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Corona-Hilfen: Warum die Kurzarbeit wohl bis ins Jahr 2021 verlängert wird

Corona-Hilfen

Warum die Kurzarbeit wohl bis ins Jahr 2021 verlängert wird

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    Nicht nur in der Autoindustrie hat sich die Kurzarbeit als wirksames Mittel zur Vermeidung von Massenentlassungen bewährt.
    Nicht nur in der Autoindustrie hat sich die Kurzarbeit als wirksames Mittel zur Vermeidung von Massenentlassungen bewährt. Foto: Arne Dedert, dpa

    SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz will es, Kanzlerin Angela Merkel sieht die Sache "grundsätzlich positiv" und Gewerkschaften wie Arbeitgeber sind dafür: So wird immer klarer, dass die Große Koalition das Instrument der Kurzarbeit, das heute in der Regel zwölf Monate in Anspruch genommen werden kann, auf bis zu 24 Monate verlängert. Damit lässt sich auch 2021 verhindern, dass Hunderttausende Menschen ihren Job verlieren.

    Dass Politiker aus den Reihen von Union und SPD gleichermaßen auf Kurzarbeits-Verlängerungskurs segeln, hat vor allem zwei Gründe: Einerseits funktioniert die Methode, mit Geldern der Bundesagentur für Arbeit (BA) die Absenkung der Arbeitszeit bei gleichzeitigem Job-Erhalt zu bezuschussen, gut. Andererseits wollen die Verantwortlichen von CDU, CSU und SPD verhindern, dass sie im nächsten Jahr der Bundestagswahl mit deutlich steigenden Arbeitslosenzahlen leben müssen.

    Um das zu vermeiden, bleibt die international hoch angesehene deutsche Job-Wundermedizin der Kurzarbeit erste Wahl. Die Behandlungsmethode ist im Grundsatz hierzulande unstrittig. Doch so einfach wie in diesem Jahr lässt sich die Therapieform 2021 nicht fortsetzen, allein schon wegen der schwindenden finanziellen Mittel der BA, die bisher auf einen prall gefüllten Topf zurückgreifen konnte, in den Gelder der Versicherten, also der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, fließen.

    Das Polster aus wirtschaftlich guten Zeiten betrug Ende 2019 noch 25,8 Milliarden Euro. Doch bis Ende Juni wurden aus dem einst prall gefüllten Topf 14,6 Milliarden Euro herausgeschöpft. Experten gehen deshalb davon aus, dass die BA noch in diesem Jahr zusätzliche Gelder braucht, um das deutsche Job-Wunder am Leben zu erhalten.

    Nächstes Jahr fließen der Agentur ohnehin Milliarden zu

    Der CDU-Bundestagsabgeordnete Peter Weiß erklärt im Gespräch mit unserer Redaktion, wie sich Deutschland die Beschäftigungsbrücke "Kurzarbeit" noch länger leisten kann: Demnach steht der Bundesagentur für Arbeit eine Liquiditätshilfe in Form eines Darlehens zu, wenn die Rücklagen etwa zur Finanzierung der Kurzarbeit nicht mehr ausreichen. Der baden-württembergische Abgeordnete geht davon aus, dass die Bundesagentur bis Ende 2020 sechs bis acht Milliarden Euro zusätzlich braucht.

    Weiß, Vorsitzender der Arbeitsgruppe  Arbeit und Soziales der CSU/CSU-Bundestagsfraktion, schlägt vor, der BA statt eines Darlehens, das zurückgezahlt werden muss, einen Zuschuss des Bundes zu gewähren. Dann, so glaubt er, könne die Bundesagentur "im nächsten Jahr alleine laufen". Denn 2021 würden dann auch noch fest angelegte Rücklagen von 6,8 Milliarden Euro, die in diesem Jahr nicht zur Verfügung stehen, frei. Die BA-Verantwortlichen in Nürnberg könnten somit auch dank laufender Einnahmen im kommenden Jahr die Kurzarbeit weiter finanzieren.

