Als Dr. August Oetker in der Hinterstube seiner Apotheke in Bielefeld mit allerlei Zutaten experimentierte und 1893 ein neues Backpulver mischte, hätte sicherlich kaum einer geahnt, dass hier die Wurzeln eines der bekanntesten deutschen Unternehmen gelegt werden. Dr. Oetker ist heute ein Mischkonzern, der nicht nur Backzutaten und Pizzen herstellt, sondern auch Hotels betreibt und zu dem die Brauereien der Radeberger Gruppe, Sekthersteller und einiges mehr gehören. Die Gruppe machte 2020 rund 7,3 Milliarden Euro Umsatz und zählt rund 37.000 Beschäftigte. Doch so kompliziert das Unternehmen selbst ist, so schwierig ist die Eigentümerstruktur. Uneinigkeit über den Kurs führt jetzt zur Teilung des Konzerns.
Der langjährige Patriarch und Enkel des Gründers, Rudolf-August Oetker, baute nach dem Zweiten Weltkrieg das Unternehmen nicht nur stark aus, er hinterließ auch acht Kinder aus drei Ehen, die je 12,5 Prozent des Unternehmens erben sollten. Zwischen den Nachkommen liegen nicht nur mehrere Jahrzehnte Altersunterschied, auch die Meinungen über die Führung des Unternehmens gehen auseinander. Der Verkauf der lange zu Dr. Oetker gehörenden Reederei Hamburg Süd an Maersk sei bereits eine Folge des offen ausgetragenen Streits in der Familie gewesen, weiß die Lebensmittelzeitung. Jetzt folgt ein noch drastischer Schritt: Dr. Oetker wird von den Erbinnen und Erben in zwei Teile zerschlagen.
Zwei Gesellschaften: So wird Dr. Oetker aufgeteilt
Im Detail bleiben die Gesellschafterstämme rund um Richard Oetker, Rudolf Louis Schweizer, Philip Oetker, Markus von Luttitz und Ludwig Graf Douglas unter anderem Inhaber der Nahrungsmittelsparte, der Konditorei Coppenrath & Wiese, des Brauerei-Konzerns Radeberger und des jungen Getränkelieferdienstes Flaschenpost.
Die jüngeren Erben bekommen den anderen Teil. Dabei handelt es sich um die Kinder aus Rudolf-August Oetkers dritter Ehe: Alfred Oetker, Jahrgang 1967, Carl Ferdinand Oetker, Jahrgang 1972, und Julia Johanna Oetker, Jahrgang 1979. Sie erhalten unter anderem die Sektkellerei Henkell, den Backmittel-Hersteller Martin Braun, die Chemischen Fabrik Budenheim, die französischen Hotels Le Bristol in Paris und Château St. Martin in Vence sowie die Kunstsammlung. Für die Teile wird eine neue Gesellschaft gegründet, die Geschwister Oetker Beteiligungs KG.
Streit auch bei Aldi Nord und Tönnies
Dass die Trennung den Streit zwischen den Erben beilegen soll, hat das Unternehmen recht deutlich kommuniziert: „Mit dieser Entscheidung überwinden die Gesellschaftergruppen ihre unterschiedlichen Vorstellungen zur Führung und Strategie der Oetker-Gruppe“, heißt es. Die Trennungsvereinbarung sei von allen Eigentümern unterzeichnet worden. Sie seien überzeugt, dass die bereits heute dezentral geführten Unternehmen „eine unbelastete Perspektive für profitables Wachstum in ihren jeweiligen Märkten haben werden.“
Dr. Oetker will die Trennung noch dieses Jahr umsetzen. Für die Mitarbeiter habe die Entscheidung „keine Auswirkungen“, betont das Unternehmen. Streit zwischen Nachfolgerinnen und Nachfolgern hat zuletzt einige bekannte Firmen belastet. Bei Aldi Nord tobt eine Schlammschlacht zwischen den Erbinnen und Erben nach dem Tod von Theo Albrecht, die teils vor Gericht ausgefochten wird. Familienstreit belastet auch den Fleischkonzern Tönnies.
IHK Schwaben: Unternehmensnachfolge rechtzeitig angehen und auch für Nachfolger außerhalb der Familie offen sein
Unternehmensübergaben sind anspruchsvoll, das weiß man auch bei der Industrie- und Handelskammer Schwaben, die dazu viele mittelständischen Unternehmen berät. „Die Unternehmensnachfolge ist besonders für den Übergeber eine nicht nur organisatorisch, sondern auch emotional herausfordernde Entscheidung“, sagt Heide Becker, Leiterin des Beratungszentrums Recht und Betriebswirtschaft der IHK. „Daher raten wir allen Firmenchefs in Produktion, Handel und Dienstleistungen: Schieben sie die Unternehmensnachfolge nicht auf die lange Bank, stehen Sie einer Nachfolge auch außerhalb der eigenen Familie offen gegenüber und nehmen Sie externen Rat an.“
In der Corona-Krise hätten viele Unternehmer die Nachfolgeplanung wegen der wirtschaftlichen Unsicherheit verschoben oder ausgesetzt. „Das gilt besonders für Unternehmen des Reise- und Gastgewerbes sowie des stationären Einzelhandels, für die es im Vergleich zur Industrie ohnehin schwieriger ist, den Übergang erfolgreich zu gestalten“, warnt Heide Becker.
Wenn Unternehmen in neue Hände kommen sollen, können Übernahmeangebote in der Unternehmensnachfolge-Börse, der nexxt-change veröffentlicht werden, berichtet die IHK. „Aktuell haben wir für die Region Schwaben mehr als 50 Verkaufsangebote in der Datenbank“, sagt Expertin Becker.