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Corona-Maßnahmen: Milliardär und Corona-Rebell: Erwin Müller beweist wieder Sturheit

Corona-Maßnahmen

Milliardär und Corona-Rebell: Erwin Müller beweist wieder Sturheit

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    Erwin Müller kam persönlich zur Eröffnung des neuen Abt in der Ulmer Hirschstraße im vergangenen Jahr.
    Erwin Müller kam persönlich zur Eröffnung des neuen Abt in der Ulmer Hirschstraße im vergangenen Jahr. Foto: Oliver Helmstädter

    In der Einfahrt des Anwesens, das auch in Beverly Hills keine schlechte Figur machen würde, weht eine meterhohe Fahne mit dem Konterfei des Märchenkönigs Ludwig II. Erwin Müller hat sich direkt an der Landesgrenze von Bayern und Baden-Württemberg ähnlich feudal eingerichtet, wie der Kini: Die ausladende Villa an einer der höchsten Stellen der Doppelstadt ist neben dem Ulmer Münster so ziemlich das einzige rund um Ulm, das Betrachtern bei Google-Maps sofort ins Auge springt.

    Direkt hinter dem herrschaftlichen gusseisernen Eingangstor mit goldenen Einlegearbeiten fällt der Blick nach dem Fahnenmasten auf das Gewächshaus. Die haushohen Hecken am Eingang sind akkurat geschnitten. Kein Garten, ein Park schmiegt sich hier in die hügelige Landschaft. Ein langer Rundweg, gesäumt von Elefanten aus massivem Granit, führt zur cremefarbenen Villa mit angeschlossenem Poolhaus. Ja, dem Märchenkönig hätte es hier wohl auch gut gefallen.

    Ähnlich wie Ludwig II. hält sich Müller nicht immer an Konventionen. Angefangen hat der Milliardär im Gegensatz zum Kini ganz klein: Müller gründete 1953 in Offenhausen einen Herren-Friseursalon. Gegen die Regeln seines Berufsstandes begehrte er – fast so wie der Märchenkönig – früh auf. 1967 wurde Müller als „Rebell von Ulm“ bekannt, weil er sein Geschäft auch montags öffnete.

    Ulmer Händler spotteten über eine „Lex-Müller“

    Der Rebell steckt heute noch in dem 87-Jährigen. Als das Land Baden-Württemberg unmissverständlich beschloss, dass sämtliche Läden über 800 Quadratmeter wegen Corona zu schließen haben und Teilabsperrungen nicht erlaubt sind, öffnete Müller dennoch zwei Stockwerke seines traditionsreichen Haushaltswarengeschäfts Abt in der Ulmer Hirschstraße. Und der zweite Müller-Magnet in Ulms bester Lage, das Müller-Kaufhaus, ließ er zu Beginn des Shutdown zur Verwunderung vieler komplett offen und verkaufte nicht nur systemrelevante Drogerieartikel, sondern in anderen Stockwerken Spielwaren, Kleinelektro und CDs. Über eine „Lex-Müller“ spotteten Ulmer Händler, die brav ihre Geschäfte schlossen.

    Journalisten, die das öffentlich kritisieren, ruft der 87-Jährige auch höchstpersönlich an, um sein Missfallen über die Berichterstattung kundzutun. Und Ärger mit Presse hatte Müller schon oft. Sein fragwürdiger Umgang mit Betriebsräten etwa füllte in der Vergangenheit Seiten auch in dieser Zeitung. Der Stern veröffentlichte mehrere Storys, die den gelernten Friseur als herrschsüchtigen Patriarchen bezeichnen. Interviewanfragen werden abgelehnt.

    Ein Müller-Kaufhaus.
    Ein Müller-Kaufhaus. Foto: Alexander Kaya

    Einer seiner härtesten Widersacher der vergangenen Jahre war Verdi-Sekretär Rainer Dacke. „Wir sind uns nie Auge in Auge gegenüber gestanden“, sagt Dacke. Doch bekämpft haben sie sich trotzdem. Egal ob es um angeblich unzulässige Erfassungen von Krankendaten, Behinderung von Betriebsratswahlen oder die Ausgliederung von Logistikdienstleistern ging. „Müller ist ein Schlitzohr“, sagt der Gewerkschafter. So stünde beispielsweise in allen ihm bekannten Arbeitsverträge zwar, dass der Tariflohn gelte. Aber mit dem Zusatz: Es sei denn, es gilt eine andere Vereinbarung. Durch solche Klauseln bestimme Müller den „Tariflohn“ also selbst und nutze dies auch ungeniert aus.

    Der zweite Mann im Firmenreich kam von Aldi

    Ob es um Corona oder Immobilien geht, wenn es nicht nach dem Willen von Müller läuft, schaltet er gerne auf stur. Mit einem Vermögen von angeblich weit über zwei Milliarden Euro taucht Müller auch auf der Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt auf. Doch er denkt nicht daran, sein Geld auf seinem eigenen Golfplatz auf Mallorca zu verprassen oder noch mehr Kini-Andenken zu sammeln und sich in der Ulmer Villa hinter seinen meterhohen Thujahecken zu verschanzen. Müller kämpft für seine Pläne auch im Alter wie ein Löwe: In einem zentralen, derzeit leer stehenden Gebäude am Münsterplatz würde er etwa allzu gerne ein Hotel ansiedeln. Müller drohte Anfang des Jahres der Stadt Ulm via Südwestpresse unverhohlen: „Wenn sie mich ärgern, dann lass’ ich alles so stehen.“

    Noch eine zweite Fahne weht am feudalen Eingangstor hinter dem Schild „Kameraüberwachung“: der österreichische Bundesadler. Laut Manager-Magazin hat Müller auch die österreichische Staatsbürgerschaft. Auch sein designierter Nachfolger hat Bezug zu der Alpenrepublik. Günther Helm war Chef der österreichischen Aldi-Tochter Hofer, bevor er Mitte vergangenen Jahres Geschäftsführer an der Seite Müllers wurde. Müllers Sohn spielt bei der Führung des Drogisten-Reichs von 848 Filialen mit 35.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von zuletzt mehr als rund vier Milliarden Euro keine Rolle.

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