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Covid-19: Von Italien bis in die USA: Corona wird international zum Wirtschaftskiller

Container im Hamburger Hafen. Das neuartige Coronavirus trifft die Wirtschaft erheblich.
Covid-19

Von Italien bis in die USA: Corona wird international zum Wirtschaftskiller

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    „Wachstum für alle“, versprach der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis in seiner Neujahrsansprache. Mit einem Plus von 2,8 Prozent rechnete die Regierung für dieses Jahr. Aber diese Prognose ist Makulatur. „Die Lage ist schlecht, und sie verschlechtert sich weiter“, sagt Finanzminister Christos Staikouras. „Unsere Wirtschaft wird 2020 in die Rezession rutschen.“

    Das Land ist gelähmt. Schulen, Geschäfte, Gaststätten und Hotels sind geschlossen. Besonders hart trifft die Corona-Epidemie den Tourismus, Griechenlands wichtigsten Wachstumsmotor, der fast 20 Prozent zur Wirtschaftsleistung beiträgt und jeden fünften Arbeitsplatz stellt. Eine Rezession sei angesichts der hohen Abhängigkeit vom Tourismus unausweichlich, meint Jakob Suwalski, Griechenland-Analyst bei der Ratingagentur Scope. „Wir erwarten für Griechenland ein Minus von zwei Prozent, falls sich die Shutdowns in Europa im Mai graduell lockern“, sagte Suwalski unserer Redaktion. Wenn sich die Krise länger hinzieht, könne der wirtschaftliche Einbruch aber auch leicht zweistellig werden.

    Premier Mitsotakis nimmt jetzt viel Geld in die Hand: Zehn Milliarden Euro will er für die Stützung der Unternehmen und Lohnsubventionen ausgeben. Möglich wird das, weil die EU die Defizitregeln lockert. Während Griechenland in der Euro-Krise mehrmals am Rand des Staatsbankrotts stand, ist diesmal allerdings kein Zahlungsausfall zu befürchten. Finanzminister Staikouras sitzt auf einem Liquiditätspolster von 32 Milliarden Euro. Mit der Rücklage ist Griechenland bis weit ins Jahr 2023 durchfinanziert.

    Italien: Hilferuf aus dem Süden
    Italien: Hilferuf aus dem Süden Foto: Fabio Sasso, dpa

    In Italien war in den vergangenen Wochen oft vom „Patienten Nummer 1“ die Rede. Gemeint war die Person, die das Virus im Land unbewusst weiterverbreitete. Nun dürfte bald klar werden, wer Patient Nummer 1 in der EU ist: Der hoch verschuldete italienische Staat, der nicht erst seit der Corona-Krise das Sorgenkind des ganzen Kontinents ist. Italien ist die drittgrößte Volkswirtschaft in der EU und damit „too big to fail“.

    Ein durch zusätzliche Verschuldung ausgelöster Staatsbankrott hätte dramatische Folgen, weit über Italien hinaus. Doch genau das passiert derzeit. Um den wirtschaftlichen Schaden im Land abzufedern, versprach die Regierung bislang 25 Milliarden Euro. Monatlich sollen Nachbesserungen folgen. Geldflüsse von bis zu 340 Milliarden Euro stellte Finanzminister Roberto Gualtieri in Aussicht. Das von der Finanzkrise 2009 schwer getroffene Land hat keine Reserven, im Gegenteil. Vor der Corona-Krise lag die Staatsverschuldung bei mehr als 130 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP), nach der Krise könnte sie bei 170 Prozent liegen, fürchten Experten.

    Angesichts der drohenden weltweiten Rezession ist die Frage, wie lange die Finanzmärkte Italiens Schuldenlast als noch finanzierbar einschätzen. Rom blickt deshalb voller Hoffnung auf die EU-Partner und verlangt Corona-Bonds, also eine Vergemeinschaftung der Schulden. Der Hilferuf aus dem Süden wird bislang ignoriert. „Das hässliche Europa“, titelte La Repubblica deshalb am Freitag. Das Ringen um das finanzpolitische Überleben Italiens und der EU hat gerade erst begonnen.

    China: Die Wirtschaft ist abhängiger vom Westen als angenommen
    China: Die Wirtschaft ist abhängiger vom Westen als angenommen Foto: Xiao Yijiu, dpa

    Praktisch in Echtzeit lässt sich beobachten, wie in der 20-Millionen-Metropole Peking ein ums andere Restaurant wieder öffnet, U-Bahn-Züge sich füllen und die Leute wieder mehr auf die Straße gehen – einige schon ohne Gesichtsmaske. Das Virus scheint vorerst unterdrückt. Dennoch gibt es in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt keinen Grund für verfrühten Optimismus – im Gegenteil.

