Mehr als 20 Mal ist die Kanzlerin in ihrer Amtszeit in die USA geflogen, nun dürfte Angela Merkel zum letzten Mal im Weißen Haus empfangen werden. Am Donnerstag trifft sie US-Präsident Joe Biden in Washington. Die Reise wird getragen von der Hoffnung auf den Neustart in den transatlantischen Beziehungen. Entsprechend groß sind die Erwartungen und opulent wohl auch der Empfang im Weißen Haus. Mark Furtwängler ist dagegen schon froh, wenn er überhaupt in die USA einreisen darf.
Der 42-Jährige ist Chef des mittelständischen Automobilzulieferers Bühler Motor mit Hauptsitz in Nürnberg und einem großen Standort in Monheim (Landkreis Donau-Ries). Er will am Samstag in die USA fliegen – endlich wieder. Seit 16 Monaten wartet Furtwängler wegen der immer noch geltenden Einreisebeschränkungen für Bürger aus dem Schengenraum in die USA darauf, den amerikanischen Standort seiner Firma in Morrisville im US-Bundesstaat North Carolina besuchen zu können. „Der persönliche Kontakt zu den Menschen an unseren internationalen Standorten und insbesondere zu unseren Kunden ist enorm wichtig“, sagt der Manager. Das ist gerade mit Blick auf die USA sehr schwer. Furtwängler ist mit diesem Problem nicht allein.
Der Einreisebann belastet die Wirtschaftsbeziehungen
Ulrich Ackermann, Abteilungsleiter Außenwirtschaft beim Verband der Maschinen- und Anlagenbauer, sagt unserer Redaktion: „Amerikas unfaire Einreisebeschränkungen für Geschäftsreisende sind aktuell die größten Hemmnisse im bilateralen Handel: Die Impfquoten in den USA und im Schengenraum sind ähnlich. Die Inzidenz in den USA liegt höher. Und US-Bürger, egal ob als Touristen oder Geschäftsreisende, dürfen seit Mitte Juni ohne Impfnachweis und Quarantänepflicht in den Schengenraum einreisen.“ Dass die USA die Lockerung der Einreisebestimmungen durch die EU noch nicht mit entsprechenden Schritten beantwortet haben, wird zur Belastung für die sehr engen Wirtschaftsbeziehungen.
Die USA sind Exportmarkt Nummer eins für die bayerische Wirtschaft. Trotz eines Einbruchs um fast 20 Prozent wurden selbst im Krisenjahr 2020 Waren im Volumen von 17,2 Milliarden Euro von bayerischen Firmen in die USA exportiert. Vor der Krise waren die USA wichtigster Handelspartner für Bayern, nun ist China vorbeigezogen. Der Wirtschaftsraum Schwaben mit seinen starken Maschinenbauern steht beispielhaft für diese Entwicklung.
Europäer sitzen quasi in den USA fest
„Wir sind eine mittelständisch geprägte Branche, unsere Betriebe können nicht wie ein Großkonzern an jedem Punkt der Erde mit Fachleuten vertreten sein“, erklärt Ackermann die Probleme. Das führe zum Teil zu absurden Situationen. Firmen hätten neue Maschinen oder Ersatzteile für Anlagen vor Ort, könnten sie aber nicht einbauen, da die dafür notwendigen Experten nicht einreisen dürfen. Europäische Mitarbeiter, die bereits in den USA sind, sitzen dort quasi fest. Denn selbst wer mit gültiger Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis von den USA nach Deutschland reise, habe trotz einwandfreier Papiere kein Recht auf Rückkehr.
Der einzige Ausweg aus dem Dilemma heißt NIE (National Interest Exception). Die USA haben 16 kritische Sektoren für die eigene Wirtschaft definiert. Mitarbeiter ausländischer Firmen, die in diesen Bereichen tätig sind, können eine Ausnahmegenehmigung für die Einreise beantragen. Das hat auch Bühler-Motor-Chef Furtwängler getan. Doch das Prozedere ist streng, die entscheidende Frage sei gewesen, ob das amerikanische Volk von seiner Reise profitiere, so Furtwängler. Er hatte gute Argumente, sein Unternehmen wurde bereits dreimal vom US-Autogiganten General Motors als Zulieferer des Jahres ausgezeichnet. Am Samstag kurz vor vier Uhr nachmittags soll Furtwänglers Maschine in Charlotte landen.