    Weiß wirbt hinter den Kulissen für seinen Zuschuss-Plan, fordert jedoch wie die Gewerkschaft IG Metall, die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge bei Kurzarbeit auch daran zu knüpfen, dass Firmen Kurzarbeiter weiter qualifizieren.

    Die IG-Metall-Verantwortlichen sehen hier einen hohen Bedarf in der Autoindustrie, deren Beschäftigte den Hausforderungen des technischen Wandels von der Verbrennertechnologie zur E-Mobilität ausgesetzt sind. Manche Unternehmer, die ohnehin gerade unter massiven finanziellen Problemen leiden, warnen indes davor, den Bogen allzu sehr zu überspannen. Doch natürlich sind Firmeninhaber wie Gewerkschafter dankbar dafür, wenn sie auch im kommenden Jahr von der Bundesagentur darin unterstützt werden, Arbeitsplätze möglichst lange zu erhalten.

    Oliver Zander, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, betont deshalb gegenüber unserer Redaktion, "dass die Verlängerung der Krisenregelungen noch im September bis Ende 2021 richtig und dringend geboten ist". Dabei liegt ihm aber am Herzen: "Es geht um eine weitere, zeitlich befristete Beschäftigungssicherung, nicht um die Gestaltung des Strukturwandels." Ende 2021 muss für Zander "endgültig Schluss sein wegen der Kosten für den Bundeshaushalt und wegen des 40-Prozent-Ziels bei den Sozialversicherungsbeiträgen". Gesamtmetall fordert eine dauerhafte Deckelung der Sozialversicherungsbeiträge auf diesem Niveau.

    An der Vier-Tage-Woche scheiden sich die Geister

    Bei allen unterschiedlichen Meinungen im Detail gibt es eine Art Bündnis für Kurzarbeit in Deutschland, also einen Schulterschluss zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern. Auch Frank Werneke, Chef der Dienstleistungs-Gewerkschaft Verdi, wirbt im Gespräch mit unserer Redaktion um eine Fortsetzung der Lösung: "Denn insbesondere im Luftverkehr und im Tourismus, im Kulturbereich, etwa in den Kinos, oder auch im Veranstaltungswesen ist die Situation für die Beschäftigten unverändert schwierig".

    Hören Sie hier auch unseren Podcast zur Situation in der Veranstaltungsbranche.

    Deshalb ist es aus Sicht des Verdi-Chefs vor dem Hintergrund oftmals niedriger Einkommen in vielen Dienstleistungsbranchen "zwingend erforderlich, auch die bestehenden Regelungen zur Anhebung des Kurzarbeitergeldes auf 80 beziehungsweise 87 Prozent fortzuschreiben". Das dürfe nicht zur Disposition gestellt werden. Hintergrund: Die Bundesregierung hatte noch einmal für besonders von Kurzarbeit betroffene Beschäftigte nachgebessert. In der Standardvariante beträgt das Kurzarbeitergeld 60 Prozent des fehlenden Nettoentgelts, bei Eltern mit Kindern 67 Prozent. Werneke ist sich mit CDU-Mann Weiß einig, dass die BA einen Zuschuss aus dem Bundeshalt bekommen muss.

    Doch was kommt nach der Kurzarbeit? IG-Metall-Chef Jörg Hofmann bringt hier zur weiteren Job-Sicherung das Modell der Vier-Tage-Woche, also einer kollektiven Arbeitszeitverkürzung, "mit einem gewissen Lohnausgleich" ins Spiel. Nun endet allerdings der Schulterschluss zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern. Letztere können sich so einen "gewissen Lohnausgleich" schwer vorstellen. Eine Mehrheit der Deutschen (61 Prozent) steht aber einer Vier-Tage-Woche nach einer Umfrage des Instituts Yougov positiv gegenüber.

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