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Digitales: Wie Jeff Bezos mit Amazon die Welt verändert hat

Digitales

Wie Jeff Bezos mit Amazon die Welt verändert hat

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    27 Jahre nach der Gründung von Amazon gibt Jeff Bezos den Chefposten im Sommer 2021 ab.
    27 Jahre nach der Gründung von Amazon gibt Jeff Bezos den Chefposten im Sommer 2021 ab. Foto: Michael Nelson, dpa

    Ausgerechnet Bücher! Wenn Mitte der 90er Jahre ein nerdiger Start-up-Unternehmer auf ein Produkt setzt, mit dessen Vertrieb er sich selbstständig machen will, dann doch nicht damit. Bücher haben sich im Kern seit Jahrhunderten kaum verändert. Sie entstehen in einem fein austarierten System und werden über bereits gut geölte Vertriebswege an die Kundschaft gebracht. Kurz: Im Buchmarkt scheint wenig zu holen für einen Außenseiter, der nicht einmal rudimentäre Vertriebserfahrung hat oder zumindest eine Nähe zum literarischen Betrieb. Der damals 30-jährige Elektrotechnik- und Informatik-Ingenieur Jeff Bezos hat erst mal nicht viele Trümpfe.

    Dabei dürfte den Leuten, die ihn schon damals, in seinen New Yorker Jahren kannten, ziemlich klar gewesen sein, dass Bezos ein Überflieger ist. Wenngleich wohl die wenigsten wirklich verstanden haben, womit er sein Geld verdient: Das Programmieren von computerbasierten Netzwerken für Finanzgeschäfte ist kein Thema, mit dem man auf Partys die Leute um sich schart. Aber schnell Karriere machen ist drin.

    Jeff Bezos gründete Amazon 1994 und baute das Unternehmen vom Online-Buchladen zum Billionen-Konzern auf.
    Jeff Bezos gründete Amazon 1994 und baute das Unternehmen vom Online-Buchladen zum Billionen-Konzern auf. Foto: Andrej Sokolow, dpa

    Zwei Jahre nach seinem Einstieg bei der Investmentbank D.E.Shaw & Co ist Bezos ihr Vizepräsident – und der Mann, der herausfinden soll, wie man mit dem Internet, von dem nun alle reden, Geld verdienen kann. Bezos kommt mit seiner Idee vom Buchversand um die Ecke – und elektrisiert seinen Chef damit nicht. An Ideen, die unsere Gewohnheiten und Einstellungen auf den Kopf stellen können, glauben am Anfang eben nur wenige…

    2020 verdient Amazon 84 Prozent als im Jahr zuvor

    Als Bezos am Dienstagabend nach Börsenschluss die ganze Welt mit der Nachricht von seinem Rückzug vom Amazon-Chefposten überrascht hat, sind die Zahlen, die er gleichzeitig vorlegte, etwas in den Hintergrund gerückt. Dabei steckt hinter ihnen doch die eigentliche Geschichte. 21,3 Milliarden Dollar hat der Konzern im Jahr 2020 verdient – 84 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Natürlich weil Amazon es in der Coronakrise den Leuten ermöglicht, rund um die Uhr einzukaufen, obwohl vielerorts doch alle Geschäfte geschlossen haben müssen. Vor allem aber weil Amazon nie nur ein Buchhändler sein wollte.

    Amazon ist das Paradebeispiel dafür, wie die Digitalisierung bestehende Geschäftsmodelle reihenweise entwertet. Bezos hat früh verstanden, dass die Welt und alle Interaktionen von Menschen in Form von Daten dargestellt werden können. Kompromisslos richtet er Amazon danach aus, die Menschen so gut wie möglich zu verstehen. Das Unternehmen soll die Wünsche und Bedürfnisse seiner Kunden besser kennen, als sie selbst.

    Eine Amazon-Produktion gewinnt 2017 zwei Oscars

    Alles dreht sich um ihn. Der Kunde darf sich gehätschelt und umsorgt fühlen – und weil es so bequem ist, befriedigt er im Amazon-Ökosystem alle seine Wünsche: Einkaufen, Musik hören, Videos schauen, Computerspiele machen oder, dank der intelligenten Lautsprecher Alexa und Co. –, sogar das Schließen der Außenjalousien, wenn ihn die durchs Fenster scheinende Sonne auf dem Sofa blendet. Längst produziert Amazon auch die Inhalte für seine elektronischen Medien selbst. Die Amazon-Produktion „Manchester by the sea“ gewinnt 2017 sogar zwei Oscars. Und während Händler weltweit hart darum kämpfen, ein Stück vom Online-Kuchen abzubekommen, eröffnet Amazon wieder stationäre Geschäfte – mit digitalen Neuerungen.

