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Dessous-Konzern: "Engel in der Hölle": Sex-Skandal um Victoria's Secret weitet sich aus

Dessous-Konzern

"Engel in der Hölle": Sex-Skandal um Victoria's Secret weitet sich aus

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    Ein Sex-Skandal bringt das Unternehmen Victoria's Secret in erhebliche Schwierigkeiten.
    Ein Sex-Skandal bringt das Unternehmen Victoria's Secret in erhebliche Schwierigkeiten. Foto: Ian Langsdon/EPA, dpa (Archiv)

    Am Ende stürzt das Unternehmen womöglich über das, was es über Jahrzehnte am besten verkaufen konnte: Sex. Mit wogenden Hüften, riesigen Flügeln und minimaler textiler Ausstattung schickte das Unterwäsche-Label "Victoria's Secret" über Jahre seine Models über die Bühne, um Push-up-BHs und String Tangas zu vermarkten. Realitätsferne Männerfantasien trafen auf ihre weibliche Verkörperung. Supermodels wie Heidi Klum, Gigi Hadid und Kendall Jenner wurden als "Engel", wie die Laufsteg-Schönheiten genannt wurden, berühmt. Doch nun strauchelt das ohnehin angeschlagene Unternehmen in Richtung des wirtschaftlichen Abgrunds. "Engel in der Hölle" betitelt die New York Times eine Geschichte, die von Mobbing und sexuellen Missbrauch berichtet. Von einer "Kultur der Frauenfeindlichkeit" in der Traumfabrik ist die Rede.

    Die Vorwürfe, die gegenüber dem amerikanischen Konzern erhoben werden, wiegen schwer. "Ed Razek, über Jahrzehnte einer der höchsten Manager bei L Brands, dem Mutterkonzern von Victoria's Secret, war Gegenstand wiederholter Beschwerden über unangemessenes Verhalten", schreibt die New York Times. "Er versuchte, Models zu küssen. Er bat sie, sich auf seinen Schoß zu setzen. Er griff vor der Victoria's Secret Modeschau 2018 einem Model in den Schritt." Zu Topmodel Bella Hadid soll der 71-Jährige gesagt haben: "Lass das Höschen weg". Die Liste geht weiter: "Ein Model, Andi Muise, sagt, dass Victoria's Secret sie nicht mehr gebucht hat, nachdem sie die Avancen von Herrn Razek zurückgewiesen hat", schreibt die US-Zeitung.

    Konsequenzen musste der Manager offenbar nicht befürchten: Leslie Wexner , 82, Gründer und Besitzer des einst so schillernden Unternehmens, soll diese sexuellen Übergriffigkeiten über Jahre ignoriert haben. "Der Missbrauch wurde nur weggelacht und als normal akzeptiert", zitieren die Times-Journalisten in ihrem Report Casey Crowe Taylor, eine frühere Angestellte des Unterwäschekonzerns. "Und jeder, der versucht hat, etwas zu unternehmen, wurde nicht einfach ignoriert. Er wurde bestraft." Manager Razek, der im Sommer 2019 in den Ruhestand ging, weist jede Schuld von sich. Besitzer Wexner plant offenbar den Verkauf des Sorgenkinds Victoria's Secret.

    Der Eigentümer von Victoria's Secret galt als Förderer des Sex-Täters Jeffrey Epstein

    Für das Unternehmen kommen die Enthüllungen zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Denn der letzte Skandal ist noch längst nicht ausgestanden. Der Name Les Wexner fiel nämlich auch im Zusammenhang mit den Ermittlungen um den Milliardär und verurteilten Sexualstraftäter Jeffrey Epstein. Der soll Victoria's Secret genutzt haben, um Minderjährige für seine Sex-Partys zu rekrutieren. Wexner gehörte lange zu den Förderern von Epstein, überließ ihm laut Medienberichten sein New Yorker Townhouse und sein Anwesen in Ohio. Epstein wiederum war für Wexner als Finanzberater tätig, soll sogar dessen Steuererklärung unterschrieben haben. Im vergangenen August nahm sich Epstein in der Haft das Leben.

    Die juristische Bewertung wird das eine sein, der Schaden für die Marke das andere. Während das glamouröse Geschäftsmodell von Victoria's Secret über Jahre hinweg gut funktionierte und die Models um der Karriere willen schwiegen, macht ihm inzwischen der Zeitgeist einen Strich durch die Rechnung. Die MeToo-Bewegung und der Wunsch vieler Frauen nach einem positiven Körpergefühl passen nicht mehr zum Image von Victoria's Secret.

