Zwischen Wunsch und Wirklichkeit liegen bei Daimler viele tausend verkaufter Autos. War unter dem früheren Konzern-Chef Jürgen Schrempp die schneidige Devise „Rendite, Rendite, Rendite“ Maßgabe, steht für seinen Nachfolger Dieter Zetsche das große „A“ im Vordergrund, eben Absatz und immer wieder Absatz.
Unternehmens-Chef Zetsche wirkt gelassen
Mit langem Atem will der Vorstandsvorsitzende im Premiumsegment die Dominanz von BMW und Audi brechen. Auf diese Reise, die nach der Strategie des Konzerns bis 2020 dauern könnte, geht Zetsche entspannt. Zur gestrigen Vorlage der Geschäftszahlen für 2012 erscheint er gebräunt, ja er wirkt erholt und spricht im Gegensatz zu Schrempp ohne jede Schärfe und alles Dröhnende.
Nachfragen beantwortet Zetsche höflich und mit Humor: „Die Nennung dieser Information scheint uns jetzt nicht sinnvoll zu sein.“ Zu seiner guten Stimmung mag auch beigetragen haben, dass die Wirtschaftsreporter darauf verzichten, das Privatleben des Managers zu erörtern. Der Name seiner Freundin Désirée Nosbusch fällt nicht, dafür kommt umso häufiger die Rede auf China.
Nach Pleite mit US-Autobauer Chrysler kein chinesischer Ankeraktionär gesucht
Fast könnte man meinen, die Daimler AG wolle sich bald in DaimlerChina AG umbenennen, um nach dem gescheiterten US-Abenteuer mit Chrysler ein neues zu wagen. Doch Zetsche ist als einstiger Chrysler-Chef ein gebranntes Fusionskind. Er und sein Finanzvorstand Bodo Uebber behaupten sogar, nicht einmal auf der Suche nach einem mächtigen Ankeraktionär zu sein. Ein solcher könnte ja, wie spekuliert wird, aus China kommen.
Einstweilen belässt es das Management beim überschaubaren Einstieg von zwölf Prozent beim chinesischen Autokonzern Bejing Automotive. Und im Daimler-Vorstand ist jetzt mit Hubertus Troska ein Mann ausschließlich für das China-Geschäft zuständig. Kritiker von Zetsche werten das als spätes Eingeständnis, die Dynamik des Marktes unterschätzt zu haben.
Mercedes fährt in China hinterher
Für den 59-Jährigen führt der Weg, die Fehler der Vergangenheit zu überwinden und bis 2020 BMW und Audi von den Spitzenplätzen im Premiumsegment zu verdrängen, über China. Aus Sicht des Konzerns ist Rot zur Farbe der Hoffnung geworden. Noch lassen sich die Erfolge des Unternehmens in dem Land allenfalls als blassrosa bezeichnen. Allein im vergangenen Jahr hat Audi dort 405 838 Autos verkauft.
Es folgt BMW mit 326 444. Mercedes fährt mit 196 211 Fahrzeugen hinterher. Zetsche räumt das selbstkritisch ein. Daimler-Manager zollen Audi sowie vor allem VW-Patriarch und -Vordenker Ferdinand Piëch Respekt für seinen Mut, früh nach China aufgebrochen zu sein und Rückschläge weggesteckt zu haben.
Mercedes ist sich seiner Stärken bewusst
Nun würde aber der Eindruck täuschen, die Stuttgarter seien zu bescheidenen, mit sich hart ins Gericht gehenden automobilen Nachzüglern geworden. Die Schwaben sind sich ihrer Stärken selbst bewusst und machen sie an den neuen Modellen wie der A-Klasse fest, die vom ADAC als „Lieblingsauto“ der Deutschen mit dem „Gelben Engel“ ausgezeichnet wurde.
„Und nie zuvor haben wir mehr B-Klassen verkauft als 2012“, sagt Zetsche, der 2013 mit neuer E- und S-Klasse das von Schrempp geschrumpfte Daimler-Selbstwertgefühl steigern will.
Gutes Ergebnis relativiert sich schnell
Dennoch, das deutet sich für Beobachter an, wird nach 2012 auch 2013 wohl ein Jahr des Übergangs für den Autobauer. Danach könnte sich zeigen, ob der Absatz mit neuen Modellvarianten wirklich wie erträumt steigt. Ab 2015 will Zetsche in China schon mindestens 300 000 Fahrzeuge im Jahr absetzen.
Da ist wieder das „A“, der neue Lieblingsbuchstabe des obersten Daimlianers. Bei aller Verkaufslust schauen Analysten und Aktionäre jedoch auf aus ihrer Sicht noch unbefriedigende Geschäftszahlen der Gegenwart. Zwar sollen die Anteilseigner wieder eine Dividende von 2,20 Euro je Papier erhalten, aber das auf den ersten Blick gute Ergebnis des Konzerns relativiert sich schnell.
Zeichen für Zetsche stehen gut
Denn ohne den Verkauf eines 7,5-prozentigen Daimler-Anteils am Luftfahrtkonzern EADS für 709 Millionen Euro wäre das Ergebnis nicht derart deutlich von rund 6,0 auf 6,5 Milliarden Euro angeschwollen.
Trotz neuer Absatz- und Umsatzrekorde ist Zetsche mit der Profitabilität des Unternehmens unzufrieden. „Hier haben wir noch nicht unsere Zielwerte erreicht.“ Das gilt besonders für das derzeit größte Daimler-Sorgenkind, die tief in die roten Zahlen gerutschte Bus-Sparte.
Wie berichtet, sollen hier deutschlandweit etwa 650 Arbeitsplätze abgebaut werden. Auch das Werk in Neu-Ulm mit 3700 Mitarbeitern ist betroffen. Insgesamt soll die Zahl der Beschäftigten 2013 mit rund 275 000 indes stabil bleiben.
Für Zetsche scheinen die Zeichen derzeit privat wie beruflich gut zu stehen. Es zeichnet sich ab, dass sein Vertrag bald verlängert wird. „Wer soll es auch besser machen?“, sagt Automobilexperte Professor Ferdinand Dudenhöffer. Jedenfalls hat kein anderer die Hand gehoben.