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Corona-Krise: DIW-Chef Fratzscher warnt vor Pleitewelle nach zweitem Lockdown

Corona-Krise

DIW-Chef Fratzscher warnt vor Pleitewelle nach zweitem Lockdown

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    Marcel Fratzscher, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).
    Marcel Fratzscher, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Foto: Daniel Naupold, dpa

    DIW-Chef Marcel Fratzscher erwartet eine Verlängerung des Lockdowns und warnt davor, dass die zweite Corona-Welle die deutsche Wirtschaft schwerer als erwartet treffen könnte. „Die zweite Welle wird härter“, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung unserer Redaktion. „Je länger es dauert, desto mehr Unternehmen kommen an die Grenzen ihrer Möglichkeiten, desto mehr werden pleitegehen“, betonte er. „Die Frage ist jetzt nicht, ob eine Welle an Unternehmensinsolvenzen kommen wird, sondern wann“, sagte der Wirtschaftsforscher. „Das ist das große Risiko, das wir in diesem Jahr vor uns haben: eine Welle von Unternehmenspleiten, gekoppelt mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit.“

    Dennoch sei es richtig, den Lockdown zu verlängern: „Die Anzahl der Infizierten ist weiterhin hoch, der Politik wird keine andere Wahl bleiben, als die Maßnahmen nochmals zu verlängern“, sagte Fratzscher. „Auch für die Wirtschaft muss es oberste Priorität haben, dass die zweite Infektionswelle möglichst schnell begrenzt wird“, betonte er. „Wirtschaftliche Lockerungen jetzt mögen kurzfristig manchen nutzen, langfristig würden sie jedoch allen schaden.“

    DIW-Chef: Schwere Versäumnisse beim Krisenmanagement

    Der DIW-Chef warf der Politik jedoch schwere Versäumnisse beim Krisenmanagement vor: „Deutschland hat zwei große Fehler gemacht“, sagte er. „Wir haben uns nicht ausreichend auf die zweite Welle vorbereitet. Das betrifft beispielsweise Kitas und Schulen, wo das digitale Angebot nicht ausreichend ausgedehnt wurde, was aber auch für die Wirtschaft wichtig gewesen wäre, weil sonst Eltern die Belastung abfedern müssen.“ Zweitens habe die Politik zu spät auf die Zweite Welle reagiert. „Wenn Bundes- und Landesregierungen auf die zweite Welle frühzeitig Mitte Oktober reagiert hätten, hätte man sicherlich Menschenleben retten und Schaden von der Wirtschaft fernhalten können. Die Unternehmen müssen nun darauf vorbereitet werden – wie in der ersten Welle auch – , einen langen Atem zu haben.“

    Fratzscher warnte davor, die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu unterschätzen: „Deutschland ist am Arbeitsmarkt weniger gut durch die Krise gekommen, als viele realisiert haben“, sagte der DIW-Chef. „Fast 600.000 regulär sozialversicherungspflichtige Beschäftigte haben 2020 ihre Arbeit verloren. Dazu kommen rund 850.000 Minijobber, die allerdings in keiner Arbeitslosenstatistik auftauchen, die kein Anrecht auf Arbeitslosen- oder Kurzarbeitergeld haben.“ Dazu kämen unzählige von den rund zweieinhalb Millionen Solo-Selbstständigen mit massiven Einbußen. „Der Effekt am Arbeitsmarkt ist also massiver, als das die Statistiken zeigen“, sagt er.

    Schwere Fehler warf DIW-Chef Fratzscher auch der EU bei den Verhandlungen auf das Investitionsabkommen mit China vor. „Ich sehe dieses Abkommen zu diesem Zeitpunkt sehr kritisch. Die EU hat schlecht verhandelt und hätte China zu deutlich stärkeren Veränderungen drängen müssen.“  Dies unterminiere zudem die transatlantische Partnerschaft mit den USA. „Nur gemeinsam mit den USA wird es Europa gelingen können, China zu einer Öffnung und fairen Wettbewerbsbedingungen zu bringen“, sagte Fratzscher. „Nach sieben Jahren Verhandlungen hätte die EU auch noch vier Wochen auf die neue US-Regierung warten und sich mit ihr abstimmen können.“ (AZ)

    Lesen Sie dazu das Interview: Marcel Fratzscher: "Starker Anstieg von Insolvenzen wird uns nicht erspart bleiben"

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