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Diskriminierung: Wie Bildsprache zum Problem des Alltagsrassismus beiträgt

Diskriminierung

Wie Bildsprache zum Problem des Alltagsrassismus beiträgt

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    So sah das Logo der Marke Sarotti früher aus: Ein Mohr, der für exotische Rezepturen und Vielfalt stand.
    So sah das Logo der Marke Sarotti früher aus: Ein Mohr, der für exotische Rezepturen und Vielfalt stand. Foto: Uwe Anspach, dpa

    Angestoßen von den Protesten gegen Rassismus und erneuter Kritik an ihrem Logo hat die Firma Mars kürzlich angekündigt, den älteren, Schwarzen Mann im Anzug mit Fliege von den Verpackungen ihrer Reismarke Uncle Ben's zu verbannen. Auch die Stollwerck GmbH hatte bereits 2004 nach vorausgegangener Kritik die von ihr als Mohr betitelte Figur aus dem Logo ihrer Marke Sarotti durch einen Magier ersetzt. Und zuletzt hat die Firma Knorr bekanntgegeben, die immer wieder kritisierte "Zigeunersauce" in "Paprikasauce Ungarische Art" umzubenennen.  Die Diskussion um Logos und Namen von Produkten zeigt: Rassismus wird heute nicht mehr einfach so hingenommen. Und auch die Darstellungen in Logos werden als Teil des Problems erkannt.

    Initiative Schwarze Menschen in Deutschland: Vermeidung der Beschäftigung mit Rassismus ist problematisch

    Sie seien Beispiel dafür, wie tief rassistisches Gedankengut in unsere Gesellschaft eingeschrieben sei, wie normalisiert, sagt Tahir Della, Pressesprecher der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland. Die Überzeichnung und das Herunterbrechen auf äußerliche Merkmale sowie die Zuschreibungen, die bei rassistischen Darstellungen vorgenommen würden, ließen Hemmungen im Umgang mit Schwarzen Menschen fallen. Die Bereitschaft der Menschen zur Beschäftigung mit den Auswirkungen problematischer Darstellungen aber fehle.

    "Die Debatte um Wappen und Straßennamen zeigt, dass die Gesellschaft schwerfällig ist, sich dem Thema zu widmen", sagt Della. Die Mehrheitsgesellschaft wehre sich dagegen, sich vorschreiben zu lassen, wie sie etwas bebildere. Kritik würde heruntergespielt, indem eine rassistische Motivation verneint würde. Della meint: "Dieses Abwiegeln ist falsch", meint Della. "Der Nicht-Umgang damit ist Teil des Problems" und auch die Bildpolitik an sich, in der sich Rassismus niederschlage, sagt der Pressesprecher. Bildpolitik meint beispielsweise die Visualisierung von Herrschaft mit Hilfe von herrschaftlichen Bauten oder Porträts. Die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland beschäftigt sich seit der Gründung 1985 mit problematischen Darstellungen von Schwarzen Menschen unter anderem in Kinderbüchern.

    Was genau macht ein rassistisches Logo aus? Dr. Ina Hagen-Jeske vom Lehrstuhl für Europäische Ethnologie/Volkskunde der Universität Augsburg schreibt auf Anfrage: "'Die einzig wahre Definition für 'rassistische Firmenlogos' gibt es meiner Ansicht nach nicht. Es hängt ganz von vom jeweiligen gesellschaftlichen Kontext und vom Firmenlogo ab." Die Wissenschaftlerin erklärt ihre Aussage anhand von vier Beispielen. Da sei zum einen "der Sarrotti-M...", der mit seinen "orientalisierten Elementen in der Tradition des Topos des Schwarzen Dieners steht und Ergebnis von europäischen Vorstellungen über unterwürfige, orientalische (siehe Turban und Pumphose) Diener ist."

    Als zweites Beispiel nennt sie das ehemalige Logo des "Hotel 3M..." in der Augsburger Maxstraße, das mit den "drei sich nicht unterscheidenden, stark stilisierten Gesichtern mit überzeichneten Lippen ohne jegliche menschliche Züge ganz deutlich den N...-Typus" widerspiegele. Das dritte Beispiel ist das Uncle Ben's Logo. Dieses müsse wiederum im US-amerikanischen Kontext (genauer Südstaaten) betrachtet werden: "Dort wurden Schwarze Versklavte u.a. mit "boy" (Junge) oder "uncle" (Onkel) angesprochen, um eine respektvolle Anrede mit "Mr." zu vermeiden", sagt Hagen-Jeske.

