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Corona-Krise: Mit welchen Problemen deutsche Unternehmen in den USA kämpfen

Corona-Krise

Mit welchen Problemen deutsche Unternehmen in den USA kämpfen

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    OP-Managementsysteme und andere medizintechnische Geräte stellt der baden-württembergische Mittelständler Richard Wolf her.
    OP-Managementsysteme und andere medizintechnische Geräte stellt der baden-württembergische Mittelständler Richard Wolf her. Foto: dpa

    Eigentlich wollte er Ende Mai zum vierteljährlichen Heimatbesuch in Deutschland sein. Stattdessen wird Stefan Heffner wohl in seinem Büro in einem schmucklosen Betonbau im Norden von Chicago sitzen und ernüchternde Zahlen studieren. Der US-Chef des Medizintechnikanbieters Richard Wolf ist von der Corona-Krise doppelt betroffen: Sein Betrieb leidet unter dem Auftragseinbruch, und er selbst ist durch den Einreise-Stopp von Familie und Firmenzentrale im baden-württembergischen Knittlingen abgeschnitten: "Ich könnte zwar aus Amerika raus, aber nicht mehr rein", sagt der 39-Jährige.

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    Eine eigenartige Situation. Aber kein Einzelfall. Als das Washingtoner Verbindungsbüro der deutschen Wirtschaft kürzlich Vertreter deutscher Unternehmen in den USA zu einem Erfahrungsaustausch zusammenschaltete, berichteten viele nicht nur über die Folgen des Wirtschaftseinbruchs, sondern auch über spezielle transatlantische Probleme durch dramatisch gestiegene Luftfrachtkosten und Reise-Restriktionen. Einige der rund 4800 Unternehmen mit fast 700.000 Beschäftigten leiden zudem unter den Stahlzöllen. "Wir sind mitten in der Krise", sagte ein Teilnehmer nüchtern.

    Der Medizintechnik-Hersteller produziert in der Corona-Krise weiter

    Mit einer derartigen Herausforderung hatte Heffner kaum gerechnet, als er im Dezember 2018 in die Neue Welt versetzt und auf den Posten des "Executive Vice President" befördert wurde. Der Mittelständler Richard Wolf stellt endoskopische Instrumente her und hält mit 224 Beschäftigen in den USA in der Urologie inzwischen einen Marktanteil von knapp 25 Prozent. "Wir sind auf gutem Weg zur 100-Millionen-Umsatzmarke", sagt Heffner. Dann korrigiert er sich eilig: "Wir waren."

    Die Corona-Pandemie hat die Planungen erst einmal über Bord geworfen. Im April hat sich der Umsatz halbiert. Die minimalinvasiven Geräte des Unternehmens werden vor allem bei planbaren Operationen eingesetzt. Die haben die Krankenhäuser wegen des Andrangs der Covid-19-Patienten erst einmal verschoben und investieren in diesem Feld auch nicht. Hinzu kommt, dass wegen der Ansteckungsgefahr derzeit weder Handelsvertreter noch das Klinikteam, das die Ärzte in die Benutzung der Instrumente einweist, Zugang zu Hospitälern hat.

    Immerhin darf der Medizintechnik-Hersteller trotz des Lockdowns im Bundesstaat Illinois weiterarbeiten. Der Vertrieb, die Kundenbetreuung, das Marketing und die Buchhaltung befinden sich im Homeoffice. Nur ein Drittel der Belegschaft, das in der Produktion und Reparatur tätig ist, arbeitet in der Firma. Entlassen oder in unbezahlten Zwangsurlaub geschickt hat Richard Wolf im Unterschied zu vielen US-Firmen niemand. Allerdings wurden sämtliche Löhne und Gehälter um 25 Prozent gekürzt. Das Unternehmen hat – für amerikanische Verhältnisse unüblich – allen Mitarbeitern, die Probleme bei der Kinderbetreuung haben oder bei denen ein Covid-Fall in der Familie aufgetreten ist, eine bezahlte zweiwöchige Freistellung angeboten. Doch nur sechs Beschäftigte machten davon Gebrauch. "Offenbar sind die Amerikaner das einfach nicht gewohnt", sagt Heffner.

    Wie unterschiedlich die Amerikaner mit der Corona-Krise umgehen

    Auch ansonsten beobachtet der Manager in der Krise bemerkenswerte Unterschiede zwischen seinem Geburtsland und der Wahlheimat: "Die USA sind ganz auf Arbeit und Konsum ausgelegt. Wenn man den Job verliert, ist oft auch die Krankenversicherung weg", sagt der Manager. "Das ist schlimm." Auf der anderen Seite hat er im Fernsehen gesehen, wie sich in deutschen Parks schon wieder Menschen drängen. Solche Bilder gibt es aus vielen US-Bundesstaaten, wo Ausgangsbeschränkungen gelten, nicht. "Die Amerikaner sind folgsamer", glaubt Heffner. Er befürwortet eine behutsame Öffnung des Landes: "Wir dürfen jetzt nicht verspielen, was wir gewonnen haben."

    Wie es weitergeht mit dem Geschäft? "Ich bin optimistisch, dass das wieder wird", sagt Heffner. Nur wann und zu welchem Preis bleibe offen. Bestimmte Spezialteile muss der Betrieb importieren. Erst hatten die Lieferanten Probleme, nun hat sich die Luftfracht auf das Vierfache verteuert. Beim ersten staatlichen Hilfspaket aus Washington gingen die Deutschen wegen formaler Voraussetzungen bei der Onlineregistrierung leer aus. Diese Hürden sind nun beseitigt, und Heffner hofft auf einen Kredit aus dem zweiten Paket. Im Juni oder Juli müssten die Aufträge aber wieder anziehen.

    Es wird schwierig, eine Greencard zu bekommen

    Doch ein Dilemma wäre dann noch nicht gelöst: Heffner ist mit einem Investoren-Visum in die USA gekommen. Erneut einreisen kann er nicht, seit US-Präsident Donald Trump die Grenzen für Europäer geschlossen hat. Auch Fachkräfte aus dem Schwarzwald, die eigentlich regelmäßig zur Unterstützung einfliegen, kommen nicht ins Land. Von der Sperre ausgenommen sind nur Greencard-Besitzer. Theoretisch erfüllt der Manager die Voraussetzungen für eine solche Aufenthaltserlaubnis. Doch nun hat Trump auch die Greencard-Erteilung ausgesetzt – zunächst für 60 Tage. Viele Beobachter befürchten, dass er den Erlass bis zur Wahl im November verlängert. Seinen Besuch in Knittlingen hat Heffner jedenfalls auf unbestimmte Zeit verschoben.

    Lesen Sie dazu auch: Trump stoppt Einwanderung: Amerikas Arbeiter zuerst

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