    Laut einer Umfrage der Marktforschungsfirma YouGov aus dem Jahr 2018 hat die Reizwäsche-Firma bei Frauen im Alter zwischen 18 und 49 Jahren kräftig an Ansehen eingebüßt. Das lässt sich auch an der wirtschaftlichen Entwicklung ablesen. Schon im vergangenen Jahr wurde die Kult-Modenschau gestrichen – zum ersten Mal seit 1995. Und auch in diesem Jahr werden die "Engel" wohl am Boden bleiben. Die Zuschauerzahlen der Shows, die seit 2001 im Fernsehen übertragen wurden, sind in den vergangenen zehn Jahren um die Hälfte eingebrochen. Nicht viel besser sieht es in den Läden der Modekette aus: Selbst mit Rabatten und verlängerten Sonderverkaufsaktionen konnten die Verkäufe nicht angekurbelt werden, die Lagerbestände wuchsen schneller als der Absatz.

    Geschäfte in den USA mussten geschlossen werden, die Aktienkurse brachen ein und haben sich bis heute nicht erholt, Milliardenwerte verpufften innerhalb kürzester Zeit. Analysten gehen allerdings davon aus, dass hinter den wirtschaftlichen Nöten neben dem schlechten Ruf auch ein verfehltes Konzept steht, das den Online-Handel lange vernachlässigt habe. Doch alleine am Businessplan dürfte es nicht liegen.

    Victoria's Secret steht mehrfach in der Kritik - kann sich die Marke erholen?

    Denn es ist nicht das erste Mal, dass am Image des Unterwäsche-Herstellers gekratzt wird. Erst vor wenigen Wochen veröffentlichte die "Boston University School of Medicine" eine Studie, wonach der ohnehin schmale Taillenumfang und die Konfektionsgröße der Victoria's Secret Models in den vergangenen Jahren stetig kleiner geworden sind. Die Körpermitte der Unterwäsche-Models misst im Schnitt 59,9 Zentimeter, im Jahr 1995 waren es noch durchschnittlich etwa 62,7 Zentimeter. Damit bewegt sich das Unternehmen nicht nur weg von den (wachsenden) Maßen der Durchschnittsfrau, sondern entfernt sich auch von einem Publikum, das die Gleichung dünner ist gleich schöner nicht mehr fördern will.

    Heidi Klum war einer der „Engel“, die für Victoria’s Secret über den Laufsteg stolzierten. Junge Frauen können mit der Marke nur noch wenig anfangen.
    Heidi Klum war einer der „Engel“, die für Victoria’s Secret über den Laufsteg stolzierten. Junge Frauen können mit der Marke nur noch wenig anfangen. Foto: dpa

    "Die Besetzung der richtigen Werte spielt für erfolgreiche Marken natürlich eine große Rolle und die Werte ändern sich in der Gesellschaft", sagt Christian von Thaden, Marketingspezialist bei Batten & Company in Düsseldorf, unserer Redaktion. Bewegungen wie #metoo gelten nicht als Auslöser dieser Entwicklung, sondern eher als Symptom: Ein nennenswerter Teil der Frauen ist nicht mehr bereit, sich allein über den Grundsatz "sex sells" zu definieren. Hinzu komme aber auch etwas, das von Thaden als "Kohorteneffekt" bezeichnet: Was für die eine Generation als besonders attraktiv sein, muss für die folgende Generation nicht unbedingt erstrebenswert sein. "Es ist dann die Aufgabe, diese Marken wieder für eine jüngere Zielgruppe zu erschließen", sagt Christian von Thaden.

    Schwierig wird es allerdings, wenn die Marke nicht nur als überholt gilt, sondern als beschädigt. "Natürlich kann ein Image wieder repariert werden, das ist aber nicht einfach und dauert", sagt der Marketingexperte. "Es ist um ein x-faches aufwendiger, eine verlorene Reputation wiederzuerlangen, als diese zu verspielen." Wichtig sei, dass die Korrektur glaubwürdig sein muss. "Mit reinen Lippenbekenntnissen wird es nicht gehen, das ist kein Kommunikationsthema, sondern eines der tatsächlichen Leistung, die dann natürlich auch kommuniziert werden muss."

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