Marcus Vorwohlt leitet das Modehaus Rübsamen in Augsburg, das mehrere Filialen in der Region betreibt. Wie viele andere Händler kann Rübsamen derzeit im Lockdown keine Kunden in den Filialen bedienen. Er geht als Einzelhändler deshalb davon aus, dass Kurzarbeit noch das ganze Jahr ein Thema sein wird.
„Der Einzelhandel ist einer der Hauptleidtragenden des Lockdowns“, sagt Vorwohlt. „Wir warten alle sehnlichst auf die Überbrückungshilfe III, deren Abschlagszahlungen erst noch kommen müssen“, beschreibt er die Lage. „Bis dahin ist Kurzarbeitergeld die einzige Hilfe, um uns zu entlasten und mit den Umsatzausfällen umzugehen.“
Im zweiten Lockdown sind wieder mehr Unternehmen auf Kurzarbeit umgestiegen
Seit dem zweiten Lockdown haben in Deutschland wieder mehr Unternehmen Kurzarbeitergeld beantragt, berichtete kürzlich das Ifo-Institut. Die Gastronomie und Reiseveranstalter sind vorne mit dabei, aber auch der Handel ist stark betroffen. Im Textilhandel kann die Intensität der Kurzarbeit unterschiedlich sein, erklärt Rübsamen-Chef Marcus Vorwohlt. Wer als Textilhändler bisher kein Online-Geschäft betrieb, dessen Belegschaft ist zum Teil in 100 Prozent Kurzarbeit. Wer Kleidung über Click & Collect oder Online-Plattformen wie Zalando vertreibt, kommt mit weniger Kurzarbeit aus.
Das Modehaus Rübsamen gehört mit elf Filialen und fast 200 Mitarbeitern im bayerischen Raum zu den großen Modeanbietern. Seit mehreren Jahren ist Rübsamen erfolgreich im Online-Handel aktiv. Das Ausmaß der Kurzarbeit falle bei ihm damit unterschiedlich aus, sagt Vorwohlt: Die Verwaltung arbeite relativ normal, auch Mitarbeiter zum Beispiel für das Online-Geschäft haben teilweise durchgearbeitet. Reine Verkaufsmitarbeiter seien aber stark von Kurzarbeit betroffen, teils zu 100 Prozent.
Marcus Vorwohlt, Rübsamen: "Handel fehlt die Öffnungsperspektive"
Das könnte auch noch eine Weile so bleiben. „Einzelhändler klagen jetzt vor Gericht gegen Corona-SchließungenCorona-KlagenWir haben im Handel keine Öffnungsperspektive“, schildert Vorwohlt die missliche Lage, vor allem da die Corona-Infektionszahlen wieder steigen. „Kurzarbeit haben wir deshalb für den maximal möglichen Zeitraum beantragt“, berichtet er. „Selbst wenn wir unsere Geschäfte wieder öffnen, ist nicht mit einem Mal alles gut, da die Zahl an Kunden anfangs weit von dem entfernt sein wird, was wir vor der Krise hatten.“ Kurzarbeit werde damit im Textilhandel auch nach einer Öffnung ein Thema bleiben – auch um das qualifizierte Personal zu halten. Frühestens im letzten Quartal 2021 rechnet Vorwohlt mit einer Normalisierung.
„Kurzarbeit bleibt in der Pandemie der Anker für die Wirtschaft“, sagt auch Ralf Holtzwart, Chef der Bundesarbeitsagentur in Bayern. Im ersten und zweiten Lockdown hat sie Unternehmen und Arbeitnehmer mit 4,56 Milliarden Euro unterstützt, sagt Holtzwart. „Das ist so viel wie noch nie zuvor.“ Die Regionaldirektion habe vergangenes Jahr von März bis Oktober 3,4 Milliarden Euro für Kurzarbeit ausgegeben. Im zweiten Lockdown von Anfang November bis zum 15. Februar seien bislang 1,16 Milliarden Euro geflossen.
Bayerns Arbeitsagentur-Chef Ralf Holtzwart: "Kurzarbeit hat wieder deutlich zugenommen"
Zuletzt gab es wieder mehr Kurzarbeiter. „Auch in Bayern hat die Kurzarbeit wieder deutlich zugenommen“, bestätigt Holtzwart. Er rechnet allerdings nicht damit, dass die Kurzarbeiterzahlen so massiv steigen werden wie 2020. „Die Spitze des Vorjahres werden wir auf keinen Fall erreichen.“
Im Frühjahr 2020 hatte es auf dem Höchststand rund 1,5 Millionen Kurzarbeiter in Bayern gegeben. Im Dezember und Januar 2021 war von den Firmen in Bayern Kurzarbeit für rund 250.000 Mitarbeiter angezeigt worden. Wie viele Arbeitnehmer tatsächlich in Kurzarbeit waren, steht erst mit einiger Verzögerung fest.
Holtzwart setzt seine Hoffnung auf ein zumindest absehbareres Ende des zweiten Lockdowns und auf damit einhergehende Lockerungen. „Der Arbeitsmarkt in Bayern bleibt robust und stabil, auch wenn der zweite Lockdown ein harter, wenn auch unvermeidbarer Schlag war“, sagt er. Mit Blick auf die dritte Pandemie-Welle setzt der Arbeitsmarkt-Experte auch auf die Impfkampagne. „Je mehr geimpft wird, desto besser für den Arbeitsmarkt. Je länger es dauert, desto schlechter für die bayerische Wirtschaft.“ Wie ist die Lage in anderen Branchen?
