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Drogeriemarkt: Anton Schlecker vor Gericht: Was ist zu erwarten?

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Anton Schlecker vor Gericht: Was ist zu erwarten?

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    Der ehemalige Drogeriekettenbesitzer Anton Schlecker kommt zu Beginn des Prozesses ins Landgericht in Stuttgart Baden-Württemberg.
    Der ehemalige Drogeriekettenbesitzer Anton Schlecker kommt zu Beginn des Prozesses ins Landgericht in Stuttgart Baden-Württemberg. Foto: Bernd Weissbrod/dpa

    Es war eine der aufsehenerregendsten Firmenpleiten der vergangenen Jahre. 2012 musste die Drogeriemarkt-Kette Schlecker Insolvenz anmelden, mehr als 25 000 Mitarbeiter in Deutschland verloren ihren Job. Am Montag beginnt der Prozess gegen Anton

    Allein schon die Anwesenheit des Firmenpatriarchen ist eine kleine Sensation. Denn Schlecker meidet die Öffentlichkeit seit Jahrzehnten. Vor Gericht muss er allerdings persönlich erscheinen. "Nach der Strafprozessordnung muss grundsätzlich in Anwesenheit des Angeklagten verhandelt werden", sagt eine Gerichtssprecherin.

    Vorsätzlicher Bankrott: Schlecker soll Millionen beiseite geschafft haben

    Die Staatsanwaltschaft wirft Anton Schlecker vorsätzlichen Bankrott vor. In insgesamt 36 Fällen soll er Vermögenswerte zur Seite geschafft zu haben, die eigentlich in die Insolvenzmasse gehörten, aus der Gläubiger bedient werden sollen. Außerdem soll er falsche Angaben in den Bilanzen des Drogerie-Imperiums gemacht haben.

    Seine Frau Christa und die beiden Kinder Meike und Lars sitzen wegen möglicher Beihilfe zum Bankrott auf der Anklagebank. Schleckers Sohn und Tochter müssen sich zudem zu Vorwürfen der Insolvenzverschleppung und Untreue einlassen. Sie sollen das Logistikunternehmen LDG als faktische Geschäftsführer um mehrere Millionen Euro geschädigt haben. Darüber hinaus stehen zwei Wirtschaftsprüfer vor Gericht.

    "Was den Fall ungewöhnlich macht, ist die Dimension", sagt der Jura-Professor Matthias Jahn von der Universität Frankfurt. "Die Anklageschrift umfasst 270 Seiten." Das allein sei schon ein Indiz dafür, dass es sehr kompliziert sei. Auch die 26 Termine, die das Landgericht bis Oktober zunächst anberaumt hat, deuteten darauf hin, dass es ein komplexes Verfahren werde.

    Anton Schlecker agierte formal als "eingetragener Kaufmann" (e.K.). Dank dieser Rechtsform konnte er viel Geheimniskrämerei um sein Firmengeflecht betreiben. Doch am Ende haftete er auch mit seinem kompletten Privatvermögen für alle Schulden.

    Im Fall Schlecker geht es um mehr als die Insolvenz

    Es ist nicht selten, dass im Anschluss an Firmenpleiten über Insolvenzverschleppung gestritten wird. Schätzungen gehen dahin, dass 50 bis 80 Prozent aller Unternehmenszusammenbrüche durch Insolvenzstraftaten begleitet werden. Auch die Idee, vor einer drohenden Insolvenz Vermögen an Familienmitglieder zu verschieben, ist nicht selten. "Es geht dann meistens um eine Schenkungsanfechtung", erklärt Georg Bitter von der Universität Mannheim.

    Der fragliche Paragraf in der Insolvenzordnung hat allerdings einen Pferdefuß. Es geht nur um Leistungen, die vier Jahre vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden. Im Fall von Schlecker könnte aber noch ein weiterer Paragraf relevant werden. Der schließt Handlungen ein, hinter denen der Vorsatz steckte, die Gläubiger zu schädigen. Hier reicht der fragliche Zeitraum zehn Jahre zurück.

    Doch: "Eindeutig ist die Rechtslage keineswegs", sagt Jahn. Er rechnet mit einem großen Streit zwischen den Gutachtern von Anklage und Verteidigung, die dann die zentrale Frage klären müssen, was von den Leistungen innerhalb der Schlecker-Familie und der Gesellschaft der Kinder angemessen war und ob es sich immer um echte Dienstleistungen oder womöglich nur um Scheinverträge gehandelt hat.

    Drogeriekette: Die Schlecker-Pleite in Zahlen

    25.000 Menschen kostete die Schlecker-Pleite den Job.

    50.000 Mitarbeiter hatte Schlecker zu Bestzeiten.

    9000 Schlecker-Märkte gab es vor der Insolvenz im In- und Ausland.

    Rund 1000 der insgesamt 6000 deutschen Schlecker-Filialen hätten nach Einschätzung von Verdi wiederbelebt werden können.

