gehörte eine Großdemonstration der europäischen Gewerkschaften, zu der fast 20000 Teilnehmer aus mehreren Mitgliedstaaten angereist waren. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy versicherte den Arbeitnehmervertretern bei einem Gespräch, Europa werde trotz der anhaltenden Finanzkrise an seinen sozialen Zielen festhalten.

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