In genau einer Woche startet im Ries das größte Volksfest Nordschwabens, die Nördlinger Mess’. Die Vorfreude ist groß: auf eine frisch gegrillte Mess’-Wurst, auf ein Zwiebelspitzle, von dem Zugereiste behaupten, es wäre eine Art Semmel mit Röstzwiebeln drin. Und wenn dazu noch ein frisches, kühles Bier im Maßkrug schäumt, dann ist das Leben wieder ausgezeichnet. Nur zwei Brauereien dürfen auf der Mess’ ihre Biere ausschenken: Maier-Bier und das Fürstliche Brauhaus Wallerstein.
Dessen Chef, Carl-Eugen Erbprinz zu Oettingen-Oettingen und Oettingen-Wallerstein, kann man auf der Mess’ durchaus zwischen Zelt und Wurfbude treffen. Oder an einem normalen Wochentag in der Nördlinger Fußgängerzone. Und das hat zu Beginn im Ries für Gesprächsstoff gesorgt. Die Familie zu Oettingen-Wallerstein hat ihren Stammsitz in der Gemeinde Wallerstein, unweit von Nördlingen. Der Großvater des derzeitigen Unternehmenslenkers, Carl Friedrich zu Oettingen-Oettingen und Oettingen-Wallerstein, überwachte von dort die Geschäfte der familieneigenen Unternehmen. Manche berichten, dass vor ihm und seiner Frau Delia noch geknickst wurde.
Die Büros des Familienunternehmens liegen in der Nördlinger Altstadt
Der Enkel pflegt einen anderen Stil – und ist mit Büros der fürstlichen Verwaltung in die Nördlinger Altstadt gezogen. Der 48-Jährige meldet sich am Telefon mit einem einfachen „Wallerstein“, seine E-Mails beantwortet er meist selbst. Als Kind lebte Carl-Eugen zu Oettingen-Wallerstein mit seinen Eltern unter anderem in den USA. Er besuchte zunächst ein Internat, studierte dann Betriebswirtschaftslehre: „Ich wollte in der Lage sein, mein eigenes Geld zu verdienen.“ Das tat er auch als Unternehmensberater. Sein voller Name, so meint er rückblickend, sei in diesem Bereich eher hinderlich gewesen. Ein Prinz, der kommt, um den Betrieb auf Vordermann zu bringen?
Als Nachfolger für seinen Großvater war Carl-Eugen zu Oettingen-Wallerstein damals schon vorgesehen. Druck, wieder ins Ries zurück- zukehren, habe er aber nicht gespürt, sagt er heute. „Meine Eltern haben sich weder bei der Entscheidung eingemischt, was ich studiere, noch, was ich arbeite.“ Er hätte das Erbe auch ausschlagen können, sich nicht einreihen müssen in die Namen derer, die die Geschicke des Hauses beziehungsweise seiner Unternehmen in den vergangenen Generationen geprägt haben. Und doch hat er es mit 35 Jahren getan.
In Wallerstein werden mehrere Sorten Bier gebraut
Das Erbe umfasst zum einen das Brauhaus, dessen Bier nicht nur auf der Nördlinger Mess’ getrunken wird. Mehrere Sorten werden in Wallerstein gebraut. Im Vergleich zum Biergiganten Oettinger in der Nachbarschaft ist die Produktionsmenge von durchschnittlich 60000 Hektolitern pro Jahr gering. Oettingen-Wallerstein sagt es so: „Wir brauen Craft Beer seit über 400 Jahren.“ Genauer seit 1598. Und zwar mit Erfolg: Obwohl der Biermarkt schrumpft, wächst das Fürstliche Brauhaus Wallerstein um fünf bis zehn Prozent pro Jahr. Um das moderne Marketing, heißt es hinter vorgehaltener Hand, kümmert sich der Chef auch mal persönlich und postet auf dem Instagram-Account des Fürstlichen Brauhauses. Bier ist für ihn ein emotionales Produkt. Wenn die Handwerkskunst aus einfachen Dingen etwas Gutes macht, ist er begeistert. Jedes Jahr soll das Bier gleich schmecken, egal wie die Hopfen- oder die Gerstenernte war. „Bei einem Wein ist das völlig normal, wenn ein Jahrgang anders schmeckt als der vorherige“, sagt zu Oettingen-Wallerstein. Da brauche es viel Gefühl von den Braumeistern. Auch die trifft man auf der Mess’, konkret im Sixengarten, der vom Brauhaus bewirtet wird.
