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E-Mobilität: So fährt es sich im elektrischen Postauto

E-Mobilität

So fährt es sich im elektrischen Postauto

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    So sehen sie aus, die "Streetscooter" der Post. Die Elekto-Autos baut das Unternehmen in Eigenregie.
    So sehen sie aus, die "Streetscooter" der Post. Die Elekto-Autos baut das Unternehmen in Eigenregie. Foto: Deutsche Post AG

    „Hoch auf dem gelben Wagen“, heißt es in einem deutschen Volkslied, das von der Fahrt in einer Postkutsche handelt. Das war früher. Heute heißen Postkutschen Streetscooter, Straßenroller, und kommen auch anders als die derzeitigen Lieferautos ohne Verbrennungsmotor aus – denn: sie laufen rein elektrisch. Mit ihren selbst gebauten Lieferwagen will die Post ihre komplette, 45.000 Fahrzeuge große Zustellflotte fit für die Zukunft machen.

    Der neue Lieferwagen der Post rollt wie von einem unsichtbaren Band gezogen über die Straßen im mittelfränkischen Lauf an der Pegnitz. Das Fahrzeug hält an, Zusteller Jürgen Merkl springt raus, gibt ein Päckchen beim Kunden ab und steigt wieder ein. Beim Tritt aufs Gaspedal bleibt es ruhig. Wo früher ein Dieselmotor bollerte, setzt ein summender Elektroantrieb das Lieferfahrzeug fast lautlos in Bewegung. Für Merkl, der beim Post-Zustellstützpunkt in Lauf arbeitet, ein Pluspunkt: „Ohne die lauten Motorengeräusche ist die Arbeit angenehmer, außerdem fällt der stinkende Dieselgeruch weg.“

    Bis Jahresende bayernweit 350 "Streetscooter"

    Seit Juni wird die Fahrzeugflotte des Post-Zustellstützpunkts Lauf mit Streetscootern bestückt. Zehn sind es bisher, sechs weitere sind geplant – die Ladesäulen dafür stehen schon. Bayernweit sollen bis Ende des Jahres 350 Streetscooter im Einsatz sein, ab diesem Herbst unter anderem auch in der Niederlassung Augsburg. Deutschlandweit sind bereits 1000 Streetscooter unterwegs, langfristig will der weltweit führende Post- und Logistikkonzern alle 45.000 Fahrzeuge seiner Zustellflotte durch selbst gebaute Elektroautos ersetzen.

    Der Streetscooter ist kein Kandidat für Schönheitspreise, er ist vor allem eines: praktisch. Großes Ladevolumen, eine Seiten- und Rückfahrkamera sowie eine Sitzheizung für den Winter – das sind die wesentlichen Highlights. Im Innenraum dominiert Hartplastik und eine Lüftung, die eine erhebliche Lautstärke aufweist. Immerhin: Die Geschwindigkeitsanzeige leuchtet in Form eines runden Digitaltachos und zeigt, wessen Geistes Kind der Streetscooter ist: Hier stehen die Zeichen auf E-Mobilität.

    Entstanden ist die Idee eines posteigenen Elektroautos aus der Not heraus. Auf der Suche nach einem geeigneten Hersteller wurde das Unternehmen bei keinem der großen Automobilkonzerne fündig. „Es gab schlicht keinen Hersteller, der einen entsprechenden Lieferwagen produzieren konnte oder wollte“, sagt Carolin Gruber, Sprecherin der Post. Dabei hatte der Automobilkonzern VW in den Jahren 2010/2011 bereits einen elektrisch angetriebenen Lieferwagen für die Post entwickelt. Das Projekt wurde vom Umweltministerium gefördert, allein: Eine Serienproduktion kam nie zustande.

    Prototyp schon 2012 vorgestellt

    Die Post ließ nicht locker und wurde auf das Start-up-Unternehmen Streetscooter aufmerksam, das an der Rheinisch-Westfälischen Hochschule in Aachen Elektrofahrzeuge entwickelte. Nach ersten Sondierungsgesprächen begann noch im Jahr 2011 die Entwicklung eines Elektrofahrzeugs, das auf die Bedürfnisse der Post zugeschnitten war. Ein Jahr später wurde der erste Prototyp vorgestellt, eine Vorserie kam 2013 zum Einsatz. 2014 schließlich übernahm die Deutsche Post DHL Group die Streetscooter GmbH und baut seither Elektroautos in Eigenregie.

