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Debatte: Die Werte der Gewerkschaften sind in der Corona-Krise gefragt

Debatte

Die Werte der Gewerkschaften sind in der Corona-Krise gefragt

Stefan Stahl
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    So wie früher bei den Mai-Demos wird es 2020 nicht sein. Dennoch sind die Gewerkschaften in der Krise gefragt.
    So wie früher bei den Mai-Demos wird es 2020 nicht sein. Dennoch sind die Gewerkschaften in der Krise gefragt. Foto: Peter Endig, dpa

    In Krisen-Zeiten sind Gewerkschafter besonders herausgefordert. In einem Land wie Deutschland, in dem Sozialpartnerschaft, der Ausgleich von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen, gelebt wird, suchen Bundes- und Landesregierungen in Ausnahmesituationen den Rat der Beschäftigtenvertreter. Das Prinzip der Einbindung, wie es auch in vielen Betrieben hochgehalten wird, hat sich bewährt. Wenn am 1. Mai Gewerkschafter leider nur digital den Tag der Arbeit feiern, können sie eine positive Bilanz ihres Engagements für Arbeitnehmer ziehen.

    Der gewerkschaftliche Wert der Solidarität blüht auf

    Schon während der Finanzmarktkrise der Jahre 2008 und 2009 suchte Kanzlerin Angela Merkel den Rat von Gewerkschaftern wie dem damaligen IG-Metall-Chef Berthold Huber. Der Pragmatiker und seine Kollegen setzten sich erfolgreich für eine großzügige Kurzarbeiter-Regelung und eine Abwrackprämie beim Kauf eines neues Autos ein. Die Bundesregierung ließ sich überzeugen. Zwischen Huber und Merkel passte die Chemie. Wenn ein Land mit dem Rücken zur Wand steht, bedarf es solch politischer Sondereinsatzkommandos. Deshalb hat die Kanzlerin auch in Corona-Zeiten wieder Nähe zu führenden Gewerkschaftern gesucht. Dass nun die Kurzarbeiter-Regelung noch einmal nachgebessert wird und davon vor allem besonders betroffene Arbeitnehmer profitieren, ist der Beharrlichkeit von Gewerkschaftern, aber auch ihrem Vertrauensverhältnis zu den Spitzenkräften der Bundesregierung zu verdanken.

    Dabei blüht der gewerkschaftliche Wert der Solidarität auf. Durch das Land geht immer wieder ein Wärmestrom: Menschen gehen sorgsamer miteinander um. Junge kaufen für Ältere ein. Und es wird diskutiert, wie Menschen nach Corona die Welt sozialer und ökologischer gestalten können, damit die nächste Pandemie uns nicht umhaut und vielleicht sogar verhindert werden kann, indem die Natur wieder mehr Raum bekommt. Der für ein gedeihliches Zusammenleben der Menschen so wichtige Wert der Solidarität verweist letztlich auch auf das während der Französischen Revolution angepriesene Prinzip der Brüderlichkeit. Wer heute einem anderen Menschen, den er nicht kennt, von Balkon zu Balkon einfach mal lächelnd zuwinkt, zeigt Brüderlichkeit oder Schwesterlichkeit, ja Solidarität.

    Übermäßige Bürokratie verlangsamt den Weg aus der Krise

    Doch die Kardinal-Tugend wird vor allem im nächsten Jahr auf eine harte Probe gestellt. Wenn Kurzarbeit nicht mehr greift und Deutschland nach wie vor in einer Rezession feststeckt, bedarf es tausender sozialpolitischer Sondereinsatzkommandos. Denn dann drohen nicht nur im Zuge von Insolvenzen Entlassungen im größeren Stil. Um hier einen Flurschaden zu verhindern, sollten sich Arbeitgeber- wie Arbeitnehmervertreter auf die große Lehre aus der großen Rezession von 1993 besinnen: Damals gelang es, dank vieler Beschäftigungspakte auf Betriebsebene Jobs zu sichern und einen noch größeren Abbau von Industrie-Arbeitsplätzen zu verhindern.

    Trotzdem stieg die Zahl der Arbeitslosen massiv an. Deutschland passte sich nur schmerzhaft an die härtere Gangart der Globalisierung an. Letztlich war es mit Gerhard Schröder ein Sozialdemokrat, der überfällige Reformen einleitete und Merkel damit ungewollt gute Dienste erwies.

    Eine der Erkenntnisse von damals lautet auch: Übermäßige Bürokratie verlangsamt den Weg aus der Krise. Die derzeit tatkräftig im Ausnahmezustand alles und jedes regelnde Bundesregierung muss sich irgendwann wieder einbremsen, damit das Deutschland nach der Krise kein überregulierter, lahmer Riese wird, der alle Lebensbereiche mit Vorschriften überzieht, in denen unternehmerische Freiheit sich überall blaue Flecken holt.

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