Für viele Kritiker ist die Sache klar: Im Diesel-Streit hat sich "die Auto-Lobby" durchgesetzt – wieder einmal. Doch wer ist diese Auto-Lobby überhaupt, wie ist sie organisiert, wie eng sind die Kontakte zur Politik, wie stark die personellen Verflechtungen?
Klar ist: Die Automobilindustrie als Rückgrat der deutschen Wirtschaft überlässt bei der Vertretung ihrer Interessen in der Politik nichts dem Zufall. Und so gilt der Verband der Automobilindustrie (VDA) als gewichtigste Lobby-Organisation des Landes. Vertritt er doch Automobilhersteller und Zulieferbetriebe mit insgesamt rund 800.000 Arbeitsplätzen. Mit seinem erklärten Ziel einer autofreundlichen Politik fand der bereits 1901 gegründete VDA bei sämtlichen bisherigen Bundesregierungen offene Ohren und Türen.
Rund zehn Jahre stand dem Branchenverband mit Matthias Wissmann (CDU) ein leibhaftiger Ex-Bundesverkehrsminister vor. Von dem CDU-Mann heißt es, dass er seine exzellenten Kontakte in die Politik einschließlich dem direkten Draht zu Bundeskanzlerin Angela Merkel intensiv zu nutzen wusste.
CDU-Politiker Eckart von Klaeden ist Cheflobbyist bei Daimler
In Zeiten des Diesel-Skandals indes zog sich Wissmann, so wurde in der Branche kolportiert, den Zorn der großen Autohersteller zu. Denn er hatte auch Fehler einzelner Konzerne eingeräumt. Vor allem Daimler-Chef Dieter Zetsche habe extrem verärgert reagiert, hieß es. Insgesamt hatten Diesel-Skandal und Kartell-Affäre einen Keil zwischen die drei Branchenriesen VW, Daimler und BMW getrieben. So wurde Wissmann im Frühjahr von Bernhard Mattes abgelöst. Den Lebenslauf des ehemaligen Chefs von Ford Deutschland zieren keine politischen Top-Ämter, doch als bestens vernetzt gilt auch er. Mattes bezeichnete kürzlich die neuen, schärferen CO2-Grenzwerte für Neuwagen als unrealistisch, auf die sich das EU-Parlament geeinigt hatte: "Die Ziele werden in diesem Zeitraum nicht umsetzbar sein", sagte er.
Die großen Automobilhersteller verlassen sich bei der Wahrung ihrer Interessen ohnehin nicht allein auf den VDA. Der CDU-Politiker Eckart von Klaeden, bis 2009 Staatsminister im Kanzleramt, ist seit Ende 2013 Cheflobbyist von Daimler. Sein "Seitenwechsel" nach 20-jähriger Abgeordnetentätigkeit sorgte für öffentliche Empörung. Es folgte ein Ermittlungsverfahren wegen des Anfangsverdachts der Vorteilsnahme, das 2015 eingestellt wurde. Sein Vorgänger Martin Jäger, politischer Beamter und Diplomat mit CDU-Parteibuch, wechselte zurück in den Staatsdienst und ist heute Staatssekretär im Entwicklungsministerium.
VW-Lobbyist Thomas Steg war für die SPD aktiv
Natürlich ist die Kontaktpflege zur Spitzenpolitik bei Daimler wie bei anderen Autoriesen auch Chefsache. Dem scheidenden Konzernchef Dieter Zetsche etwa wird ein guter Draht zur Kanzlerin nachgesagt. Häufig sitzen er und andere Automanager mit im Flugzeug, wenn deutsche Spitzenpolitiker zu Auslandsreisen aufbrechen.
Volkswagen-Cheflobbyist ist seit 2012 SPD-Mitglied Thomas Steg, ehemals stellvertretender Regierungssprecher. Nach Bekanntwerden der Abgasversuche an Affen und Menschen wurde er im Januar beurlaubt, inzwischen ist er wieder im Amt. Der Cheflobbyist von BMW, Maximilian Schöberl, ist ein ehemaliger enger Mitarbeiter des einstigen CSU-Chefs und Bundesfinanzministers Theo Waigel.
Seit Jahrzehnten gehören die Autobauer und Zulieferer zu den eifrigsten Unterstützern der politischen Parteien. Nach Angaben der Organisation Lobby-Control hat der Industriezweig in den vergangenen acht Jahren 17 Millionen Euro an CDU/CSU, FDP, SPD und Grüne gespendet.
Das Land Niedersachsen ist an Volkswagen beteiligt
Zur Interessenvertretung der Autoindustrie zählen traditionell aber auch die Betriebsräte der Großkonzerne und die IG Metall. VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh gilt als mächtigster Arbeitnehmervertreter des Landes. Und über das Land Niedersachsen ist die öffentliche Hand quasi direkt am Autoriesen beteiligt – zu gut 20 Prozent.
Für die Nähe zwischen Autoindustrie und Politik steht bis heute auch der Name des ehemaligen VW-Vorstandsmitglieds Peter Hartz. Der entwickelte für SPD-Kanzler Gerhard Schröder das Reformkonzept für die Sozialgesetze – der Begriff "Hartz IV" hat es längst in die Alltagssprache geschafft.