    Post-Vorstand Jürgen Gerdes will mit seinen Lieferwagen ein ganz großes Rad drehen: „Mit unseren Streetscootern realisieren wir das bislang größte E-Mobilitätsprojekt in Deutschland“, sagt er. Bis zum Jahr 2020 will der Konzern seinen CO2-Ausstoß gegenüber 2007 um 30 Prozent senken. Mit den Streetscootern spart die Post pro Jahr und Auto drei Tonnen CO2. „Klimaschutz ist ein entscheidendes Thema – nicht nur für die ferne Zukunft, sondern für das Hier und Jetzt“, betont Gerdes.

    Der große Praxistest steht allerdings noch aus, gibt Zusteller Merkl zu bedenken: „Das Weihnachtsgeschäft wird die Bewährungsprobe: Dann zeigt sich, was das Auto kann.“ Funktionieren die Schiebetüren? Wird es richtig warm? Und vor allem: hält die Batterie? Der derzeit verbaute Lithium-Ionen Akku bietet eine Reichweite von 80 Kilometern, eine Spitzengeschwindigkeit von 80 Stundenkilometern und braucht sieben Stunden, bis er geladen ist. Was wenig spektakulär klingt, ist für den Posteinsatz ausreichend. „Für die täglichen Touren in ländlichen Gebieten oder kleineren Städten reicht die Batterieleistung aus und über Nacht kann das Auto an die Ladestation“, sagt der stellvertretende Leiter des Zustellstützpunkts Lauf, Peter Grellner.

    Die Nachfrage ist groß

    Zusteller Jürgen Merkl hat weitere Verbesserungsvorschläge: „Was fehlt, ist beispielsweise eine akustische Rückfahrhilfe und eine Parkstellung am Schalthebel.“ Das Auto fährt sich wie ein Fahrzeug mit Automatikgetriebe, nur müssen die Zusteller bisher noch bei jedem ihrer täglich bis zu 300 Stopps die Handbremse ziehen.

    Das fehlende Motorengeräusch, das Merkl lobt, kann für andere zum Problem werden. Nämlich dann, wenn sie den Lieferwagen nicht hören. „Wir hatten bereits den Fall, dass eine Katze regungslos auf der Straße liegen blieb, schlicht weil sie das Auto nicht kommen hörte“, sagt Stützpunkt-Leiter Grellner. Im Oktober sollen daher Zusteller aus ganz Deutschland in Aachen zusammenkommen und Verbesserungsvorschläge machen.

    Die Nachfrage nach dem neuen Kastenwagen ist groß – auch von privater Seite: „Handwerksbetriebe, kleine Unternehmen oder Lieferbetriebe mit kurzen Wegen haben schon Interesse angemeldet“, sagt Post-Sprecherin Gruber. Ab 2017 will die Post jährlich 10.000 Streetscooter produzieren und auch an Dritte verkaufen. Auf der Internationalen Automobilausstellung für Nutzfahrzeuge in Hannover präsentierte das Unternehmen kürzlich ein neues Modell. Im Vergleich zum Vorgänger ist die Ladekapazität doppelt so groß und bietet jetzt Platz für bis zu 150 Pakete. Dazu kommen ein stärkerer Motor und eine neue Batterie mit einer Reichweite von bis zu 100 Kilometern. Bis Ende des Jahres sollen deutschlandweit mehr als 170 der neuen Modelle auf den Straßen im Einsatz sein.

    VW ärgert sich ob der verpassten Chance

    Der Alleingang der Post, die mit ihrer großen Fahrzeugflotte ein begehrter Kunde der Automobilhersteller ist, sorgt beim bisherigen Haus- und Hoflieferanten Volkswagen für Verstimmung. VW-Chef Matthias Müller sagte im Klub Hamburger Wirtschaftsjournalisten, es ärgere ihn „maßlos“, dass die Post mit dem Streetscooter einen eigenen Elektro-Transporter baut und er frage sich, warum man so etwas nicht mit VW auf die Beine stelle, berichtet die Wirtschaftswoche. Die Chance war 2011 da.

    Zusteller Jürgen Merkl kann das egal sein. Er steigt in sein neues Gefährt und drückt aufs Gaspedal – seine Kunden warten. Die Straße hat er genau im Blick. Denn hinter jeder Kurve könnte eine Katze lauern, die ihn nicht kommen hört.

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