Fünf Jahre nach Beginn des VW-Diesel-Skandals hat der Europäische Gerichtshof eine umstrittene Software zur Schönung von Abgaswerten bei Zulassungstests für illegal erklärt. Das Urteil fiel am Donnerstag in Luxemburg. Es könnte die Rechte für Besitzer älterer Diesel-Wagen deutlich stärken.
Ein Hersteller dürfe keine Abschalteinrichtung einbauen, die bei Zulassungsverfahren systematisch die Leistung des Systems zur Kontrolle der Emissionen verbessert, erklärte das Gericht. Auch die Verminderung von Verschleiß oder Verschmutzung des Motors könne eine solche Abschalteinrichtung nicht rechtfertigen.
Dieseskandal hatte eine Klagewelle zur Folge
Im September 2015 war aufgeflogen, dass Volkswagen mit spezieller Software Abgaswerte bei Zulassungstests manipuliert hatte. Die Folge waren Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe und eine Klagewelle, die immer noch läuft. Hintergrund des EuGH-Verfahrens ist ein Fall aus Frankreich, wo gegen einen Hersteller wegen arglistiger Täuschung ermittelt wird. Dieser wird in den Gerichtsakten nur mit "X" bezeichnet. Volkswagen hat jedoch bestätigt, dass es um seine Fahrzeuge geht.
Diesel-Skandal: Was nach Entdeckung der VW-Affäre passierte
3. September 2015:
VW räumt hinter den Kulissen gegenüber der US-Umweltbehörde EPA Manipulationen bei Diesel-Abgastests ein.
18. September 2015:
Die EPA teilt mit, VW habe eine Software eingesetzt, um Test-Messungen des Schadstoffausstoßes künstlich zu drücken.
23. September 2015:
Rücktritt von VW-Vorstandschef Martin Winterkorn, zwei Tage später beruft der Aufsichtsrat Porsche-Chef Matthias Müller als Nachfolger.
15. Oktober 2015:
Das Kraftfahrt-Bundesamt ordnet einen Pflichtrückruf aller VW-Dieselautos mit Betrugs-Software an. In ganz Europa müssen 8,5 Millionen, in Deutschland 2,5 Millionen Wagen in die Werkstatt.
22. April 2016:
Der Abgas-Skandal brockt dem Volkswagen-Konzern für 2015 mit 1,6 Milliarden Euro den größten Verlust der Geschichte ein.
8. August 2016:
Das Landgericht Braunschweig gibt den Startschuss für ein Musterverfahren wegen milliardenschwerer Aktionärsklagen gegen VW.
25. Oktober 2016:
US-Rechtsstreit um VW-Dieselwagen mit 2,0-Liter-Motoren: VW einigt sich auf 16 Milliarden Dollar Entschädigung an Kunden, Behörden, Händler und US-Bundesstaaten.
11. Januar 2017:
VW und das US-Justizministerium vergleichen sich in strafrechtlichen Fragen auf eine Zahlung von 4,3 Milliarden Dollar.
31. Mai 2017:
Es wird bekannt, dass VW-Tochter Audi in Deutschland und Europa unzulässige Abgas-Software verwendet hat.
25. August 2017:
VW-Ingenieur James Liang wird in den USA zu 40 Monaten Gefängnis verurteilt. Er hatte 2016 als Kronzeuge ausgepackt.
6. Dezember 2017:
Der frühere VW-Manager Oliver Schmidt wird in den USA wegen Verschwörung zum Betrug und Verstoßes gegen Umweltgesetze zu sieben Jahren Haft verurteilt.
12. April 2018:
VW-Markenchef Herbert Diess wird zum Nachfolger von Müller an der Konzernspitze berufen.
18. Juni 2018:
Der Chef der VW-Tochter Audi, Rupert Stadler, wird verhaftet. Die Ermittler werfen ihm Falschbeurkundung im Zusammenhang mit den Abgasmanipulationen vor.
10. September 2018:
Beginn des Kapitalanleger-Musterverfahrens vor dem Oberlandesgericht Braunschweig. Musterklägerin ist die Sparkassen-Fondstochter Deka Investment. Ziel des Prozesses ist eine Rahmenentscheidung, die für alle Beteiligten bindend ist.
30. Oktober 2018:
Rupert Stadler wird aus der Untersuchungshaft entlassen. Seinen Posten als Vorstandsvorsitzender ist er jedoch los. Bram Schot übernimmt seinen Posten.
31. Juli 2019:
Die Staatsanwaltschaft München II erhebt Anklage gegen Rupert Stadler und drei weitere Manager. Ihnen wird Betrug, mittelbare Falschbeurkundung sowie strafbare Werbung vorgeworfen.
Im Kern ging es um die Bewertung der Software, die erkennt, ob ein Auto für Zulassungstests im Labor geprüft wird. Während der Tests läuft mit voller Stärke die sogenannte Abgasrückführung, die den Ausstoß gesundheitsschädlicher Stickoxide verringert. So werden im Labor Schadstoffgrenzwerte eingehalten. Im Normalbetrieb wird die Abgasrückführung dann aber gedrosselt. Der Effekt ist mehr Motorleistung, aber eben auch mehr Stickoxid.
Abschalteinrichtung war nicht nötig
Der EuGH hatte im Wesentlichen zwei Fragen zu klären: Handelt es sich bei der Software um eine "Abschalteinrichtung"? Diese sind laut EU-Recht grundsätzlich verboten, es gibt aber Ausnahmen, unter anderem, wenn die Abschalteinrichtung nötig ist, "um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen" oder "den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten". Die zweite Frage war also: Fällt diese Software unter die Ausnahme?
Die zuständige Generalanwältin Eleanor Sharpston hatte letztere Frage in ihrem Gutachten zum Fall im Frühjahr eindeutig verneint. Der EuGH folgte dieser Einschätzung nun. (dpa)
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