Die dritte Welle der Corona-Epidemie in Deutschland türmt sich immer höher auf. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach mahnt deshalb, dass neben den Kontakten im Privaten auch die Kontakte der Mitarbeiter in den Betrieben stärker eingeschränkt werden müssten. Der Bundestagsabgeordnete setzt sich für eine Homeoffice-Pflicht und Corona-Pflichttests für Firmen ein. „Es würde viel helfen, wenn die Betriebe offen bleiben, dass man eine Pflicht zum Homeoffice einführt“, sagte er dem WDR. Zudem sollte die Regierung Tests der Beschäftigten zur Pflicht machen. „Antigen-Tests zwei Mal in der Woche würden sehr viel bringen“, sagte Lauterbach. Die Forderung nach einer strikteren Homeoffice-Pflicht und Pflicht-Tests in Unternehmen ist zurück in der politischen Debatte.
Berlin ist bereits vorgeprescht. Dort hat der Senat in einer Sondersitzung entschieden, dass gewerbliche und öffentliche Arbeitgeber mindestens 50 Prozent ihrer Büro-Belegschaft ins Homeoffice schicken müssen. „Gewerbliche und öffentliche Arbeitgeber*innen haben grundsätzlich dafür Sorge zu tragen, dass maximal 50 Prozent der eingerichteten Büroarbeitsplätze in einer Arbeitsstätte (...) zeitgleich genutzt werden“, teilte der Berliner Senat mit. Zudem müssen Arbeitgeber ihren Beschäftigten mindestens zwei Mal in der Woche einen Antigen-Schnelltest anbieten.
Homeoffice nach Corona? "Firmen müssen auch der Selbstverpflichtung zu Tests nachkommen"
Bisher sind die Regelungen in Deutschland weicher. Arbeitgeber müssen Homeoffice überall dort anbieten, „wo es möglich ist“, berichtet die Bundesregierung, ohne eine Quote zu nennen. Diese Regel der Corona-Arbeitsschutzverordnung sei bis 30. April verlängert worden. Was Corona-Schnelltests in Betrieben betrifft, gibt es lediglich eine „Selbstverpflichtung der Unternehmen, dass jeder Mitarbeiter, der nicht im Homeoffice ist, zweimal pro Woche getestet wird“, sagte kürzlich Kanzleramtsminister Helge Braun, CDU. Bis Anfang April solle die Struktur dafür stehen.
Kommt die Wirtschaft der Selbstverpflichtung nicht nach, droht die Regierung eine Verschärfung an: Wenn zu wenige Firmen diese Möglichkeit bis Anfang April anbieten, müssten sie dazu verpflichtet werden, kündigte Braun an. Ab welchem Anteil die Pflicht eintreten solle, sagte er nicht. „Wir haben keine Quote festgelegt. Klar ist, wenn es nicht zwei Drittel bis drei Viertel der Firmen sind, ist es zu wenig.“ Kanzlerin Angela Merkel, CDU, hatte schon einmal von „Richtung 90 Prozent“ gesprochen.
Unterstützung kommt von den Gewerkschaften: DGB-Chef Reiner Hoffmann sagte, die Selbstverpflichtung zu Corona-Tests in den Betrieben allein reiche nicht. „Viel zu viele Arbeitgeber weigern sich immer noch, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Testangebote müssen verpflichtend sein und die Kosten müssen von den Arbeitgebern getragen werden“, fordert Hoffmann. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände lehnte dagegen die Testpflicht ab. Handwerkskammerpräsident Hans Peter Wollseifer gab zu bedenken, es stünden nicht genügend Test-Kits zur Verfügung.
Nach Corona: "Pflicht zum Homeoffice darf es nicht geben"
Ähnlich kritisch sieht man es in Bayern. Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) rief am Montag ihre Unternehmen abermals auf, Corona-Testangebote für ihre Mitarbeiter auszuweiten und das Homeoffice zur Eindämmung von Corona weitgehend zu nutzen. Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt warnte aber vor neuen gesetzlichen Pflichten: „Eine Pflicht, Corona-Tests einzuführen, lehnen wir grundsätzlich ab“, sagte er. „Viele Unternehmen stehen mit dem Rücken zur Wand.
Weitere bürokratische und finanzielle Belastungen sind daher nicht akzeptabel.“ Was eine Homeoffice-Pflicht betrifft, sagte Brossardt, die Unternehmen in Bayern würden die Möglichkeiten zum Arbeiten zu Hause bereits nutzen, wo es möglich ist. Einer vbw-Umfrage zufolge bieten 64 Prozent der Firmen Homeoffice an, die entsprechende Tätigkeiten haben. „Eine gesetzliche Pflicht zum Homeoffice darf es aber nicht geben“, betonte Brossardt. Es müsse das Recht des Arbeitgebers bleiben, zu bestimmen, wann und wo die Arbeit zu leisten ist. „Außerdem gibt es für Homeoffice faktische Grenzen. Dies gilt etwa für die Produktion in der Industrie und bei der Erbringung von Dienstleistungen.“
Ähnlich sieht man es im schwäbischen Handwerk. „Unsere Unternehmen bieten Homeoffice an, wo dies möglich ist, zum Beispiel im Verwaltungsbereich“, sagt Ulrich Wagner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für Schwaben. Für die meisten Tätigkeiten im Handwerk sei dies allerdings nicht durchführbar. „Wie sollen Dachdecker, Konditoren oder Bestatter ihre Arbeit in den eigenen vier Wänden erledigen? Eine gesetzliche Verpflichtung lehnen wir ab.“ (mit dpa)
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