    Anfang vergangener Woche hat Pekings Statistikamt erstmals Konjunkturzahlen für Januar und Februar veröffentlicht: Demnach ist die heimische Industrieproduktion um 13,5 Prozent gesunken, Anlageinvestitionen gar um ein Viertel. Immerhin läuft die Wirtschaft in einigen Landesteilen wieder in mehr oder weniger geregelten Bahnen, vor allem im finanzstarken Süden des Landes: In der Provinz Guangdong sollen laut offiziellen Zahlen nahezu alle Firmen wieder im Normalbetrieb arbeiten – vor vier Wochen waren es gerade mal die Hälfte. Landesweit seien gut drei Viertel aller großen Unternehmen wieder in Betrieb.

    Den offiziellen Zahlen aus den Provinzen kann man allerdings nur bedingt trauen: Eine stichprobenhafte Recherche des für chinesische Verhältnisse kritischen Magazins Caixin ergab, dass viele Fabriken und Unternehmen Licht und Klimaanlagen rund um die Uhr laufen ließen, um in den Statistiken Produktivität vorzutäuschen. Die Viruskrise bringt jedoch etwas anderes ans Tageslicht. China ist mindestens so abhängig vom Westen wie andersherum. Die in China verarbeiteten Halbleiter werden auf Maschinen hergestellt, die aus der Schweiz stammen, Chemikalien kommen aus Deutschland und die hochwertigen Pharmaka aus den USA.

    USA: Der wirtschaftliche Boom ist beendet
    USA: Der wirtschaftliche Boom ist beendet Foto: John Minchillo, dpa

    US-Präsident Trump droht in der Corona-Krise sein wichtigstes Argument für eine Wiederwahl im November wegzubrechen: die boomende Wirtschaft. Diesem Boom setzt die Krise nun ein jähes Ende. Die Investmentbank Morgan Stanley sagt einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um sagenhafte 30,1 Prozent im zweiten Quartal voraus – und einen Anstieg der Arbeitslosenquote von 3,6 auf 12,8 Prozent. Auch am Aktienmarkt – den Trump zu seinem Erfolgsmaßstab gemacht hat – sieht es düster aus. Der Aktienindex S&P 500 ist zwischenzeitlich unter den Wert zum Zeitpunkt von Trumps Einzug ins Weiße Haus gefallen.

    Republikaner und Demokraten machten in dieser Woche den Weg frei für ein zwei Billionen Dollar schweres Konjunkturpaket. Damit will der US-Kongress die wirtschaftlichen Verwerfungen der Coronavirus-Epidemie abfedern. Das Paket soll unter anderem direkte Hilfszahlungen an US-Steuerzahler umfassen, außerdem eine deutliche Verbesserung der Arbeitslosenversicherung, mehr Geld für Krankenhäuser und ein umfassendes Kreditprogramm für Unternehmen.

    Trump hat bereits vom „größten und mutigsten“ Paket der US-Geschichte gesprochen. Doch Fakt ist eben auch: Fast die Hälfte der rund 327 Millionen Amerikaner unterliegt inzwischen Ausgangsbeschränkungen in den jeweiligen Bundesstaaten. Trump selbst hat Richtlinien erlassen, die unter anderem vorsehen, dass Ansammlungen mit mehr als zehn Menschen vermieden werden sollen. Diese Richtlinien gelten 15 Tage lang. Trump macht bereits deutlich, dass er sie nicht auf lange Sicht aufrecht erhalten will.

    Spanien: Die Wunden der letzten Finanzkrise sind noch nicht verheilt
    Spanien: Die Wunden der letzten Finanzkrise sind noch nicht verheilt Foto: Joaquin Corchero, dpa

    Schon vor der Corona-Krise stand es nicht zum Besten um Spaniens wirtschaftliche Gesundheit. Denn auch zehn Jahre nach der großen Finanz- und Immobilienkrise, in der das Land knapp am Bankrott vorbeischrammte, sind die Wunden nicht verheilt. Damit ist die viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone schlecht gerüstet für die wirtschaftlichen Auswirkungen der Virus-Pandemie.

    Schon die nackten Zahlen lassen wenig Gutes ahnen: Spanien startete mit 14 Prozent Arbeitslosigkeit ins Jahr 2020, nur Griechenland steht schlechter da. Bei den unter 26-jährigen Spaniern sind sogar 31 Prozent ohne Job. Die Gesamtschulden lagen 2019 mit 96 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) weit über der Euro-Stabilitätsgrenze von 60 Prozent. Das Haushaltsminus überstieg mit geschätzten 2,5 Prozent des BIP ebenfalls das mit Brüssel vereinbarte Ziel. Hinzu kommt eine schwache Minderheitsregierung aus Sozialisten und der Linkspartei Podemos. Ein Wackelkabinett, das sich nur dank der Stimmen der unberechenbaren katalanischen Separatisten halten kann und über geringen Handlungsspielraum verfügt.

