Deutschland ist ein Land der Erfinder. Zumindest drängt sich dieser Eindruck jedem auf, der ab und an mal den Fernseher einschaltet. Millionen schauen zu, wenn Nachwuchs-Gründer sich in „Die Höhle der Löwen“ wagen und mit Bartpflege-Sets oder Abfluss-Reinigern um fünf Investoren buhlen.Der Sender ProSieben hat aus der Gründer-Euphorie gar eine aufwendige Samstagabend-Show gemacht. An diesem Wochenende läuft das Finale von „Das Ding des Jahres“.
Aber während sich die Deutschen auf dem Sofa für mutige Gründer begeistern, ist vielen Unternehmertum im wirklichen Leben ziemlich fremd. Fast nirgendwo in Europa sind Firmengründungen unpopulärer als in der Bundesrepublik. 2017 sank die Zahl der Gründer auf ein historisches Tief.
Das heißt nicht, dass die Start-up-Szene in Deutschland unbedeutend ist. Berlin ist hinter London Europas Start-up-Zentrum, auch München wird immer wichtiger für internationale Investoren. Und doch fehlen vor allem jene Unternehmer, die neue Technologien entwickeln und Visionen haben, die mit denen von Amazon-Chef Jeff Bezos oder Tesla-Boss Elon Musk vergleichbar wären.
Wer einen guten Job hat, gibt ihn nicht so leicht auf
Die Gründer-Flaute ist Nebeneffekt der guten Wirtschaftslage: Die ohnehin risikoscheuen Arbeitnehmer wählen in solchen Zeiten Sicherheit statt Unternehmergeist. Dabei wird oft vergessen, dass die Wirtschaft ohne mutige Unternehmer und innovative Gründer längst nicht so erfolgreich wäre. Aber wer einen gut bezahlten Job hat, überlegt sich zwei Mal, ob er ihn einfach aufgibt. Noch dazu für einen Traum, der harte Arbeit erfordert – und trotzdem schnell wieder platzen kann.
Diese in Deutschland besonders ausgeprägte Angst vor dem Scheitern hält viele Gründer zurück. Bei ihren amerikanischen Kollegen könnten sich deutsche Nachwuchs-Unternehmer allerdings abschauen, dass es auch anders gehen kann: Denn in den USA ist unternehmerisches Denken viel stärker in der Gesellschaft verwurzelt. Selbstständigkeit gilt dort mehr als Chance denn als unkalkulierbares Risiko.
Natürlich lässt sich ein solcher Mentalitätswechsel nicht von heute auf morgen durchsetzen. Um das zu erreichen, muss man schon in der Schule ansetzen. Dort spielt das Thema Wirtschaft nur eine untergeordnete Rolle. Wer keinen Unternehmer in der Familie hat, kommt bis zum Abschluss kaum in den Kontakt mit der Idee des Unternehmertums. Um Schülern ein wirtschaftliches Grundverständnis beizubringen, braucht es deshalb noch mehr Ausflüge zu lokalen Mittelständlern, Gründer-Wettbewerbe oder intensive Praxiswochen.
Bürokratie-Hürden für Gründer müssen wegfallen
Das allein reicht aber nicht aus. Gründen muss einfacher werden. Dazu gehört die Finanzierung, die für Jung-Unternehmer noch immer die größte Hürde ist. Viele Banken lassen sich auch von vielversprechenden Businessplänen nicht überzeugen. Dazu gehört aber auch die Bürokratie, die Gründer oft schon am Anfang abschreckt. Wer sich sofort um etliche Anschreiben aus dem Finanzamt kümmern muss, verliert wichtige Zeit und Energie. Ein Land wie Israel ist da schon viel weiter. Die dortigen Behörden haben die Bürokratie-Hürden für neue Unternehmen radikal reduziert.
Immerhin haben Universitäten, Hochschulen und Wirtschaftskammern das Problem längst erkannt. Sie unterstützen Gründer heute so gut wie nie zuvor. Das ist wichtig, damit aus der Gründer-Flaute keine Gründer-Misere wird. Denn eine Volkswirtschaft lebt von ihren mutigen Unternehmern. Wer heute gründet, kann morgen ein erfolgreicher Mittelständler sein – und damit unentbehrlich für die deutsche Wirtschaft.