Premium Aerotec: "Zentrales Instrument, die Krise zu überbrücken"
Hart getroffen hat die Corona-Krise die Luftfahrtindustrie. Bei dem Augsburger Flugzeugteilehersteller Premium Aerotec ist nach dem Abbau von Arbeitszeitkonten, Urlaubstagen und der Nutzung tariflicher Freistellungstage Kurzarbeit noch immer ein Thema: Seit Juni 2020 finde an allen Premium-Aerotec-Standorten in Deutschland Kurzarbeit statt, sagt eine Sprecherin. Die Arbeitszeit unter anderem in den betroffenen Produktionsbereichen sei um rund 35 bis 40 Prozent verkürzt worden. „Die Möglichkeit der Kurzarbeit ist für Premium Aerotec eines der zentralen Instrumente, um die Covid-19-bedingte Krise zu überbrücken“, so die Sprecherin.
Hoffnung, im Laufe des Jahres aus der Kurzarbeit herauszukommen, hat man bei dem Großmotorenhersteller MAN Energy Solutions in Augsburg. Der ganze Standort mit seinen rund 4500 Mitarbeitern befindet sich noch in Kurzarbeit, berichtet ein Unternehmenssprecher. Die Intensität an Kurzarbeit sei von Bereich zu Bereich unterschiedlich. In Teilen der Produktion wie der Gießerei sei sie am höchsten. „Wir hoffen aber, dass wir im Laufe des Jahres zum Normalbetrieb zurückkehren können.“ MAN Energy Solutions baut Schiffs- und Kraftwerksmotoren in Augsburg, beschäftigt sich aber auch mit neuen Energielösungen wie der Wasserstoff-Technik. In der Corona-Krise 2020 haben viele Firmen ihre Investitionsprojekte zurückgestellt. Jetzt wird anscheinend vieles nachgeholt. „Das Jahr 2021 hat für MAN Energy Solutions nicht schlecht angefangen“, sagt der Sprecher.
Kuka: Teil der Belegschaft zu 20 bis 30 Prozent in Kurzarbeit
Auch für den Roboter- und Anlagenbauer Kuka mit 3500 Mitarbeitern in Augsburg ist Kurzarbeit noch ein Thema. Rund 20 Prozent der Beschäftigten befinden sich derzeit in Kurzarbeit, berichtet eine Sprecherin, allerdings nicht vollständig, sondern mit rund 20 bis 30 Prozent der Arbeitszeit. Kurzarbeit werde bei Kuka flexibel und nach Bedarf eingesetzt.
Wie lange Kuka das Instrument in den nächsten Monaten noch nutzt, sei derzeit schwer abzusehen. „Da das Infektionsgeschehen dynamisch verläuft, ist die weitere Entwicklung extrem unklar.“ Das Unternehmen gehe aber davon aus, dass sich die wirtschaftliche Erholung fortsetzt. Kuka erwarte 2021 einen höheren Umsatz als 2020 und ein positives Ergebnis.
Überhaupt scheint sich die Lage im Maschinenbau langsam zu normalisieren. Nach den drei Spitzenmonaten Februar, März und April 2020 mit über 500.000 Anzeigen zur Kurzarbeit im Maschinenbau hat sich die Zahl in den Folgemonaten „deutlich und kontinuierlich“ reduziert, berichtet Karl Haeusgen, Präsident des Maschinenbauverbandes VDMA. Im Januar 2021 seien es nur noch circa 7000 gewesen. Bei dem Hydraulikhersteller Hawe aus Kaufbeuren war zum Beispiel Kurzarbeit nie ein Thema: „Im Gegenteil, wir hatten während des ersten Shutdowns im März/April 2020 am Standort Kaufbeuren sogar teilweise Samstagsarbeit, um die Aufträge für unsere Kunden pünktlich abarbeiten zu können“, berichtet Hawe-Chef Robert Schullan. „Auch aktuell freuen wir uns über gut gefüllte Auftragsbücher und sehen aus momentaner Sicht keine Notwendigkeit, Kurzarbeit in Anspruch nehmen zu müssen.“
Audi: 500 Beschäftigte in wenigen Bereichen noch betroffen
Besser als im Frühjahr 2020 ist auch die Lage bei den Autobauern. Einige hatten zwar in den letzten Wochen Lieferprobleme für elektronische Bauteile und deshalb Kurzarbeit angemeldet. Audi in Ingolstadt und Neckarsulm meldet aber, dass die im Januar betroffenen Fertigungslinien für die Modelle A4 und A5 wieder im vollen Umfang laufen. Coronabedingt von Kurzarbeit betroffen seien bis vorerst 28. Februar 2021 weiter rund 500 Beschäftigte, zum Beispiel aus dem Mobilitätsservice, der Audi-Gastronomie oder der Fahrzeugauslieferung. Wie es danach weitergeht, dazu fällt Audi eine Prognose schwer: „Die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage bleibt nach wie vor komplex“, heißt es.
Dass sich die Autoindustrie erholt, davon profitieren auch Zulieferbetriebe. Kein Thema ist Kurzarbeit für den Auto-Zulieferer Swoboda aus Wiggensbach im Allgäu: „An unseren weltweit zwölf Standorten inklusive Wiggensbach arbeiten wir seit Ende letzten Jahres mit hoher Auslastung“, berichtet Christian Göser, Mitglied der Geschäftsführung. „Kurzarbeit ist aktuell kein Thema, dennoch können wir kurzfristig reagieren“, sagt er.
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