    Der Tourismussektor, Spaniens wichtigster Jobmotor und größte Steuerquelle, liegt seit dem Corona-Ausbruch ohnehin am Boden. Der nationale Ausnahmezustand sorgt für einen weitgehenden Stillstand der Wirtschaft. Hunderttausenden Angestellten droht Kurzarbeit oder gar Entlassung. Zudem zeichnet sich eine Firmenpleitewelle ab. Regierungschef Pedro Sánchez schnürte zwar ein milliardenschweres Hilfspaket. Doch die Sache hat einen Haken: Der Schuldenstaat Spanien hat kein Geld, um diese Hilfen auch zu bezahlen.

    Türkei: Die Tourismus-Branche erwartet Milliardenverluste
    Türkei: Die Tourismus-Branche erwartet Milliardenverluste Foto: Marius Becker, dpa (Archiv)

    Leere Hotels, verwaiste Strände – und das ausgerechnet am Saisonbeginn: Die Coronavirus-Pandemie hat der türkischen Fremdenverkehrsindustrie einen schweren Schlag versetzt – und damit einem wesentlichen Zweig der türkischen Wirtschaft. Das Ostergeschäft, das in normalen Jahren einen ersten Höhepunkt der Besucherzahlen bringt, ist für die Türkei bereits verloren, und auch die Sommersaison ist wegen der Ausbreitung des Virus in Gefahr. Die erwarteten Milliardenverluste der Tourismus-Branche sind nur eines der Probleme für die türkische Wirtschaft.

    Präsident Recep Tayyip Erdogan hat zwar ein Hilfspaket im Volumen von rund 14 Milliarden Euro auf den Weg gebracht, doch damit allein werden die Folgen der Pandemie nicht auszugleichen sein. Die türkische Wirtschaft war gerade auf dem Weg aus der Rezession, als das Virus die Konjunktur lahmlegte. Nun geht der Schwung verloren und die nächste Krise droht. Zehntausende Unternehmen sind geschlossen, hunderttausende Arbeitnehmer sitzen ohne Lohnfortzahlung zu Hause. Die private Verschuldung und das Haushaltsdefizit dürften steigen.

    Dollar-Verkäufe zur Stützung der Landeswährung Lira haben zudem die Reserven der Zentralbank auf 36 Milliarden Dollar sinken lassen, die Inflation liegt bei mehr als 12 Prozent. Erdogans Regierung bleibt bei ihrem Wachstumsziel von fünf Prozent für das laufende Jahr, doch diese Marke dürfte kaum zu erreichen sein, wenn der wirtschaftliche Stillstand noch lange dauert. Analysten schrauben ihre Wachstumsprognosen für das Land bereits drastisch zurück.

    Polen: Corona ist ein Schock zu viel
    Polen: Corona ist ein Schock zu viel Foto: Sebastian Kahnert, dpa

    Über 20 Jahre hinweg schien Polen immun zu sein gegen alle Konjunkturkrisen. Nach der EU-Erweiterung 2004 stieg das Neumitglied zum Wirtschaftswunderland des Ostens auf. Selbst die Weltfinanzkrise 2008/09 überstand Polen als einziger EU-Staat mit einem Wachstum. Die Corona-Pandemie aber zwingt nun auch den Champion in die Knie. So erwarten die Analysten der Warschauer mBank einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 2,5 im ersten und fünf Prozent im zweiten Quartal 2020.

    „Corona ist ein Schock zu viel für die polnische Wirtschaft“, urteilen die Banker. Das zeigte sich auch an den Börsen. Der Leitindex WiG-20 verlor zwischen Mitte Februar und Mitte März 40 Prozent seines Werts. Und auch die Landeswährung ging auf Talfahrt und lag auf dem tiefsten Stand seit der Weltfinanzkrise. Damals war die Abwertung durchaus hilfreich, weil sich Exporte verbilligten. In der Corona-Krise liegen die Dinge allerdings anders.

    Ähnlich wie Deutschland lebt Polen stark von kleinen und mittleren Betrieben sowie Soloselbstständigen, also von der Realwirtschaft und der Binnennachfrage. Die aber bricht aktuell dramatisch ein. Viele Handwerksbetriebe, Speditionen und Baufirmen, Gastronomen und Ladenbesitzer stehen vor dem Aus. 1,3 Millionen Arbeitslose zusätzlich erwarten Experten. Ob das beschlossene, rund 50 Milliarden Euro schwere Hilfspaket der Regierung reichen wird, ist zweifelhaft. Die guten Nachrichten für Polen lauten: Die Staatskasse ist gut gefüllt, und die Arbeitslosigkeit lag zuletzt mit 3,2 Prozent auf einem Rekordtief. (mit dpa)

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