Rasant sollte sich die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr erholen. Davon gingen Ende 2020 noch viele Fachleute aus. Doch die dritte Corona-Welle und der zweite, inzwischen bis zum 18. April verlängerte Lockdown in Deutschland machen dem wohl einen Strich durch die Rechnung. Führende Wirtschaftsforschungsinstitute haben in den vergangenen Tagen ihre Konjunkturprognosen für dieses Jahr gesenkt. Das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) erwartet beispielsweise nur noch einen Anstieg der deutschen Wirtschaftsleistung um 3 Prozent, Ende letzten Jahres war es noch von 4 Prozent ausgegangen. Auch der Sachverständigenrat der Bundesregierung – die Wirtschaftsweisen – senkte seine Prognose auf 3,1 Prozent Wachstum im Gesamtjahr, nachdem er im November noch von 3,7 Prozent ausgegangen war.
Haushalte zögern, Geld auszugeben
Eigentlich wäre die Basis für einen Post-Corona-Boom gut. Denn die Bundesbürger haben im Schnitt viel Geld zurückgelegt. Die Bankeinlagen der privaten Haushalte legten von Januar 2020 bis Januar 2021 um 182 Milliarden Euro auf 1,73 Billionen Euro zu, berichtet die Bundesbank. Doch die Haushalte zögern offenbar, das Geld auszugeben. Im Lockdown fehlt zudem schlicht die Möglichkeit dazu, weil Restaurants und Hotels geschlossen sind, Urlaub war und ist teilweise nicht möglich.
Fachleute gehen deshalb davon aus, dass der Konsum zwar nach dem Ende der Krise wieder anzieht. „Allerdings nicht schlagartig mit einem Big Bang, genauso wenig, wie die Krise mit einem Big Bang vorübergehen wird“, sagte aktuell Christian Nau, Geschäftsführer des Kreditbereichs beim Portal Check24. „Ich meine, dass wir auf Sicht bis Jahresmitte eine ähnliche Situation haben werden wie im ganzen vergangenen Jahr“, erklärte auch Jürgen Gros, Präsident des bayerischen Genossenschaftsverbands, dem Dachverband der Volks- und Raiffeisenbanken. „Die Einlagen werden weiter wachsen, das zeigt sich schon in den ersten acht Wochen des neuen Jahres.“
Ökonom Peter Bofingern: "Brauchen staatliche Hilfen"
Der Würzburger Ökonomie-Professor und langjährige Wirtschaftsweise Peter Bofinger fordert deshalb, der Entwicklung nicht einfach zuzusehen. „Angesichts des verlängerten Lockdowns kann es in der Wirtschaftspolitik kein einfaches ,Weiter so‘ geben“, sagte Bofinger unserer Redaktion. „Wir brauchen staatliche Hilfen, es ist Zeit, jetzt die zweite Bazooka herauszuholen.“ Für den Wirtschaftswissenschaftler muss es jetzt ein Paket an Maßnahmen geben.
Erstens schlägt Bofinger Erleichterungen für Firmen vor. Dies könnte geschehen, indem die Regierung den Verlustrücktrag der Unternehmen auf zwei Jahre erweitert. Bisher können Firmen ihre Verluste in der Corona-Krise in der Steuererklärung mit früheren Gewinnen für ein Jahr verrechnen – begrenzt auf 5 Millionen Euro. „Jetzt geht der Lockdown in die Verlängerung. Wer aber mit einem Hotel bereits 2020 Verlust gemacht hat, dem hilft der einjährige Verlustrücktrag nun nichts mehr“, erklärt er. Deshalb schlägt er zwei Jahre dafür vor. Bofinger rät auch, die Deckelung auf 5 Millionen Euro zu beseitigen. „Der Staat beteiligt sich mit seinen Steuern unbegrenzt an Gewinnen, dann sollte er sich auch unbegrenzt an Verlusten beteiligen.“
Vorstoß: ALG I wieder verlängern
Zweitens rät der Ökonom, die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I zu verlängern. Die Regierung hatte den Betroffenen im ersten Lockdown 2020 eine längere Bezugsdauer gewährt, diese Verlängerung des ALG I um drei Monate ist zum 31. Dezember 2020 aber ausgelaufen. „Erstaunlicherweise ist diese Maßnahme nicht verlängert worden, obwohl der Lockdown weitergeht“, kritisiert Bofinger. „Es kann doch nicht sein, dass Menschen jetzt in Hartz IV rutschen, weil sie derzeit im zweiten Lockdown keine neue Arbeit finden“, kritisiert der Ökonom.
Drittens schlägt Bofinger eine Sofortabschreibung für Zukunftsinvestitionen vor. Unternehmen sollten zum Beispiel Investitionen in neue Technologien, in Energieeffizienz oder Wärmedämmung im gleichen Jahr zu 100 Prozent statt wie bisher verteilt über mehrere Jahre abschreiben können. Das würde die Gewinne der Unternehmen heute senken, diese müssten im Investitionsjahr auch weniger Steuern zahlen – zukünftig jedoch mehr, da die Abschreibungen dann bereits stattgefunden haben. Die Investitionen würden der Wirtschaft Schub verleihen. „Für den Staat ist es außerdem egal, ob er die Steuern heute oder morgen einnimmt“, sagt Bofinger. „In der jetzigen Nullzins-Situation kostet es den Staat keine Zinsen, Geld zu besorgen – er würde seine gute Bonität praktisch auf die Unternehmen übertragen.“
Einkaufsgutscheine zur Unterstützung des Handels
Um den Konsum zu beleben, hat Bofinger bereits Einkaufsgutscheine für die Bürger ins Spiel gebracht – zum Beispiel in Höhe von 50 Euro. Der wiederholte Lockdown trifft Mode-, Schuh- oder Buchhändler in den Städten hart. „Der Einzelhandel hat viele Probleme, wenn es dort wieder richtig boomt, wäre das doch wunderbar“, sagte Bofinger. Kleiderläden könnten ihre vollen Lager mit liegengebliebener Frühjahrsmode räumen, von Einkaufsgutscheinen würden Haushalte profitieren, für die das Geld knapp ist. „Der Bund könnte das Geld zur Verfügung stellen, die Kommunen die Verteilung übernehmen“, schlägt der Ökonom vor. Die Stadt Marburg habe mit Einkaufsgutscheinen gute Erfahrungen gemacht. (mit dpa)
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