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Digitalisierung: Wie heimische Firmen künstliche Intelligenz nutzen

Digitalisierung

Wie heimische Firmen künstliche Intelligenz nutzen

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    Daten als Lebenselixier der Wirtschaft: Wie im Körper das Blut in den Adern, fließen im Computer Daten durch die Kabel.
    Daten als Lebenselixier der Wirtschaft: Wie im Körper das Blut in den Adern, fließen im Computer Daten durch die Kabel. Foto: Sebastian Gollnow, dpa (Symbolbild)

    Das Lechtal ist nicht das Silicon Valley. Firmen aus Schwaben sind nicht weltbekannt für Computerprogramme oder Internetanwendungen. Hier entstehen unter anderem weltweit geschätzte Maschinen, Werkzeuge oder Teile für Autos, Flugzeugen und Anlagen. Auch das geht längst nicht mehr ohne Digitalexpertise. Die stark exportabhängige Wirtschaft in der Region, muss fit werden in Zukunftstechnologien wie der künstlichen Intelligenz (KI).

    Viele Unternehmen sind bereits gut gerüstet. Der Freistaat unterstützt die Transformation zudem: Im Rahmen der Hightech Agenda Plus sollen in den nächsten Jahren viele Millionen nach Augsburg und in die Region fließen. Auch bei der Industrie- und Handelskammer Schwaben steht das Thema weit oben, sie veranstaltet diese Woche erneut einen großen Kongress zur KI.

    Was sich hinter diesem Schlagwort verbirgt, ist nicht in zwei Sätzen zu erklären. Bernd Renzhofer vom Einzelhandels-Spezialisten Wanzl in Leipheim sagt aber: "Ohne KI könnten wir bereits heute einen wichtigen Teil unseres Geschäfts nicht mehr anbieten." Renzhofer verantwortet als Geschäftsführer für den Vertrieb auch das Digital Office, die 2016 gegründete Digitalabteilung des Mittelständlers. Die ist mittlerweile auf zwölf Stellen angewachsen und grübelt aktuell über Fragen wie dieser: Wie kann man einen Computer so trainieren, dass er mithilfe von Videobildern einer SB-Kasse erkennt, ob ein Kunde alle Teile in seinem Wagen gescannt und bezahlt hat?

    Wanzl in Leipheim hat ein eigenes Digital Office gegründet

    "Wir beschäftigen uns seit 2016 intensiv mit Daten", sagt Renzhofer. Angefangen hat es mit einer Plattform, auf der alle Daten, die ohnehin in einem modernen Supermarkt anfallen, zentral erfasst und ausgelesen werden können: Zugangskontrollen, Warenkühlung oder Kassendaten zum Beispiel. Schnell war aber klar: Aus dieser Menge an Daten, muss ein Mehrwert zu schaffen sein. Hier kommt künstliche Intelligenz ins Spiel.

    Ein Beispiel: Ein Händler weiß, wenn 100 Leute im Laden sind, muss er vier Kassen offen haben. Das lässt sich einfach über das Zählen der Kunden an Ein- und Ausgängen regeln. Aber die Welt ist komplexer, erklärt Renzhofer: "Die Frage ist, wann und in welcher Situation kommen die Kunden: Ist es während der Mittagspause, um sich einen Snack zu holen? Oder am Wochenende oder vor einem Feiertag? Irgendwann versagen die herkömmlichen Algorithmen."

    Wanzl entwickelt längst nicht mehr nur Einkaufswagen: intelligente Zugangskontrolle für Gebäude oder Einkaufsmärkte.
    Wanzl entwickelt längst nicht mehr nur Einkaufswagen: intelligente Zugangskontrolle für Gebäude oder Einkaufsmärkte. Foto: Wanzl

    Zwischen Supermarkt und Discounter passen mittlerweile eine Vielzahl anderer Ladenkonzepte. Für einen Kunden hat Wanzl sogar einen automatisierten Fachmarkt entwickelt, in dem Handwerker oder Techniker rund um die Uhr einkaufen können. Dazu kommen noch Hybridlösungen wie das Bestellen im Internet und Abholen im Markt. Weil die Händler ihre Kunden auf allen Wegen erreichen wollen, steigt der Bedarf an maßgeschneiderten Lösungen. "KI ist für uns unverzichtbar geworden. Aber das Thema ist so komplex, das wir das nur in Kooperationen und Verbünden bewältigen können", erklärt Renzhofer. Wanzl arbeitet etwa mit den KI-Giganten Google oder Microsoft zusammen. Aber natürlich braucht das Unternehmen auch eigene Fachkräfte. Die zu finden sei aber eine Herausforderung.