Neben dem Bier spielt der Forst eine wichtige Rolle. Knapp 11000 Hektar Landbesitz gehören der Familie zu Oettingen-Wallerstein, 70000 Festmeter Holz werden pro Jahr verkauft. Zum Beispiel an den Papierhersteller UPM in Augsburg. Der Wald, meint zu Oettingen-Wallerstein, mache extrem demütig. Wird ein Baum im Jahr 2018 gepflanzt, fällt ihn ein anderer im besten Fall um das Jahr 2100. Oder anders ausgedrückt: Auf den Gewinn muss man bei diesem Investment so lange warten, dass vielleicht erst die Enkel davon profitieren. Auch im Forst will zu Oettingen-Wallerstein neue Wege gehen. Die Förster arbeiten mit Tablets, die Mitarbeiter bekommen ihre Aufträge aufs Handy geschickt. Derzeit wird auch eine Drohne getestet. Die fliegt mit einer Kamera mehrmals über die Bäume, im besten Fall bei gleichen Lichtbedingungen. Vergleicht man die Bilder, können Experten beispielsweise erkennen, ob sich der Borkenkäfer an einer Stelle ausbreitet. Zu Oettingen-Wallerstein sagt: „Wir testen, ob wir die Technik für uns nutzen können. Ich bin überzeugt, dass diese Technik für uns eine Rolle spielen wird, es ist lediglich eine Frage der Zeit, bis diese für uns praxistauglich ist.“
Die fürstliche Familie bietet letzte Ruhestätten an
Der Wald der fürstlichen Familie ist aber nicht nur eine Art Holzlieferant. Für viele Menschen ist er ein ganz besonderer Ort, auch dank Carl-Eugen zu Oettingen-Wallerstein. Der 48-Jährige hatte die Idee, auf seinem Land letzte Ruhestätten anzubieten. Auf der Ostalb bei Lauchheim und im Landkreis Donau-Ries bei Harburg können sich Menschen in einem bestimmten Abschnitt im Wald ein Fleckchen unter einem Baum aussuchen, an dem eines Tages ihre Urne begraben wird. Immer wieder werde er auf die Waldruh Naturbestattung angesprochen, sagt zu Oettingen-Wallerstein. Es sind Gespräche, in denen es fast selbstverständlich schnell persönlich wird, geht es doch um die eigene Endlichkeit. Viele bedankten sich, dass die fürstliche Familie solche letzte Ruhestätten anbietet, sagt der Unternehmenschef. Und mancher schütte ihm sein Herz aus.
Es ist eine weite Spanne vom Lebensende eines Menschen über die Forstwirtschaft zum Bier, nicht zu vergessen die Immobilien der Familie oder ihre Windräder. Doch es ist genau das, was zu Oettingen-Wallerstein gefällt – die Vielfalt der Themen. Vermutlich wird er noch das eine oder andere draufpacken, das Erbe seiner Familie weiterentwickeln. Der Wappenspruch der Oettingen-Wallersteiner lautet „Wachsamkeit und Treue“. Die Treue ergibt sich durch die Historie der vergangenen Jahrhunderte fast schon von selbst. Die Wachsamkeit ist es, die Carl-Eugen zu Oettingen-Wallerstein antreibt: Man müsse in der heutigen, schnelllebigen Zeit nicht alles mitmachen. Doch man müsse die Dinge bewusst in Angriff nehmen.