    Amazon plant aktuell eine Doku über den FC Bayern. Das freut Bayern-Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge.
    Amazon plant aktuell eine Doku über den FC Bayern. Das freut Bayern-Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge. Foto: Robert Michael, dpa

    In einer Nachricht an die mittlerweile 1,298 Millionen Amazon-Beschäftigten schrieb Bezos am Dienstag: „Wenn man es richtig anstellt, wird eine zunächst überraschende Erfindung nach ein paar Jahren alltäglich. Die Leute gähnen. Dieses Gähnen ist das größte Kompliment, das ein Erfinder bekommen kann.“ Tatsächlich müssen auch Kritiker einräumen, dass der nach Börsenwert 1,7 Billionen schwere Tech-Riese eines der innovativsten Unternehmen der Welt ist.

    Über Jahre macht Amazon aber vor allem eines: riesige Verluste. Im Frühjahr 1997 geht Amazon an die Börse. Nicht wenige Analysten sind skeptisch, ob Bezos Wette auf die Zukunft am Ende aufgehen wird. Wachstum vor Profit, Bezos Credo schon damals, überzeugt auch Warren Buffet nicht, der für 18 Dollar pro Aktie hätte einsteigen können. Heute kostet ein Amazon-Papier rund 3357 Dollar – und Jeff Bezos löste kurzzeitig Bill Gates als reichster Mann der Welt ab. Mit einem geschätzten Vermögen von 197 Milliarden Dollar (163,5 Milliarden Euro) ist er derzeit aber nur noch Nummer zwei – hinter dem Erzrivalen Elon Musk.

    Cloud-Computing ist Amazons neuer Wachstumstreiber

    Doch während mittlerweile nicht wenige Analysten die Aktie des von Musk gegründeten E-Auto-Pioniers Tesla für überbewertet halten, hat Amazon längst wieder einen neuen Geschäftsbereich erschlossen, der noch deutlich profitabler ist, als der Internethandel. Mit der Tochter AWS ist Amazon Marktführer bei der Bereitstellung von Rechen- und Speicherkapazität für Unternehmen in der Cloud. Volkswagen etwa will mit Amazons Hilfe seine Werke profitabler machen und zu Tesla aufschließen. Aber sogar der direkte Amazon-Konkurrent Zalando kauft diese Dienstleistungen bei Bezos Imperium ein.

    Mit Gewerkschaften liegt Amazon seit Jahren über Kreuz.
    Mit Gewerkschaften liegt Amazon seit Jahren über Kreuz. Foto: Rolf Vennenbernd, dpa

    Bezos bleibt als Verwaltungsratschef auch in Zukunft in einer einflussreichen Position bei Amazon. Doch der ewig rastlose 57-jährige Vater von vier Kindern wird wohl etwas mehr Zeit dafür haben, sich seiner Raumfahrtfirma Blue Origin zu widmen, mit der er mit Elon Musk um die Vorherrschaft in der kommerziellen Raumfahrt ringt. Wie es sich für einen Internet-Milliardär gehört, ist Bezos auch wohltätig engagiert. Der Erwerb der darbenden Washington Post, die seitdem wieder zu einer wuchtigen publizistischen Stimme in Amerika wurde, gehört aber nicht in diese Kategorie.

    Der Zeitpunkt für Bezos Rücktritt ist jedenfalls gut gewählt. Denn auf absehbare Zeit dürfte die größte Gefahr für Amazon sein, Opfer des eigenen Erfolgs zu werden. Auch in den USA hat sich die Stimmung gegen die Techkonzerne gedreht. Ihre Marktmacht ist Politikern beider Parteien suspekt geworden. Der neue US-Präsident Joe Biden hat schon im Wahlkampf für eine deutlich strengere Regulierung geworben. In Europa bereitet die EU-Kommission nach der Datenschutzrichtlinie weitere Regeln vor, die sich gegen Amazon, Facebook, Google und Co. richten. Ein neuer Mann an der Spitze, AWS-Chef Andy Jassy, kann für die Regulierer einen Neuanfang wohl glaubwürdiger verkörpern.

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