    Das Andreas Schmid Lab will Paketdrohnen etablieren

    Das bestätigt auch Michael Hofmann, Geschäftsführer des Andreas Schmid Lab, einer Teilgesellschaft der Andreas Schmid Group. IT und Datenspezialisten sind überall Mangelware – wenn auch noch längst nicht alle Unternehmen das Thema Digitalisierung so entschlossen angehen wie der Gersthofer Logistiker. Die Aufgabe von Hofmanns Geschäftseinheit ist es, in Start-ups zu investieren und Ausgründungen aus der eigenen Unternehmensgruppe zu fördern. Außerdem sollen die bestehenden Geschäftsbereiche Hilfe bei der Fortentwicklung im Digitalen bekommen. An zwei Beispielen erläutert Hofmann, wo künstliche Intelligenz dabei zum Einsatz kommt.

    Objektüberwachung und Zustelldienst per Drohne: Nils Gageik von EmQopter steuert eine Drohne auf dem Werksgelände von Andreas Schmid in Gersthofen.
    Objektüberwachung und Zustelldienst per Drohne: Nils Gageik von EmQopter steuert eine Drohne auf dem Werksgelände von Andreas Schmid in Gersthofen. Foto: Silvio Wyszengrad

    Ein Lkw der Spedition Andreas Schmid verdient nur Geld, wenn er fährt. Ausfall- und Wartungszeiten sollten daher möglichst knapp bemessen sein. Moderne Lkw übermitteln im Betrieb laufend Fahrzeugdaten. Die KI soll auf Basis dieser Daten vor dem Ausfall kritischer Fahrzeugteile warnen, bevor der Schadensfall eintritt. Ein zweites Projekt geht noch viel weiter. Hofmanns Lab hat in das Würzburger Drohnen-Start-up Emqopter investiert und arbeitet intensiv an der Entwicklung eines Drohnenlieferservices. Die Drohne kann autonom starten, fliegen und landen.

    Bis sie abheben darf, gibt es noch eine Reihe regulatorischer Hindernisse zu überwinden. Aber Hofmann sagt: "Wir glauben fest an das Thema Lieferdrohnen." Die KI muss bei diesem Projekt etwa die Daten der vielen Sensoren an der Drohne auslesen, interpretieren und dann selbstständig das Flugsystem steuern. Auch für Hofmann steht fest: "KI gehört längst zum Alltag und wird nach und nach in immer mehr Teile der Wertschöpfungskette einziehen." Einen Großteil einfacher Verwaltungstätigkeiten könne man über kurz oder lang ebenfalls an Softwareroboter übergeben. "Unternehmen, die da nicht mitgehen, verlieren einen Kostenvorteil und haben damit weniger Chancen am Markt", sagt Hofmann.

    Meteointelligence greift auf Wetterdaten zurück

    Auf dem Markt etablieren will sich Unternehmensgründer Daniel Lassahn aus Augsburg mit seinem Start-up erst noch. Der 28-Jährige hat Physik der Erde und Atmosphäre studiert und anschließend vier Jahre als Energiemeteorologe gearbeitet. Grob gesagt kümmerte er sich darum, Energienetzbetreibern anhand von aktuellen Wetterdaten eine Prognose für die zu erwartende Einspeisung von Wind- und Solarstrom zu liefern. Irgendwann reifte die Idee, dieses Modell auf andere Bereiche zu übertragen – die Geburtsstunde von Meteointelligence.

    Wie bei den Lastern von Andreas Schmid nutzt auch Lassahn die KI für die Vorhersage von Ereignissen. Neuronale Netze heißen diese Anwendungen. Lassahn erklärt es mit folgendem Beispiel: Wenn es heiß wird, verkauft ein Händler mehr Klimaanlagen. Doch Lagerhaltung ist teuer, daher ist es für ihn interessant zu wissen, wann er mehr Klimaanlagen vorhalten sollte. Aus der Analyse historischer Verkaufs- und Wetterdaten lernt die KI Vorhersagen zu treffen.

    "Daten sind heute viel einfacher und günstiger zu beschaffen, als noch vor wenigen Jahren", sagt Lassahn. Prinzipiell kann das Modell laufend erweitert werden: Wer schon eine Klimaanlage hat, kauft wohl nicht so schnell wieder eine und so weiter. Momentan hat das Start-up mit Lassahn drei Mitarbeiter. Wenn es am Markt besteht, können neue Experten vielleicht in Augsburg rekrutiert werden. Rund 100 Millionen will der Freistaat zur Schaffung eines KI-Produktionsnetzwerks hier investieren. Fast die Hälfte davon fließt an die beiden Hochschulen, der Rest wird über mehrere Forschungspartner verteilt.

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