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Das Wurstkartell: Wursthersteller müssen Millionenbußgeld zahlen

Das Wurstkartell

Wursthersteller müssen Millionenbußgeld zahlen

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    Wegen verbotener Preisabsprachen hat das Bundeskartellamt Bußgelder in einer Gesamthöhe von rund 338 Millionen Euro gegen 21 Wursthersteller und zahlreiche Führungskräfte der Branche verhängt.
    Wegen verbotener Preisabsprachen hat das Bundeskartellamt Bußgelder in einer Gesamthöhe von rund 338 Millionen Euro gegen 21 Wursthersteller und zahlreiche Führungskräfte der Branche verhängt. Foto: Federico Gambarini/ dpa

    Die Welt der Wettbewerbe scheint kompliziert zu sein. So kompliziert, dass manche Unternehmen die Sache mit der Konkurrenz lieber auf ein Mindestmaß beschränken. Weil es doch irgendwie praktisch sein kann, den Markt untereinander aufzuteilen. Weil es auch Vorteile hat, wenn der eine weiß, was der andere vorhat. Weil sich Preiserhöhungen gemeinsam viel leicht durchsetzen lassen.

    Wurstkartell: Der Verbraucher zahlt die Zeche

    Dass Konkurrenz das Geschäft beleben mag? Gemäß dieser Logik ist das gar nicht nötig – dem Kartell sei dank.

    Das Nachsehen hat in diesen Fällen der Verbraucher. Er zahlt in der Regel zu viel für sein Produkt, wenn Hersteller über Jahre die Preise absprechen. Und über welche kuriosen Kartelle hat sich der Supermarkt-Kunde nicht gewundert?

    Da war die Kartoffel- und Zwiebelindustrie, die fast ein Jahrzehnt im Preis-Gleichschritt marschierte. Da waren die Kaffeeröster, die Süßwarenhersteller oder die drei größten deutschen Zuckerverarbeiter, die ihre Produkte teurer verkauften als nötig. Und die elf namhaften Brauereien, die sich über Jahre deutlich zu viel abgezapft haben. Einen Euro mehr pro Kiste Bier zahlten die Kunden deswegen.

    Hersteller müssen 338 Millionen Euro zahlen

    Und jetzt auch noch überteuerte Wiener, Weißwürste und Wacholderschinken? Der Verdacht liegt zumindest nahe, nachdem das Bundeskartellamt gegen 21 Hersteller ein Bußgeld von insgesamt 338 Millionen Euro verhängt hat.

    Darunter sind bekannte Marken wie Herta, Meica, Rügenwalder und Wiesenhof. Auch Lutz Fleischwaren mit Hauptsitz in Landsberg am Lech ist betroffen. Der Wurstproduzent, der über Jahre Teil der Vion-Gruppe war, gehört seit Mai der Investmentgesellschaft Paragon – die vor allem als Investor für die insolvente Augsburger Verlagsgruppe Weltbild Schlagzeilen gemacht hat.

    Und wie agiert man als Kartellmitglied? Einfach kurz mal bei der Konkurrenz anrufen? Jedenfalls nicht, wenn es um das Wurstkartell geht. Über Jahrzehnte sind die Branchengrößen zum „Atlantic-Kreis“ zusammengekommen – benannt nach dem Hamburger Hotel Atlantic, wo das erste Treffen stattgefunden haben soll.

    Darüber hinaus habe es konkrete, meist telefonische Absprachen zwischen verschiedenen Herstellern gegeben, „gemeinsam Preiserhöhungen gegenüber dem Einzelhandel durchzusetzen“, heißt es beim Bundeskartellamt. Präsident Andreas Mundt berichtet: „Die Preisabsprachen wurden über viele Jahre praktiziert.“

    Auch deshalb hat die Behörde eine der höchsten Kartellstrafen in ihrer Geschichte verhängt. 338 Millionen Euro sollen die 21 Hersteller zahlen. Nach Mundts Worten relativiert sich die Summe, wenn man bedenkt, wie viele Firmen beteiligt waren – und, dass die Branche Milliardenumsätze macht.

    85 Prozent der Geldbußen entfallen auf Produzenten, die große Konzerne im Rücken haben, wie Böklunder, das zur Clemens-Tönnies-Gruppe gehört, oder Herta, Tochter des Nestlé-Konzerns. Lutz muss nach Informationen aus Branchenkreisen 3,3 Millionen Euro zahlen. Ob die Landsberger dagegen klagen, ist unklar. Am Stammsitz in

    Warum ist gerade der Lebensmittelhandel so anfällig?

    Die Strafe zeigt jedenfalls: Das Bundeskartellamt ist bereit durchzugreifen. Auch gegen das Bierkartell sprach es Bußgelder in Höhe von 340 Millionen Euro aus. Damit haben die Bonner allein in diesem Jahr Strafen von fast einer Milliarde Euro verhängt – ein neuer Rekord.

    Bleibt die Frage: Was macht ausgerechnet den Lebensmittelhandel so anfällig für Kartelle? Schließlich betont man in der Branche gern, der harte Wettbewerb sorge dafür, dass die Lebensmittelpreise in Deutschland zu den niedrigsten in Europa gehörten. Und tatsächlich beobachtet jeder der vier Handelsriesen Edeka, Rewe,Aldi und Lidl argwöhnisch die Preispolitik der anderen.

    Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Denn den dadurch ausgelösten Preisdruck geben die Händler an die rund 6000 Konsumgüterhersteller weiter, die ihre Produkte gerne in den Regalen sähen. „Fast überall im Lebensmittelhandel haben wir das gleiche Problem: Eine große Menge austauschbarer Lieferanten steht den großen Lebensmittelhändlern gegenüber und hat deren Einkaufsmacht so gut wie nichts entgegenzusetzen“, sagt Handelsexperte Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.

    Der von den Händlern ausgeübte Preisdruck sei enorm. Vielen Herstellern erscheine eine Kartellabsprache da geradezu als Notwehr. Weil weniger Wettbewerb ihre Welt eben weniger kompliziert macht. mit dpa

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