    Firmenlogos können rassistische Vorstellungen transportieren

    Es gebe immer noch "viele Facetten von historisch gewachsenen, rassistischen Typen beziehungsweiseLogos, die wiederum die rassistischen Vorstellungen der Konsumierenden prägen." Den Beispielen sei gemein, dass sie "von mehrheitlich weißen Entscheidungsträgern erschaffen wurden, dadurch koloniale Machtverhältnisse reproduziert werden und diese Logos koloniale Fantasien vom 'unzivilisierten Anderen' weiter festigen." Sie transportierten rassistische Vorstellungen, "alle Schwarze Menschen sähen gleich aus (siehe Logo 3 M) oder seien nur für niedere Tätigkeiten im Stande (Sarotti-M). Sie haben beide in unterschiedlichen Varianten entmenschlichende Effekte", meint Hagen-Jeske.

    Es sei an der Zeit, die kolonialrassistische Geschichte zu brechen, sagtDella. Natürlich gebe es unter Schwarzen Menschen unterschiedliche Auffassungen über rassistische Logos und Werbungen, doch "wir sind als Gesellschaft gut beraten, die kritischsten Stimmen zu hören. Die weichgespülte Auffassung hilft nicht weiter", sagt er. Er fordert, die Stimme zu hören, die zur Reflexion anrege. Die Sensibilität in der Gesellschaft wachse, gerade die jüngere Generation habe einen anderen Blick auf das Thema, "aber es gibt noch viele Konzepte, die noch nicht abgebaut sind", sagt Della. Auch über bestimmte Verkleidungen an Karnevalsumzügen müsse man beispielsweise nachdenken.

    Die Firma Stollwerck hat das Logo ihrer Marke Sarotti über die Jahre weiterentwickelt. "Charakteristisch für eine Marke ist ihre Wiedererkennung, um positive Erinnerungen zu wecken. Das heißt aber nicht, das alles gleich bleiben muss. Vielmehr ist Reflektion eine kontinuierliche Marketingaufgabe", schreibt Kathrin Jessen, Mitarbeiterin in der Abteilung International Business Development der Stollwerck auf Anfrage. 1894 wird Sarotti als Marke registriert, nachdem Hugo Hoffmann die 1852 gegründete Waren-Handlung „Felix & Sarotti" gekauft hatte. Für die Herkunft des Namens Sarotti gebe es keinen eindeutigen Beleg - eine Theorie besagt, er stamme von einem gleichnamigen italienischen oder Schweizer Zuckerbäcker, der eine Zeit lang in der Firma angestellt gewesen sein soll, so Jessen. Zu dieser Zeit zeigte das Logo den sogenannten Bären am Bienenbaum, der auch auf Werbepostkarten erschien.

    Firmen, Lokale und Medienanstalten sowie zivile Akteure können ein Umdenken gestalten

    Der Graphiker Julius Gipkens, der unter anderem Sarotti-Firmenfahrzeuge bemalte, entwarf auch "eine Pralinenpackung mit drei sogenannten Mohren, lange Zeit ein Klassiker", sagt Jessen. Vor diesem Hintergrund entwickelte er den Sarotti-Mohren als Firmenzeichen. "Wie schon der Bär oder andere Figuren suchten Firmen nach Sinnbildern, die die Marke positiv verkörperten. Die Fantasiefigur sollte für Schokoladengenuss und Qualität stehen", schreibt Jessen.

    Im Jahr 2004 erfolgte dann die Verjüngung und zeitgemäße Anpassung des Logos: Aus dem Sarotti-Mohr wurde der in Gold getauchte Magier. Jessen sagt: "Diese Weiterentwicklung der Fantasiefigur wurde positiv aufgenommen, und vor drei Jahren haben wir in der Bildmarke bereits die Figur noch weiter zurückgenommen und der Herkunft von Sarotti, dem Geburts- und Standort der Marke 'Berlin', mehr Platz eingeräumt."

    Die Wissenschaftlerin Hagen-Jeske sagt: "Es geht nicht nur um Logos, sondern auch um Namen von Unternehmen, Geschäften, Lokalen, aber darüber hinaus auch um Firmen- und Personalpolitiken (Steigerung der Diversität der Belegschaft, Angestellten, Medienvertreter*innen)." Eine Sensibilisierung der Gesellschaft beispielsweise durch Anti-Rassismus oder Critical-Whiteness-Trainings könne zur Vermeidung von Fehlern beitragen. Sie sehe auch die berichterstattenden Medien in der Verantwortung, die Aufklärung über Rassismus weiter voran zu treiben. "Eine große, wenn nicht sogar zentrale Rolle spielen dabei auch zivilgesellschaftliche Akteur*innen wie die Black Lives Matter Bewegung, die mit ihrer aktivistischen Arbeit wichtige Impulse für ein gesamtgesellschaftliches Umdenken setzen", schreibt sie.

    Zur Änderung des Logos meint Jessen: "Im Wandel der Zeit muss man sich die Frage stellen, ob das richtig ist. Man kann Historie nicht verändern" aber reflektieren, ob die Darstellungen noch angemessen seien. Als internationales Unternehmen kriege Stollwerck gut mit, wenn Veränderungen nötig seien.

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