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Corona-Pandemie: Helden des Alltags? Lkw-Fahrer fühlen sich wie "Aussätzige"

Corona-Pandemie

Helden des Alltags? Lkw-Fahrer fühlen sich wie "Aussätzige"

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    Lkw-Fahrer erzählen, dass sie in Corona-Zeiten deutlich weniger Staus erleben.
    Lkw-Fahrer erzählen, dass sie in Corona-Zeiten deutlich weniger Staus erleben. Foto: Uwe Anspach, dpa

    Manche Menschen können der Corona-Krise auch den ein oder anderen positiven Aspekt abgewinnen: "Es ist weniger Verkehr auf der Straße, es gibt keine Staus", sagt Jakob Richter (Name geändert). Freie Straßen sind für ihn wichtig, denn: Richter ist Lkw-Fahrer. Er transportiert vor allem Lebensmittel wie Joghurt, Käse oder Getränke. Sein Berufsstand steht in dieser Zeit mehr im Fokus als sonst - so wie auch Pflegeberufe oder der Einzelhandel.

    In diesen Berufen können Menschen derzeit weiterhin arbeiten und müssen es auch, um die Bürger zu versorgen - beispielsweise mit Lebensmitteln. Sie alle, eben auch die Lkw-Fahrer, werden teilweise als Helden bezeichnet - doch das sei laut Richter eher ein Bild, das nur in der Öffentlichkeit vermittelt werde. Nach wie vor würden die Fahrer weiterhin häufig wie Trottel, als "Menschen zweiter Klasse", behandelt. Das sei durch die Corona-Krise sogar eher noch schlimmer geworden.

    Manche Lkw-Fahrer kommen sich wie "Aussätzige" vor

    In den Lagern, an denen die Fahrer ihre Fracht abladen, dürften die Fahrer nun meist nicht einmal mehr Toiletten oder Duschen benutzen, stattdessen gebe es in den Höfen Dixi-Klos, schildert Richter. Dass die Firmen ihre Mitarbeiter schützen wollen, verstehe er. "Aber wenn es nicht mal mehr Wasser zum Händewaschen gibt, kommt man sich schon vor wie ein Aussätziger".

    Auch ein Kollege von Richter, nennen wir ihn Alexander Maier (Name geändert), verwendet diesen Begriff. "Dixi-Klos, auf die 150 Mann am Tag gehen, das versteht man nicht unter Infektionsschutzgesetz", sagt der Lkw-Fahrer. Bei manchen Firmen gebe es keine Probleme - wer sich die Hände desinfiziere und Abstand halte, dürfe auch deren sanitäre Anlagen benutzen. Doch das sei eben häufig nicht der Fall.

    Verdi fordert vernünftige Rahmenbedingungen wie Toiletten für Lkw-Fahrer

    Positiv sehen die beiden Fahrer, dass sie die sanitären Anlagen in den Raststätten und Autohöfen zur Zeit kostenlos benutzen dürfen. Im Netz gibt es teilweise Beschwerden über die mangelnde Sauberkeit, das haben Maier und Richter bisher eher selten in der Corona-Zeit erlebt, wie sie erzählen.

    Von der Gewerkschaft Verdi heißt es dazu, dass sich diesbezüglich die Situation gebessert habe. Dennoch gebe es noch Verbesserungsbedarf. Die Gewerkschaft bestätigt aber die Schilderungen der Fahrer, dass viele Betriebe nun nur noch Dixi-Toiletten zur Verfügung stellten. Auch stelle man fest, so ein Gewerkschaftssekretär, dass die Fahrer zwar in der Öffentlichkeit eine größere Anerkennung erfahren, doch es müsse eben vernünftige Rahmenbedingungen wie ordentliche Toiletten geben. Einfach nur danke zu sagen, reiche nicht aus.

    DSLV: Firmen sollten Fingerspitzengefühl zeigen

    Zudem müssten die getroffenen Maßnahmen wie das aufgehobene Sonntagsfahrverbot auch mit dem Abklingen der Krise wieder zurückgenommen werden. Irgendwann sei eine Belastungsgrenze erreicht und die Fahrer bräuchten ihre Erholungsphase.

    Der Sprecher des Bundesverbands Spedition und Logistik (DSLV) Markus Wolters sagt unserer Redaktion bezüglich der hygienischen Maßnahmen, dass man als Verband nicht die Hygienevorschriften zur Eindämmung des Virus kommentieren wolle. Jeder Betrieb habe auf seinem Gelände natürlich das Hausrecht, Maßnahmen träfen die Firmen zum Schutz der Mitarbeiter. Dennoch wünscht er sich einen Mittelweg und Fingerspitzengefühl. Positiv findet er es, dass viele Waschräume in den Autobahnraststätten wieder geöffnet hätten.

    Lkw-Fahrer Richter kritisiert, dass viele Speditionen, die bisher beispielsweise für die Autoindustrie unterwegs gewesen seien, nun in den Lebensmittelmarkt drückten. "Die kaufen sich zum Beispiel zehn, 20 Kühlfahrzeuge und wollen auch Joghurt und Käse fahren. Und die fahren mit günstigeren Preisen, womit dann andere Speditionen zu kämpfen haben", sagt Richter.

    Die Lkw-Fahrer haben nur noch wenig Kontakt untereinander

    Für Wolters vom DSLV ist es verständlich, dass die Spediteure, die nun Totalausfälle haben, in andere Bereiche ausweichen. "Wir haben als Verband noch keinen Konflikt feststellen können. Die Unternehmen, die jetzt am Limit fahren, sind bereit, Kapazitäten vom Wettbewerber zu nutzen, um die Versorgung sicherzustellen."

    Es gibt aber auch noch einen anderen Bereich, auf den sich das Coronavirus für die Lkw-Fahrer auswirkt - den Kontakt zu Kollegen. "Du kommst nicht mehr miteinander ins Gespräch, weil jeder in seinem Eck steht", sagt Richter. Vor Corona sei man schon mal zusammengestanden, habe etwas geredet. Das gebe es nun weniger.

    Doch trotz der Widrigkeiten ist Richter im großen Ganzen zufrieden, er liebt seinen Job, sagt er. Und er habe auch schöne Situationen in der Corona-Krise erlebt: "Da stehen dann Mama und Papa mit Kindern auf einer Brücke und winken einem zu. Die freuen sich, wenn man mal hupt."

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