In der Nullzinsphase der vergangenen Jahre haben neue Privatanleger den Weg an die Börse gefunden. Jetzt sind die Märkte im Corona-Crash in die Tiefe gerauscht. Tröstlich mag es da erscheinen, dass viele Unternehmen trotzdem Dividenden ausschütten wollen. Trotzdem aber muss man sich fragen, ob jetzt dafür die beste Zeit ist, vor allem, wenn auch Dax-Konzerne auf Hilfen des Staates setzen. Zweifel sind angebracht.
BMW beispielsweise will am 14. Mai seine Hauptversammlung digital abhalten. Dort soll wie geplant vorgeschlagen werden, rund 2,50 Euro je Aktie auszuschütten. Mit dreistelligen Millionensummen könnten dann die beiden Haupteigentümer Susanne Klatten und Stefan Quandt rechnen, die rund 47 Prozent an BMW halten.
Besser Rücklagen für die bevorstehende tiefe Rezession bilden
Der Münchner Autobauer argumentiert angesichts der Kritik, dass Dividenden vergangenheitsorientiert sind: „Die BMW Group beteiligt ihre Aktionäre am wirtschaftlichen Erfolg des Geschäftsjahres 2019.“ Und da sah es gut aus. Die Zahl verkaufter Autos: ein Rekord. Der Umsatz: ebenfalls ein Rekord.
Doch ein Unternehmen darf nicht nur zurückblicken. Die Firmen sollten angesichts der kommenden Rezession genau prüfen, ob es nicht vorteilhaft sein könnte, Rücklagen zu haben. Die Europäische Zentralbank hat den Banken empfohlen, bis zum 1. Oktober 2020 keine Dividenden mehr auszuschütten. Eine Aktie bleibt eine Anlage mit Risiko. Sie verspricht in guten Zeiten eine Beteiligung am Unternehmensgewinn. In schlechten Zeiten müssen die Aktionäre Tiefschläge mittragen.
BMW argumentiert auch, dass die Zahlung der Dividende eine Sache des Vertrauens ist: Pensions- und Investmentfonds legten Wert auf verlässliche Ausschüttungen. Zudem sei die Erfolgsbeteiligung der Mitarbeiter für das Jahr 2019 an die Dividende gekoppelt. „Würde diese gestrichen, würde dies auch automatisch die Bezüge der Mitarbeiter vermindern.“
Wissen muss man aber, dass ein großer Teil der Dividenden am Ende ins Ausland fließt. Ausländischen Investoren gehört einer Studie zufolge rund die Hälfte des Dax. In Deutschland sind gerade einmal 15,2 Prozent der Bevölkerung Aktionäre, berichtet das Deutsche Aktieninstitut.
Staatsgeld nutzen und Dividende zahlen, ist moralisch fragwürdig
Problematisch ist das Ganze aber vor allem, da viele Unternehmen Hilfe des Staates nutzen, darunter BMW. Der Münchner Autobauer hat rund 20.000 Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt. Ihr Lohn wird mit Mitteln der Bundesagentur für Arbeit aufgestockt. Diese verfügt zwar über ein Finanzpolster von rund 26 Milliarden Euro. Dabei handelt es sich aber auch um Geld, das Millionen Arbeitnehmer für ihre staatliche Arbeitslosenversicherung aufgebracht haben.
BMW ist nicht alleine. Auch der Chemiekonzern BASF beispielsweise will eine Dividende zahlen, nutzt aber Kurzarbeit. Dem SPD-Politiker Carsten Schneider ist angesichts dessen der Kragen geplatzt: „Kurzarbeit ist Staatshilfe“, argumentierte er überzeugend. „Wer auf Staatshilfe setzt, kann nicht gleichzeitig Gewinne an Aktionäre ausschütten.“ Dies sei die „hässliche Fratze des Kapitalismus“, fügte er an. Das ist überspitzt. Moralisch fragwürdig aber ist es, privaten Eigentümern Gewinne auszuschütten, während man gleichzeitig die Solidarität der Allgemeinheit nutzt. Fragwürdig wird die Dividendenausschüttung zudem, wenn Autokonzerne bald von einer Wiederauflage der staatlichen Abwrackprämie profitieren könnten.
Einzelne Konzerne haben ihre Dividendenpläne inzwischen korrigiert. Der Triebwerkhersteller MTU zahlt heuer keine Dividende. Adidas erklärte, auf Dividende und Aktienrückkäufe zu verzichten. Dies war die Bedingungen für einen Milliardenkredit der staatlichen KfW-Förderbank.
Wie sagte kürzlich Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz? „Jetzt üppige Dividenden auszuschütten und später gegebenenfalls nach dem Staat zu rufen, das passt nicht zusammen.“ Er hat recht.