    Nur 73.000 Euro zahlte ein Hilfsfonds an Ex-Mitarbeiter.

    Eine Milliarde Euro forderten Gläubiger nach der Pleite.

    10,1 Millionen Euro zahlte Anton Schleckers Familie an die Insolvenzverwaltung.

    Gefängnisstrafe für Ex-Drogeriemarktkönig ist möglich

    Sollte Schlecker tatsächlich verurteilt werden, hält Jahn Gefängnis für nicht unwahrscheinlich. Auf Bankrott stehen bis zu fünf Jahre Haft oder eine Geldstrafe, bei besonderes schweren Fällen bis zu zehn Jahre Haft.

    Ob die ehemaligen Mitarbeiter am Ende aber etwas von einer Verurteilung hätten, steht und fällt mit der Frage, was bei der Familie Schlecker noch zu holen ist. Rein theoretisch stehen sie ganz oben auf der Liste derer, die etwas aus der Insolvenzmasse erhalten.

    Die Anklageschrift kommt auf etwa 20 Millionen Euro, die eigentlich Gläubigern und ehemaligen Mitarbeitern zuzuschreiben wären. Dem gegenüber stehen Forderungen von gut einer Milliarde Euro. Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz scheint skeptisch zu sein, ob bei Schlecker noch allzu viel abfällt. Er bemüht sich deshalb derzeit, über Schadenersatz-Klagen von Lieferanten Gelder einzutreiben.

    Wer ist die öffentlichkeitsscheue Familie Schlecker?

    Die Familie Schlecker steht vor Gericht: Anton Schlecker, seine Frau Christa, die Kinder Lars und Meike. Über sie ist wenig bekannt. Die Schleckers scheuen die Öffentlichkeit, nachdem die beiden Kinder im Jahr 1987 entführt worden waren.

    Anton Schlecker: Der 72-Jährige ist der große Unbekannte. Selbst örtliche Politiker und Wirtschaftsvertreter haben kaum Kontakt zu ihm. Nach der Pleite soll sich Anton Schlecker auch von Vertrauten zurückgezogen haben. Der gelernte Metzgermeister eröffnete 1975 den ersten Schlecker-Markt. Bereits zwei Jahre später betrieb er schon mehr als 100 Filialen. Er baute ein Imperium auf und beschäftigte in Glanzzeiten mehr als 55 000 Menschen. Konkurrent Dirk Roßmann, der Schlecker und dessen Frau seit Jahren kennt, sagte jüngst in einem Beitrag des SWR: "Fleißig waren die beiden, unglaublich." Außerdem seien sie hilfsbereit und großzügig gegenüber Freunden.

    Im Geschäft hingegen achtete Anton Schlecker auf jeden Cent. Er und seine Frau wurden in den 1990er Jahren zu zehn Monaten Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von einer Million Euro verurteilt, weil sie hunderte Mitarbeiter jahrelang unter Tarif bezahlt hatten. "Aber ich muss deutlich sagen: Er ist ein Geschäftsmann, kein Unmensch", sagte Sohn Lars einmal dem Manager Magazin über seinen Vater.

    Christa Schlecker: Über Anton Schleckers Frau ist am wenigsten bekannt. Sie wird als "resolut" beschrieben. Christa Schlecker galt als enge Vertraute Antons und soll zusammen mit ihm das berüchtigte Kontrollnetz über Mitarbeiter errichtet haben.

    Lars Schlecker: Der heute 45-Jährige saß mit in der Geschäftsführung des Schlecker-Imperiums. Er wurde an der European Business School in London ausgebildet und machte im Jahr 2000 an der Steinbeis-Hochschule in Berlin seinen Master of Business Administration. Zu Zeiten des Internet-Hypes sammelte Lars Schlecker unternehmerische Erfahrungen als Gesellschafter des B2B-Portals Surplex.com.

    Mit seiner Schwester verbindet Lars Schlecker eine schreckliche Erfahrung. An Weihnachten 1987 wurden die Schlecker-Kinder entführt. Vater Anton handelte die Lösegeldforderung der Erpresser von 18 auf 9,6 Millionen Mark herunter. Das Geld wurde gezahlt, die Kinder konnten sich aber selbst befreien. Nach einem Bankraub wurden die Entführer 1998 gefasst.

    Meike Schlecker: Lars' zwei Jahre jüngere Schwester (43) legte eine mustergültige Karriere vor. Sie studierte an der renommierten IESE Business School in Barcelona, ist aber schon etwa seit dem Jahr 2000 im Unternehmen beschäftigt. Meike Schlecker war es, die sich 2012 vor Journalisten stellte, um die Pleite zu verkünden. Es war der erste öffentliche Auftritt der Schlecker-Familie seit dem Prozess gegen die Entführer der Kinder im Jahr 1999. dpa

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