Daheim in den Städten und Gemeinden wird der Staat konkret. Haben die Straßen Schlaglöcher oder sind sie in gutem Zustand? Kommt der Bus einmal pro Stunde oder zweimal? Gibt es in den Schulen schnelles Internet oder nicht? Die Kommunen müssen dafür sorgen, dass das öffentliche Leben lebenswert ist. Dafür brauchen sie Geld und das ist wegen der Bekämpfung des Coronavirus knapp. Ihnen fehlen rund 20 Milliarden Euro, weil wichtige Geldquellen verebbt sind. Gastwirte, Hoteliers und Ladenbesitzer werden kaum Gewerbesteuern zahlen, weil ihre Geschäfte zwangsgeschlossen waren. Gleiches gilt für die Einkommensteuer, deren Einnahmen den Kommunen in Teilen zustehen.
Dass die Bürgermeister klamm sind, überrascht zunächst, denn an Geld hat es in der Pandemie nicht gemangelt. Vor allem der Bund hat das Füllhorn ausgeschüttet und alle Ebenen des Staates flüssig gehalten, indem er enorme Schulden aufnahm. Zuschüsse für Krankenhäuser und Zuschüsse für Unternehmen in Not. Der Bund bezahlt den Corona-Impfstoff und trägt die Kosten für die Corona-Tests. Vergangenes Jahr glich der Bundesfinanzminister auch die Verluste bei den Steuereinnahmen aus, doch ein weiteres Mal will Olaf Scholz (SPD) das nicht. Das geht aus einer Antwort seines Ministeriums auf eine Anfrage der Grünen hervor, die unserer Redaktion exklusiv vorliegt.
Den Kommunen fehlen 20 Milliarden Euro
„Es ist daher nun zuallererst Aufgabe der Länder ... die Finanzsituation der Kommunen in den nächsten Jahren zu verbessern“, heißt es in dem Schreiben. Für den Sprecher der Grünen für Kommunalfinanzen, Stefan Schmidt, ist die Scholz’sche Haltung nicht nachvollziehbar. „Alles, was der Bund zu knapp 20 Milliarden Euro kommunaler Mindereinnahmen in diesem und im nächsten Jahr zu sagen hat, ist die alte Leier, der Bund habe schon viel getan, nun seien die Länder am Zug“, sagte Schmidt unserer Redaktion.
Die Kommunen brauchten jetzt dringend Soforthilfen für ihre Steuerausfälle bei der Gewerbe- und Einkommensteuer, um im Wiederaufschwung nach der Pandemie investieren zu können. Die Summe von rund 20 Milliarden ergibt sich aus der Differenz der Steuerschätzung aus der Zeit vor der Pandemie zu der aktuellen Prognose über die Staatseinnahmen von Anfang Mai.
Dass es in Deutschlands Städten und Gemeinden einen Investitionsstau gibt, bezweifelt niemand. Die staatseigene KfW-Bank beziffert ihn auf 149 Milliarden Euro, die in Schulen, Straßen, Kindergärten, Amtsgebäude, Freibäder und Museen gesteckt werden müssten, um sie zu modernisieren. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordert deshalb einen weiteren Rettungsschirm für die kommunalen Finanzen. „Die Kommunen können durch Investitionen vor Ort den wirtschaftlichen Neustart unterstützen, daher darf jetzt nicht gegen die Krise angespart werden“, sagte der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, unserer Redaktion. Wenn Deutschland es ernst meine mit Klimaschutz und Digitalisierung, dann gehe das nur mit den Städten und Gemeinden. Sie stehen laut Bundesfinanzministerium für 60 Prozent aller öffentlichen Sachinvestitionen in Deutschland.
Bayerns Finanzminister Alfred Füracker will mehr Geld aus Berlin
Nun ist es nicht so, dass Finanzminister Scholz der Zusammenhang nicht bewusst ist. Als Kanzlerkandidat seiner SPD verspricht er im Falle eines Wahlsieges, die Kommunen von ihren Altschulden zu entlasten, damit sie wieder Luft zum Investieren haben. Außerdem ist Scholz den Kämmerern entgegengekommen, indem der Bund dauerhaft einen größeren Anteil der Wohnkosten von Hartz-IV-Empfängern schultert. Den Städten und Gemeinden bringt das jedes Jahr vier Milliarden Euro. Und grundsätzlich sind in Deutschland die Länder für die finanzielle Ausstattung der Kommunen zuständig.
Bayerns Finanzminister Albert Füracker will natürlich trotzdem mehr Geld von Scholz. „Es ist nicht zu verstehen, weshalb der Bund den Kommunen 2020 die Zähne langgemacht hat und sich nun plötzlich zurückzieht“, sagte der CSU-Politiker unserer Redaktion. Er sei bereit, den Städten und Gemeinden finanziell zu helfen, „aber ohne erneute Unterstützung durch den Bund ist kein Bundesland in der Lage, die Ausfälle bei der Gewerbesteuer vollumfänglich zu ersetzen“.
Es sieht allerdings nicht danach aus, dass die Bundesregierung noch einmal nachlegen will. Die Kommunen können nur darauf hoffen, dass ihre Finanznot zum Wahlkampfthema wird und sich die Parteien gegenseitig überbieten. Geschieht das nicht, werden sie weniger investieren.
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